Seit Jahrzehnten bieten sie eine kalorien- und kohlenhydratfreie Alternative zu Zucker. Doch in letzter Zeit werden sie kontrovers diskutiert. Wie macht ihr Einsatz in der Diabetes-Therapie Sinn?

Zu süß ist für die Gesundheit genauso kontraproduktiv, wie stark salziges oder sehr fettereiches Essen. Deshalb hat sich in letzter Zeit die Empfehlung zu Süßstoffen geändert. Ernährungsexperten sowie die Weltgesundheits-Organisation (WHO) empfehlen sie moderat einzusetzen. Denn ein sehr hoher Konsum der energiefreien Süßstoffe erhöht die Reizschwelle für süßen Geschmack. Mit der Gefahr, dass das Verlangen nach Süßem steigt und sich der Gaumen sukzessive an einen hohen Süßgeschmack gewöhnt. Trotzdem sind sie für Menschen mit Diabetes nach wie vor eine sinnvolle Zuckeralternative. Denn mit ihnen lassen sich blutzuckerwirksame, Kohlenhydrate und damit auch Energie einsparen. Dies bestätigen auch die Empfehlungen der WHO. Ein weiterer Vorteil dieser Süßstoffe ist die Zahngesundheit. Sie verursachen keine Karies, was die Zähne schont.

Süßstoffe werden täglich konsumiert

Kein Wunder, dass Süßstoffe nicht nur von Menschen mit Diabetes konsumiert werden. Eine jüngst veröffentlichte Verbraucherumfrage (https://suessstoff-verband.info/thats-light) des GfK eBUS, im Auftrag des Süßstoff-Verband e.V. hat ermittelt, dass Dreiviertel der Befragten in Deutschland mindestens einmal pro Woche Light- oder Zero-Produkte konsumieren. Jede zweite der befragten Personen greift täglich zu Lebensmitteln mit kalorienfreier Süße. Für die Praxis macht es also wenig Sinn Süßstoffe als ungesund und unnötig abzutun. Viel wichtiger ist es über deren Wirkung aufzuklären und Tipps an die Hand zu geben, wie ein moderater Umgang damit möglich ist. Denn ähnlich wie Zucker und auch Alkohol sind sie Teil des alltäglichen Lebens der meisten Menschen. Auch wenn von Seiten der Experten hier stets auf einen bewussten Umgang hingewiesen wird.

Nicht alles kategorisch ablehnen

Im Hinblick auf künstliche Süßstoffe wie beispielsweise Saccharin, Cyclamat, Aspartam, Stevia (Steviolglykoside) oder Sucralose heißt es gerne, dass sie Durchfall, Blähungen oder Heißhunger verursachen. Physikalisch betrachtet haben sie keine Auswirkungen auf den Darm und somit verursachen sie keinerlei gastrointestinale Beschwerden. Welche Auswirkungen sie auf die Diversität gesunder Darmbakterien, also das Mikrobiom haben, ist derzeit nicht eindeutig geklärt. Sicher ist dies auch abhängig von der jeweils konsumierten Menge, als auch deren Frequenz. Ebenso spielt der Gesamtstatus der individuellen Ess-Gewohnheiten eine zentrale Rolle. Wer zum Beispiel regelmäßig frisches Gemüse, Salat und bevorzugt wasserreiche Früchte sowie insgesamt ballaststoffreich isst, tut seinem Blutzucker und dem Darm viel Gutes. Wird dann ab und zu etwas mit Süßstoff konsumiert, wird die Gesundheit davon keinen Schaden nehmen. Ob Heißhunger durch den Genuss von beispielsweise einem Glas Cola zero/light oder einem Spritzer Flüssigsüßstoff im Dessert auftreten, mag in individuellen Einzelfällen auftreten.

