Die Reformen sollten die Qualität steigern. Doch für die Diabetologie brachten sie wenig. Der BVKD zweifelt an den Reformzielen: Status quo statt Innovation.

Dass die Organisation stationärer Behandlungen großes Verbesserungspotenzial bietet, darüber sind sich die meisten Akteure im Gesundheitswesen einig. Somit war die von der alten Bundesregierung initiierte Krankenhausreform mit großen Erwartungen verbunden. Als übergeordnete politische Ziele wurden die "Gewährleistung von Versorgungssicherheit" (Daseinsvorsorge), die "Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität" sowie eine "Entbürokratisierung" formuliert. Auch die "qualitativ hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung" sollte mit dem Vorhaben sichergestellt werden. Dabei orientierte man sich an dem in NRW entwickelten System der Krankenhausplanung, das nicht mehr entlang zugewiesener Betten, sondern entlang fachspezifischer Leistungsgruppen eine strukturierte Leistungserbringung sicherstellen soll. Die in diesem Zusammenhang zwingend notwendige Erfüllung von Strukturkriterien und personellen Anforderungen führt automatisch dazu, dass nicht mehr jedes Krankenhaus künftig alle Leistungen erbringen kann. Hochspezialisierte Medizin soll in ausgewählten hochspezialisierten Häusern erbracht werden, die sich durch die Vorhaltung und Auslastung struktureller und personeller Voraussetzungen kennzeichnen.

In der neu geschaffenen Leistungsgruppe "Komplexe Endokrinologie und Diabetologie" sah der BVKD eine große Chance für die spezialisierte stationäre Diabetologie. Der Vorstand beteiligte sich schon zu einem frühen Zeitpunkt aktiv an der Entwicklung der Leistungsmerkmale für das Fachgebiet. Ziel war es, eine hochspezialisierte diabetologische Krankenhausversorgung durch Zentralisierung zu ermöglichen und gleichzeitig eine flächendeckende Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Diabetes sicherzustellen. Um zu überprüfen, wie eine derartige Neuordnung deutschlandweit aussehen könnte, gab der Verband eine Simulationsstudie in Auftrag. Die nach der beauftragten Firma benannte VEBETO-Studie zeigte erstmals belastbar, dass die Kondensation von diabetologischen Leistungen an bestehenden größeren Standorten mit Diabetes-Schwerpunkt die gewünschten Ziele der Reform sicherstellen kann.

Neuordnung

Im Zuge der sich an die vom Land NRW angestoßenen Neuordnung der Krankenhauslandschaft entlang von Leistungsgruppen schloss sich eine Planung auf Bundesebene (KHVVG) an, die über diese Planungsansätze noch deutlich hinausging und eine Zuordnung der Krankenhäuser zu Versorgungsstufen bzw. Leveln forderte. Diese Level ordneten hochspezialisierte Leistungserbringer im Regelfall Maximalversorger mit einem umfassenden Leistungsspektrum und nur in wenigen Fällen Fachkliniken zu. Da die "Komplexe Endokrinologie/Diabetologie" nicht für Fachkliniken vorgesehen war, geriet das angedachte Konzept in Schieflage. Spezialisierte Versorger mit nachgewiesenermaßen höchster Behandlungsqualität im Bereich der Diabetologie waren in dieser neuen Struktur nicht mehr abgebildet. Weil das "Leveln" auch in anderen Bereichen der Medizin zu Verwerfungen geführt hätte, wurde der politische Druck zu groß und die Entscheidungsträger griffen wieder die Ideen aus NRW auf.

Leider war damit jedoch ein weiteres Problem des KHVVG noch nicht vom Tisch: die Verknüpfung von Strukturpolitik mit der finanziellen Abrechnung von Krankenhausleistungen. Die Einführung eines Vorhaltebudgets sollte die Grundversorgung und damit vor allem das Überleben von kleineren Grund- und Regelversorgern sicherstellen. Was zunächst nach einer soliden Sockelfinanzierung klang, entpuppte sich rasch als eine artifizielle Neuaufteilung der Fallpauschalen (DRGs). Die bisherige Vergütung wurde virtuell in Vorhaltepauschalen, Kosten für Pflegekräfte, variable Sachkosten und eine Rumpf-DRG gesplittet. Bei genauerem Hinsehen erwies sich die Regelung schnell als Mogelpackung, da damit insbesondere Wachstum durch Konzentration an weniger Standorten nicht ausfinanziert wurde, sondern man eher eine deutliche Leistungsverknappung unter dem Deckmantel eines Vorhaltebudgets vermuten musste.

