Ein Gütesiegel, mit dem erstmals die Diabetestherapie unterstützende Apps ausgezeichnet werden: Das gibt es seit August 2017. Es heißt DiaDigital, und die ersten fünf Apps haben das Siegel schon.

Viele Menschen mit Diabetes nutzen heute spezielle Diabetes-Apps, die sie in ihrem Diabetes-Management unterstützen. Inzwischen gibt es unzählige Angebote, die sich für Ärzte qualitativ oftmals nicht so einfach einordnen lassen. Problematisch ist: Keine offizielle Stelle in Deutschland prüft und bewertet bislang systematisch und unabhängig solche Apps – es gibt also keinen offiziellen "TÜV" für diese Anwendungen.

Qualitätssiegel soll‘s richten

Das soll sich ändern. Seit letztem Jahr gibt es DiaDigital, ein Qualitätssiegel für Diabetes-Apps. Durch eine Kooperation von Fachgesellschaften und Patientenverbänden mit dem Zentrum für Telematik und Telemedizin (ZTG) haben die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), diabetesDE, der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) und die Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M) gemeinsam und unter der Federführung der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie (AGDT) der DDG die DiaDigital-App-Gruppe gegründet. Sie testet Diabetes-Apps im Rahmen der Siegelvergabe der Diabetesverbände.

Vom Tagebuch bis zur Broteinheit

Weltweit geht das Angebot an diabetesbezogenen Apps schon in die Zehntausende. So gibt es etwa Diabetes-Tagebücher, die sämtliche Therapiedaten verwalten oder Programme, mit denen Diabetiker alle Kalorien, Brot- und Kohlenhydrateinheiten von Lebensmitteln zur Ernährungssteuerung abrufen können.

Mit DiaDigital werden Apps nun durch die Anwendung eines Kriterienkatalogs evaluiert, der den Nutzen für Diabetespatienten und Behandler gleichermaßen berücksichtigt. Sind die Kriterien erfüllt, gibt es das Siegel.

Die Daten, die bei diesem Bewertungsprozess erhoben werden, sind auf der DiaDigital-Website zu finden. Damit garantieren die Macher zum einen Transparenz, zum anderen eine rasche Anpassung der Bewertung an Weiterentwicklungen der Apps. Über 170 Diabetiker und Behandler haben sich inzwischen als App-Tester bei DiaDigital registriert. Ein wichtiges Ziel des Projekts ist es, die eigene App-Kompetenz zu steigern. Der Ansatz des gemeinsamen Testens ist ein wichtiger Aspekt von DiaDigital.

So funktioniert‘s!

Das DiaDigital-Siegel kann auf Antrag eines Herstellers vergeben werden, wenn die definierten Minimalkriterien (Codex-Kriterien) erfüllt sind. Die Hersteller bestätigen dies durch eine Selbstauskunft. "Die App muss z.B. auch barrierefrei sein", sagt Dr. Matthias Kaltheuner, leitendes Mitglied der DiaDigital-App-Gruppe (siehe „Nicht alles, was technisch möglich ist, wird auch menschlich erwünscht sein!“).

Die Arbeitsgruppe beurteilt die Richtigkeit der Angaben des Herstellers und auch die App. Diese bewerten die Tester individuell im App-Tester-Bereich der DiaDigital-Homepage. "Wir wollen in der App Gruppe die Nutzer besser über die Bedeutung von Applikationen in der Nutzung informieren können", heißt es dort.

Gemeinsam mit Nutzern und unter Berücksichtigung eines europäischen Kriterienkatalogs sowie der Charismha Studie wurde der diabetesspezifische Kriterienkatalog entwickelt. Der Bewertungsprozess selbst ist eine Einladung an Betroffene und Behandler, sich aktiv mit Apps zu beschäftigen.

Dabei verfolgt die Siegelvergabe drei Aspekte:

  • lernen durch anwenden,
  • Profis helfen Einsteigern,
  • Diabetiker und Ärzte bewerten Apps gemeinsam

Der Technologiepartner ZTG in Bochum geht bei dem ganzen Prozess auf Aspekte der IT-Sicherheit der App-Programmierung und -Ausgestaltung ein und erstellt einen Prüfbericht. In einer Telefonkonferenz wird abschließend besprochen, ob die App alle Qualitätskriterien erfüllt. Der Hersteller erhält in jedem Fall eine Rückmeldung und gegebenenfalls die Möglichkeit der Nachbesserung. Bei positivem Ergebnis bekommt die App das Qualitätssiegel.

Fehler entdeckt: Drei Apps fielen durch

In den letzten Monaten sind allerdings 3 Apps, die den Bewertungsprozess durchliefen, durchgefallen. Vor rund einem Jahr testete die Gruppe z.B. die App eines renommierten Herstellers – und fanden einen fatalen Fehler: Die Skala für mmol/L war falsch. Wenn man die Werte also von mg/dl auf mmol/L umstellte, zeigten sich dieselben Zahlen. "Da können wir natürlich kein Zertifikat ausstellen", so Kaltheuner.

DiaDigital berät auch die Unternehmen zu den Fakten, die gefunden werden. "Wir verbringen eine Menge Zeit damit, dass der Hersteller sein Produkt verbessern kann." Nachteilig findet er, dass die App-Hersteller sich ja selbst an DiaDigital wenden müssen, wenn sie die Prüfung für das Zertifikat durchlaufen wollen. "Die Selbstauskunft muss immer der Hersteller oder Vertreiber machen", erklärt er. Auf diese Angaben hätten sie keinen Einfluss.

Bei dem ganzen Prüfprozess sollen Negativbewertungen generell vermieden werden. Die Gruppe berichtet ja zum Abschluss darüber, dass etwa die App X einen Fehler aufweist. "Sollten wir uns da vertan haben, kann das ein juristisches Nachspiel haben", weiß er.

Die App-Gruppe achtet deshalb auch streng darauf, dass nicht publik wird, wen sie gerade testen – falls das Zertifikat nicht vergeben kann. Generell ist er aber der Meinung, dass es "eine ganze Menge guter Apps" gibt, die zum Beispiel eine gute Tagebuchfunktion oder kompetente Schulungselemente haben.

Diabetes-Apps nicht nur testen, sondern verbessern

"Wir müssen uns einbringen und unsere Kompetenz erhöhen!", sagt er. "Unsere Bemühungen stellen den ersten Ansatz in Deutschland dar, Diabetes-Apps von Betroffenen und Behandlern gemeinsam zu beurteilen und diese damit gleichzeitig gegebenenfalls zu verbessern." Eine Behörde könnte den Nutzen für die Diabetiker nicht so gut beurteilen wie die Betroffenen selbst.

Die Namen und Ergebnisse sind unter www.diadigital.de/zertifizierte-apps abrufbar. Unter dem Begriff "DiaDigital" werden künftig weitere Aktivitäten im Bereich der Digitalisierung in der Diabetologie erfolgen, so Kaltheuner.



Autorin: Angela Monecke
Redaktion Diabetes-Forum, Kirchheim-Verlag
Kaiserstraße 41, 55116 Mainz
Tel.: 06131/96070-0, Fax: 06131/9607090

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2018; 30 (3) Seite 18-19