Blähungen und Durchfall bei Sorbit und Co

Gastrointestinale Beschwerden machen sich nach dem Genuss verschiedener Zuckeralkohole (völlig alkoholfrei), auch als Zuckeraustauschstoffe oder Zuckerersatz genannt, eher bemerkbar. So können beim Essen von Lebensmitteln mit Sorbit, Maltit, Isomalt oder Fruchtzucker Blähungen, Durchfall oder Völlegefühl auftreten. Wie stark diese ausgeprägt sind, ist individuell verschieden. Typische Lebensmittel, sind hier Bonbons und Kaugummi ohne Zucker. Klagen Patienten über solche Beschwerden macht es Sinn nachzufragen ob und wieviel solcher Produkte täglich konsumiert werden. Denn neben anderen Ursachen wie einer Acarbose-Therapie, ballaststoffreichem Essen oder einer Gastroparese, kann ein hoher Konsum der Zuckeraustauschstoffe eine der Ursache sein. Einzige Ausnahme bei den Zuckeraustauschstoffen ist Erythrit/Erythritol. In normalen Mengen gegessen, beispielsweise ein bis zwei Stück Kuchen oder als Süße in Desserts oder pikanten Gerichten, verursacht Erythrit diese Beschwerden in der Regel nicht.

Klassiker: Tabletten und Flüssigsüße aus Saccharin und Cyclamat

Saccharin ist der älteste bekannte Süßstoff. Er wird gerne mit Cyclamat kombiniert angeboten. So bestehen klassische Süßstofftabletten, flüssiger Süßstoff oder Streusüße meistens aus einer Mischung dieser beiden Süßstoffe. Solche Produkte müssen nicht zwangsläufig vegan sein. Teils enthalten Süßstofftabletten sehr geringe Mengen Laktose (Milchzucker). Das kann für Menschen mit einer Laktoseintoleranz, je nach Schweregrad, zu gastrointestinalen Beschwerden führen. Deshalb lohnt hier stets der Blick auf die sehr klein gedruckte Zutatenliste auf der Produktverpackung. Saccharin klingt für den Laien ähnlich wie Saccharose, also der klassische Haushaltszucker. Deshalb wird er beim Prüfen der Zutatenliste von Verbrauchern leicht verwechselt. Allerdings ist Saccharin 300- bis 500-mal süßer als Haushaltszucker. In der Zutatenliste kann er auch mit seiner E-Nummer E954 angegeben. Die von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfohlene, täglich gesundheitlich unbedenkliche Höchstmenge (ADI-Wert) liegt hier bei fünf Milligramm pro Kilo Körpergewicht. In Verruf geriet Saccharin, da es möglicherweise den Blutzuckerspiegel beeinflussen kann. Hier wurden eine tierexperimentelle Stude sowie eine Studie mit sieben Testpersonen durchgeführt. Auf Grund dieser kleinen Studie sind keine Rückschlüsse auf größere Personengruppen möglich. Der Süßstoff Cyclamat (E952) ist lediglich 30- bis 50- mal süßer als Zucker. Sein ADI-Wert liegt bei null bis sieben Milligramm pro Kilo Körpergewicht. Cyclamat wird im Körper nicht verstoffwechselt und mit dem Urin wieder ausgeschieden. Eine kleine Gruppe von Menschen verfügt über bestimmte Darmbakterien, die Cyclamat zu einem geringen Anteil kalorisch verwerten können. Dennoch ist dieser Gehalt verschwindend gering, so dass er in wohl dosierter Menge als Süßungsmittel möglich ist.

Ist Stevia wirklich so natürlich, wie viele glauben?