Auch krankenhausplanerisch ergaben sich signifikante Hürden – auch schon in der NRW-Planung: Für die LG002 "Komplexe Endokrinologie und Diabetologie" waren die Strukturvorgaben für die meisten unserer Mitgliedshäuser kaum erreichbar. Hauptsächlich lag es daran, dass mindestens 2 Fachärzt:innen für Endokrinologie vorzuhalten waren. Bei gemäß Bundesärztekammer einer Anzahl von nur 160 Fachärzten für Diabetologie und Endokrinologie in deutschen Krankenhäusern schien damit eine Sicherstellung echter deutschlandweiter Qualitätsversorgung unerreichbar. Auch wurde die Präsenz verschiedener anderer Fachabteilungen im Haus vorausgesetzt, welche vor allem in spezialisierten Fachkliniken typischerweise nicht vorgehalten werden (Allgemeine Innere, Allgemeine Chirurgie, Intensivmedizin). Gemeinsam mit der DDG machte der BVKD daher darauf aufmerksam, dass viele hochspezialisierte Diabeteskliniken diese Voraussetzungen niemals erfüllen können. Mit der Kampagne "Besorgt statt versorgt" versuchte der BVKD auch die Bevölkerung für dieses Problem zu sensibilisieren. Der Ausgang war ungewiss.

Zweistufiges Verfahren

Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) trat am 1. Januar 2025 in Kraft. Zur Entscheidung der eindeutigen Zuordnung eines Falles zu einer Leistungsgruppe wurde vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) ein KHVVG-Grouper entwickelt. Dieser bot erneut Überraschungen für die stationäre Diabetologie. Anders als vielfach angenommen, werden einzelne DRGs nicht einer speziellen Leistungsgruppe zugeordnet, sondern können nun grundsätzlich in verschiedenen Leistungsgruppen landen. Die veröffentlichten Definitionshandbücher sehen ein zweistufiges Verfahren zur Ansteuerung der Leistungsgruppen vor: 1. Gemäß einer Kombination aus Diagnosen, Prozeduren und Alter (ähnlich DRG-Grouping-Logik) 2. Gemäß der Fachabteilung mit der längsten Verweildauer (FAB-Schlüssel), sofern nicht im ersten Schritt bereits eine Leistungsgruppe angesteuert wurde.

Eine direkte Ansteuerung der LG002 "Komplexe Endokrinologie und Diabetologie" über den ersten Filtermechanismus geschieht ausschließlich, sofern die multimodale Komplexbehandlung (OPS-Code 8-984.3) verschlüsselt wurde. Dies erfolgt in der Erwachsenen-Diabetologie nur an sehr wenigen Standorten in größerem Umfang. Die Ansteuerung der Leistungsgruppe im Erwachsenen-Bereich erfolgt üblicherweise für alle diabetologischen Fälle inkl. des diabetischen Fußsyndroms fast ausschließlich über den kodierten FAB-Schlüssel der Fachabteilung mit der längsten Verweildauer. Die LG002 wird damit nur angesteuert, sofern der FAB-Schlüssel 0153 (Diabetologie) verwendet wurde. Häuser, die die Fälle insbes. unter dem allgemeininternistischen FAB-Schlüssel führen, finden die Fälle der Diabetologie inkl. des diabetischen Fußsyndroms dann komplett in der LG001 Allgemeine Innere Medizin. Nach einer ähnlichen Logik kann ein Fall mit Diabetischem Fußsyndrom auch in die LG014 allgemeine Chirurgie eingeordnet werden.

Abstrakte Zuordnungen

Diese abstrakten virtuellen Zuordnungen von Abrechnungsfällen haben eine unmittelbare Auswirkung auf die praktische medizinische Versorgung. Positiv ist hierbei, dass auch Diabetesabteilungen ohne Facharzt für Endokrinologie weiterhin ihre gewohnten Leistungen erbringen können. Negativ wirkt sich hingegen aus, dass die politisch gewünschte Spezialisierung und Zentralisierung der stationären Diabetologie vorerst ausgehebelt wurde. Die einzige Möglichkeit, dies unter Anwendung des aktuellen Groupers doch noch zu erreichen, wäre eine Differenzierung des Fallerlöses für dieselben Diabetesdiagnosen je nach Leistungsgruppe. Die finanzielle Ausgestaltung ist im Moment allerdings noch völlig unklar.

