Die neuen Reformen im Gesundheitswesen bergen große Risiken. Das Diabetes-Forum ordnet die aktuelle Situation ein.

Ein Herbst der Reformen wurde uns bereits mehrfach versprochen, zuletzt im Sommer 2025. Dabei erinnern wir uns doch bitte einmal daran, dass gerade mal im Herbst 2024 ein Reformpaket der Superlative das Gesundheitssystem zukunftsfest machen sollte. Nach gut einem Jahr gibt es ein neues Führungsteam auf Bundesebene, aber die alten Probleme. Und anscheinend noch ein paar mehr, denn das gesamte Reformpaket wird wieder aufgeschnürt und die Einzelteile einer erneuten Prüfung unterzogen. Und dies unter maximalem politischen Zeitdruck. Für die ambulante und stationäre Diabetologie geht es um nichts weniger als das nackte Überleben, denn sie wurde in der Reform bislang schlichtweg übersehen.

Das Krankenhausreformgesetz (KHVVG) hat im Krankenhausversorgungsanpassungsgesetz (KHAG) einen Nachkömmling bekommen, der die Fehler des Vorgängers ausbügeln soll. Hier hoffen wir auf die Anerkennung der stationären Diabetologie. Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) der ambulanten Versorgung wurde vor Verabschiedung noch deutlich zusammengestutzt und steht aktuell unter massiver Kritik der Kassen mit der Forderung nach Rücknahme positiver Bestandteile (Entbudgetierung der Hausärzte). Hier benötigen die Schwerpunktpraxen Unterstützung. Das leider wenig beachtete Pflegereformgesetz hatte es in der letzten Legislatur nicht über die Ziellinie geschafft. Es erlebt jetzt als "Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung der Pflege" eine Wiederauferstehung, die es für die Diabetologie in sich hat. Erstmals sollen spezialisierte Pflegekräfte in die Lage versetzt werden, eigenständig und auf eigene Rechnung Krankheitsbilder wie Diabetes mellitus oder Chronische Wunden zu behandeln, mit allen juristischen Konsequenzen. Hier muss die interprofessionelle Zusammenarbeit in den Diabetesteams gestärkt werden.

Zeitplan der Reformen

Krankenhausanpassungsgesetz (KHAG)
  • Kabinettsbeschluss im Oktober 2025 erwartet
  • Inkrafttreten Frühjahr 2026
  • Organisatorische Übergangsphase 2026/2027
  • Finanzielle Scharfschaltung ab 2028
  • Umsetzung 2030
Pflegegesetz
  • Abstimmung Bundestag im Herbst 2025 erwartet
  • Inkrafttreten im Frühjahr 2026 erwartet
Reform der gesetzlichen Krankenversicherung
  • Expertenkommission ist berufen
  • Gesetzentwurf in 2026/2027 erwartet

Dies alles geht gerade im Getümmel der Lobbygruppen völlig unter. Die Krankenkassen warnen vor Verwässerungen der Spezialisierung und mahnen die Kostenbremse an, die Kliniken und Bundesärztekammer sehen immer noch zu viele Fehlanreize durch Fallzahlen als Grundlage ökonomischer Betrachtungen, der Marburger Bund sieht die ärztliche Weiterbildung gefährdet. Wurde eigentlich auch mal nach den Erwartungen der Patienten gefragt?

Es herrscht aktuell landauf, landab ein wuseliges Treiben mit dem Nettoeffekt des Stillstands, denn vor Frühjahr 2026 ist wohl nicht mit entscheidenden Weichenstellungen zu rechnen. Allein am Beispiel der Zuteilung von Leistungsgruppen für Kliniken, also der Berechtigung zur Erbringung spezialisierter Krankenhausbehandlung z.B. in der Diabetologie, zeigt sich das ganze Dilemma. Während Länder wie Nordrhein-Westfalen über ein Anhörungsverfahren diese Zuteilung bereits abgeschlossen haben, haben andere Bundesländer nicht einmal damit begonnen. Wiederum andere werden die Zuteilung ohne Anhörung der Betroffenen auf dem Verordnungsweg festlegen, aber erst nach Abschluss des Gesetzgebungsprozesses auf Bundesebene. Was tun?

Wir haben ausgewiesene Experten der im Diabetes-Forum vertretenen Berufsverbände des BVKD, VDBD und BVND sowie eine große Krankenkasse (BEK) gebeten, ihre Sichtweise auf die aktuelle Entwicklung und Nöte der Reformen zu beschreiben. In Zeiten der Unsicherheit tut eine gemeinsame Perspektive Not. Noch ist Zeit, die Diabetologie in der Versorgung dauerhaft sicher zu verankern.


Autor:
© privat
Dr. Bernd Liesenfeld
Chefredakteur


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (5) Seite 10-11