Neben den altbewährten Klassikern kommen immer wieder neue Süßstoffe auf den Lebensmittelmarkt. Beispielsweise Sucralose (E955). Erhältlich im Einzelhandel zum Streuen, als Tablette oder flüssig. Sucralose ist besonders gut löslich und wird deshalb in Industrieprodukten gerne als kalorienfreie Süßstoff für Soft-Getränke genommen. Teils als Ersatz für Zucker oder in Kombination mit anderen Süßstoffen. Die benötigten Mengen sind minimal, dank einer Süßkraft, die 600-Mal süßer ist als Zucker. Sein ADI-Wert liegt bei 15 Milligramm pro Kilo Körpergewicht. Der jüngste Süßstoff, welcher Ende 2011 in Europa zugelassen wurde, ist Stevia. In der Zutatenliste als Steviolglykoside (E960) zu finden. Besonders in der Influencer-Szene wird er gerne als besonders gesund und natürlich angepriesen. Doch bis aus dem ursprünglichen Stevia-Blatt die flüssige, Tabletten- oder Streu-Süße wird, durchläuft die Pflanze zahlreiche chemische Prozesse. Also von Natürlichkeit fehlt da jede Spur. Anders sieht es aus, wenn die Blätter einer Stevia-Pflanze frisch geerntet in der heimischen Küche verwendet werden. Als Lebensmittelzusatz sind in Europa allerdings lediglich die Glykoside (gelöster Extrakt aus Steviablättern) zugelassen. Stevia-Pflanzen findet man teils in Gartencentern, wo sie als Pflanze und nicht zum Süßen verkauft werden. Stevias Süßkraft ist 200- bis 400-mal süßer als Haushaltszucker. Sein ADI-Wert liegt bei vier Milligramm je Kilo Körpergewicht. Da Menschen mit niedrigem Körpergewicht, zum Beispiel Kinder, den ADI-Wert beim Genuss von Getränken mit Stevia schnell und leicht überschreiten können, sollte dies beachtet werden.

Redebedarf bei Aspartam

Im vergangenen Jahr gab es nach Jahren erneute Negativ-Schlagzeilen zum Süßstoff Aspartam (E 951). Demnach stuft die Internationale Agentur für Krebsforschung, kurz IARC, Aspartam als "möglicherweise krebserregend für Menschen" ein. Aspartam gehört auch zur Gruppe kalorienfreier Süßstoffe. Er wird als Streu- und Tablettensüße im Einzelhandel angeboten. Außerdem bedient sich die Lebensmittelindustrie gerne daran, um beispielsweise Milchprodukte, Eis, Kaugummi oder Erfrischungsgetränke zu süßen.

Zur Prüfung möglicher gesundheitlicher Risiken durch den Aspartam-Konsum wurde dieser von der Internationalen Agentur für Krebsforschung, als auch vom gemeinsamen Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe der Weltgesundheitsorganisation und der Welternährungsorganisation (JECFA) neu bewertet. Basis waren wissenschaftliche Daten aus zahlreichen Studien und Berichten. Nach der Klassifizierung der IARC werden Substanzen in Kategorien eingeteilt: "krebserregend für den Menschen", "wahrscheinlich krebserregend", "möglicherweise krebserregend" "wahrscheinlich nicht krebserregend" und "nicht einzustufen". Die Einteilung spiegelt wider, wie deutlich die wissenschaftlichen Beweise für die krebserregende Wirkung sind und nicht wie hoch das Risiko ist, bei einer bestimmten Aufnahmemenge Krebs zu entwickeln. Demnach bedeutet das "möglicherweise krebserregend für Menschen", dass es Hinweise dafür gibt, aber die Datenlage nicht eindeutig ist. In die Kategorie der "möglicherweise krebserregenden" Stoffe sind bereits über 300 weitere Substanzen eingeordnet. Dazu zählen zum Beispiel Aloe-Vera-Extrakt, sauer eingelegtes Gemüse asiatischer Art oder auch hochfrequente elektromagnetische Felder aus dem Mobilfunk. Für Aspartam bedeutet das, es gibt "begrenzte" Hinweise für eine krebsfördernde Wirkung in Tierversuchen und beim Menschen, insbesondere für Leberzellkrebs. Möglicherweise führt die Aufnahme des Süßstoffs zu oxidativem Stress und chronischen Entzündungen, was eine Tumorentwicklung fördert.

Doch ähnlich wie die Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC) sehen die Sachverständigen des JECFA keine eindeutigen und überzeugenden Belege für ein konkretes Krebsrisiko, wenn Menschen Aspartam konsumieren. Sie kamen zu dem Schluss, dass die akzeptable tägliche Aufnahmemenge (ADI) von 40 Milligramm/kg Körpergewicht nicht geändert werden muss. Um diese Menge zu überschreiten, müsste ein Erwachsener mit 70 kg mehr als neun Dosen eines Diät-Softdrinks mit 200 bis 300 Milligramm Aspartam tagtäglich zu sich nehmen.

Zucker und Austauschstoffe – was ist bei Diabetes wichtig?

