Die Krankenhausreform ignoriert Diabetesfachkräfte systematisch. Der VDBD fordert strukturelle und finanzielle Verankerung von Diabetesexpertise in den Kliniken, damit Komplikationen für Patientinnen und Patienten verhindert werden können.
Jede fünfte Krankenhauspatientin bzw. jeder fünfte Krankenhauspatient in Deutschland lebt mit Diabetes, der als Nebendiagnose während der stationären Behandlung adäquat weiterversorgt werden muss, um Komplikationen zu verhindern. Dennoch droht die Krankenhausreform eine zentrale Berufsgruppe aus dem Blick zu verlieren: qualifizierte Diabetesberater:innen DDG und Diabetesassistent:innen DDG. Wir als Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD) warnen vor gravierenden Folgen, sollten diese Gesundheitsfachkräfte mit Diabetesexpertise nicht verbindlich in den klinischen Strukturen verankert werden.
Bereits im Zuge des Gesetzgebungsprozesses zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) haben wir als Verband in mehreren Stellungnahmen die Berücksichtigung von Diabetesexpertise in den Leistungsgruppen der Krankenhausreform eingefordert. Das spezialisierte Fachwissen von Ärztinnen und Ärzten mit diabetologischen Zusatzweiterbildungen sowie Diabetesberater:innen und Diabetesassistent:innen ist unverzichtbar für eine qualitative Versorgung von Patienten und Patientinnen mit Diabetes in der Klinik – sei es als Haupt- oder in Nebendiagnose. Diese Forderung wiederholen wir zum Entwurf der neuen Bundesregierung zum Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG); denn auch die Reform der Reform verkennt die Bedeutung von Diabetesexpertise im klinischen Setting.
Interprofessionelle Zusammenarbeit elementar
Aus unserer Sicht sind Diabetesberatung und Diabetesschulung keine "Nice-to-have", sondern elementare Bestandteile einer qualitativ hochwertigen Versorgung. So steuern Diabetesberater:innen und Diabetesassistent:innen Therapieprozesse, verhindern Rückfälle nach akuten Stoffwechselentgleisungen, stabilisieren die Blutzuckerlage rund um Operationen und koordinieren das Entlassmanagement. Durch die enge Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Angehörigen schlagen sie Brücken zwischen den Berufsgruppen – und tragen damit entscheidend zur Patientensicherheit
bei.
Ein Blick auf die Praxis unterstreicht den Stellenwert dieser Berufsgruppe. Wie wichtig für eine nachhaltige Versorgung die interprofessionelle Zusammenarbeit ist, zeigt die diesjährige Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung zur Strukturanforderung in Reha-Kliniken: So müssen Fachabteilungen für Kardiologie und Gastroenterologie mit Schwerpunkt Diabetologie ihr therapeutisches Personal künftig um eine:n Diabetesberater:in oder Diabetesassistent:in ergänzen. Dieses Signal muss auch für die Krankenhauslandschaft
gelten.
Daher fordern wir als VDBD, Diabetesberater:innen und Diabetesassistent:innen im Rahmen der Krankenhausreform in die Leistungsgruppen der Allgemeinen Inneren Medizin (LG 1) sowie der Komplexen Endokrinologie/Diabetologie (LG 2) aufzunehmen und eine gesicherte Finanzierung dieser Berufsgruppe zu verankern. Beratungstätigkeit und sprechende Medizin dürfen nicht länger als Randthemen behandelt werden.
Unterstützung durch die Fachgesellschaft
Als VDBD begrüßen wir ausdrücklich, dass auch die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in ihrer Stellungnahme zur Krankenhausreform einfordert, dass mindestens eine Gesundheitsfachkraft mit Diabetesexpertise – z.B. eine Diabetesberater:in DDG oder eine Pflegefachkraft mit entsprechender Weiterbildung – verpflichtend in die Strukturen der relevanten Leistungsgruppen verankert wird. Studien zeigen, dass die Einbindung von Diabetesfachkräften Komplikationen verringert und zu einer besseren Stoffwechselkontrolle im Krankenhaus
führt.
Diabetesberatung ambulant stärken
Die spezifische Qualifikation von Diabetesberater:innen DDG und Diabetesassistent:innen DDG hat sich als Strukturmerkmal in der ambulanten Versorgung von Diabetespatientinnen und Diabetespatienten bewährt. In diabetologischen Schwerpunktpraxen sind sie unverzichtbare Akteure im Behandlungsteam und fest verankert. An diesem Point-of-care werden hauptsächlich Menschen mit Typ-1-Diabetes sowie komplexe Fälle mit Typ-2-Diabetes versorgt.
Die Mehrheit der Menschen mit Diabetes, d.h. mehr als 90 Prozent, haben einen Typ-2-Diabetes, der jedoch hausärztlich versorgt wird. Oft fehlen hier die Kapazitäten für Beratung und Schulung. Durch frühzeitige Vermittlung von Wissen zur Erkrankung und Effekte von Lebensstiländerungen könnte z.B. bei Prädiabetes eine Manifestation des Diabetes verhindert oder zumindest zeitlich verzögert werden.
Daher fordert der VDBD einen Strukturzuschlag für Hausarztpraxen, wenn sie eine Diabetesassistentin oder Diabetesberater vorhalten - analog zum Strukturzuschlag für eine Nichtärztliche Praxisassistenz (NäPa), der unabhängig und zusätzlich zu den Leistungsziffern gezahlt wird. Außerdem sehen wir in der geplanten Primär(arzt)versorgung großes Potenzial für flexible Versorgungs- und Abrechnungsmodelle, z.B. durch Online-Patientenschulung oder telemedizinische Ansätze.
Appell an die Politik
Bund und Länder dürfen die Realität von Menschen mit Diabetes nicht länger ausblenden: Eine nachhaltige und moderne Diabetesversorgung funktioniert nur im Team. Wenn die Krankenhausreform die Diabetesberatung weiterhin systematisch ignoriert, gefährden sie die Versorgung von Millionen von Menschen. Wir appellieren daher eindringlich an die Politik, die Diabetesberatung als festen Bestandteil auf allen Ebenen des Gesundheitssystems mitzudenken – strukturell und finanziell."
- Stillstand oder Aufbruch in der Diabetologie?
- KHVVG und KHAG aus Sicht des BVKD
- VDBD: Diabetesberatung ist Patientensicherheit
- Reformen – Überlegungen aus Sicht des BVND
- Diabetologie vergessen? Eine GKV-Perspektive
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (5) Seite 16-17