Die neue Bundesregierung sah bei der praktischen Umsetzung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) weitere Verbesserungspotentiale. Am 5. August 2025 wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ein Referentenentwurf zum Krankenhausversorgungsanpassungsgesetz (KHAG) veröffentlicht. Aus Sicht des BVKD ergeben sich damit folgende Neuerungen für die stationäre Diabetologie. Die personellen Strukturvoraussetzungen in der LG002 "Komplexe Endokrinologie und Diabetologie" wurden geändert. Das nur von ganz wenigen Einrichtungen erfüllbare Strukturkriterium, zwei Fachärzte für Diabetologie und Endokrinologie vorhalten zu müssen, wurde dahingehend entschärft, dass alternativ nunmehr auch die Qualifikation Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzweiterbildung Diabetologie möglich ist. Damit ergeben sich allerdings neue Fragen nach dem Kompetenznachweis für die Erbringung von endokrinologischen Leistungen.

Unabhängig von der Leistungsgruppe LG002 muss diabetologische Expertise jedoch auch in anderen Leistungsgruppen stärker berücksichtigt werden. Schließlich weist etwa jeder fünfte Krankenhauspatient in Deutschland einen Diabetes als Begleiterkrankung auf. Diese Patientinnen und Patienten müssen während ihres stationären Aufenthalts hochwertig weiterversorgt werden, um akute Komplikationen – etwa Hypoglykämien, Hyperglykämien oder Infektionen – zu vermeiden und den klinischen Behandlungserfolg sicherzustellen. Es ist zu betonen, dass hierfür das spezialisierte Fachwissen von Ärztinnen und Ärzten sowie Gesundheitsfachkräften mit diabetologischer Qualifikation unabdingbar ist. Deshalb sollte die Diabetologie/Endokrinologie in weiteren Leistungsgruppen als qualifizierter Kooperationspartner benannt und strukturell berücksichtigt werden. Nur so kann eine qualitätsgesicherte Versorgung dieser wachsenden Patientengruppe gewährleistet werden.

Pauschale Einordnung

Eine besondere Situation ergibt sich im Rahmen von KHVVG und KHAG für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus. Besonders kritisch zu sehen ist die Zuordnung der Kinder- und Jugenddiabetologie zur Leistungsgruppe 46 "Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin".

Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus ist hochspezialisiert und erfordert ein multiprofessionelles Team bestehend aus ärztlicher Expertise, qualifizierten Diabetesberater:innen, Ernährungsfachkräften, Psycholog:innen sowie weiteren spezialisierten Berufsgruppen. Neben der medizinischen Betreuung steht insbesondere die strukturierte Schulung und psychosoziale Begleitung der jungen Patient:innen und ihrer Familien im Zentrum der Versorgung. Diese Anforderungen gehen weit über die klassische allgemeinpädiatrische Versorgung hinaus.

Durch die pauschale Einordnung in die Leistungsgruppe "Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin" wird dieser besondere Versorgungsauftrag nicht adäquat berücksichtigt. Besonders problematisch sind zudem die festgelegten Strukturvoraussetzungen dieser Leistungsgruppe: Die geforderte Vorhaltung von drei Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendmedizin ist für spezialisierte diabetologische Kliniken, die häufig mit einem kleineren, aber hochqualifizierten Team arbeiten, in der Regel nicht erfüllbar. Dies führt dazu, dass Einrichtungen mit ausgewiesener diabetologischer Expertise aus dem Leistungsspektrum herausfallen könnten – obwohl gerade sie die notwendige Versorgungsqualität gewährleisten.

Die Folgen sind gravierende Fehlanreize: Kliniken mit diabetologischer Spezialisierung können ihre Strukturen und Ressourcen nicht kostendeckend abbilden, während Einrichtungen ohne entsprechende Expertise formal gleichgestellt werden. Damit droht eine Schwächung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus in Deutschland und eine Verschärfung des bestehenden Versorgungsengpasses.

Es bleiben gemischte Gefühle, wenn man mit dem Blick der Diabetologie auf die aktuellen Auswirkungen von KHVVG und KHAG auf das stationäre Gesundheitssystem schaut. Es wurden sehr viele gute Ideen diskutiert. Erstmals könnte die Bettenzuordnung der Kliniken einer zunehmenden Spezialisierung der Medizin Rechnung tragen. Große Verwerfungen im Bereich der Diabetologie, nämlich das Verschwinden zahlreicher Fachabteilungen aufgrund unrealistisch hoher Strukturvoraussetzungen, konnten abgewendet werden. Ist durch die neuen Gesetze aber eine Gewährleistung von Versorgungssicherheit, eine Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität, eine Entbürokratisierung und qualitativ hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung möglich? Der BVKD zweifelt daran...


Autor:
© privat
Dr. med. Thomas Werner
1. Vorsitzender des BVKD – DIE Diabetes-Kliniken


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (5) Seite 12-14