Auf der Suche nach probaten Zuckeralternativen bei Diabetes machen Honig, Ahornsirup, Agavendicksaft oder Kokosblütenzucker wenig Sinn. Denn sie liefern schnell resorbierbare Kohlenhydrate, ähnlich wie herkömmlicher Haushaltszucker. Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Maltit, Isomalt oder Xylit, die gerne in zuckerfreien Süßigkeiten, Bonbons und Kaugummi enthalten sind, wären möglich. Hier gilt der Hinweis auf die gastrointestinalen Auswirkungen wie Blähungen und Durchfall. Je nach Magenempfindlichkeit kann sich dies schon beim Konsum kleiner Mengen zeigen. Beispielsweise nach dem Genuss eines Riegels Schokolade oder ein paar zuckerfreien Bonbons. Fruchtzucker als Süße ist gänzlich ungeeignet, denn er kann das Risiko für eine nicht alkoholbedingte Fettleber erhöhen. Natürlicher Fruchtzucker, der beim Genuss frischer Früchte aufgenommen wird, bildet hier eine Ausnahme. Aus dem Segment der Zuckeraustauschstoffe wäre Erythrit eine sinnvolle Alternative. Dieser verursacht in normal gegessener Menge weder Blähungen noch Durchfall und ist dabei kalorien- und kohlenhydratfrei. Ebenfalls möglich, beispielsweise zum Backen, sind Kombinationen von kleinen Mengen an Zucker, Honig, Ahornsirup, Agavendicksaft oder Kokosblütenzucker (kohlenhydratanrechnungspflichtig), mit Erythrit. Oder kalorien- und kohlenhydratfrei als Mischung mit Süßstoffen wie Saccharin, Cyclamat, Sucralose, Aspartam oder Steviolglykoside/Stevia.

Das können Süßstoffe
  • Kalorien- und kohlenhydratfreie Süßstoffe wie Sacharin, Cyclamat, Sucralose, Steviolglykoside/Stevia sowie Aspartam haben keine Auswirkungen auf Gewicht und Blutzucker.
  • Alles Süßstoffe bewirken weder Blähungen, Völlegefühl, noch Durchfall.
  • Empfohlen werden sie in kleinen Mengen, damit sich der Gaumen nicht zu stark an die süße Geschmacksrichtung gewöhnt.
  • Für jeden Süßstoff gibt es Mengenempfehlungen für die tägliche, gesundheitlich unbedenkliche Aufnahmemenge, genannt ADI-Wert.
  • Süßstoffe sind, laut WHO, in kleinen Mengen für Menschen mit Diabetes nach wie vor möglich.
  • Süßstoffe schonen Zähne.

Empfehlungen zu Süßstoff bei Diabetes

Auch wenn es immer wieder Negativschlagzeilen zu Süßstoffen gibt, sind sie nach wie vor für Menschen mit Diabetes möglich. Vorausgesetzt sie werden moderat konsumiert. Einerseits, um im Rahmen der gesundheitlich unbedenklichen Mengen der jeweilige ADI-Werte zu bleiben. Andererseits um die persönliche Schwelle für die süße Geschmacksrichtung nicht ins unermessliche zu konditionieren. Wer insgesamt wenig zugesetzte Süße konsumiert, gewöhnt sich mit der Zeit daran und empfindet fertig gesüßte Lebensmittel zunehmend als extrem süß. Der Weg zurück zum Konsum natürlicher Lebensmittel ohne Zucker, Süßstoff und Co wäre der beste Weg.

Doch im Alltag ist dies nicht immer so einfach machbar. Wer beispielsweise seinen Kaffee oder Tee stets mit Süßstoff trinkt, kann hier die Mengen sukzessive verringern. Erfrischungsgetränke mit Süßstoff lassen sich zum Beispiel mit kohlensäurehaltigem Mineralwasser verdünnen, ähnlich wie eine Saftschorle. Alternativen für einen süßen Geschmack können zudem Gewürze wie Vanille, Zimt oder Anis bieten.



Autorin:
© herzwiese.de
Kirsten Metternich von Wolff
Diätassistentin DKL/DGE


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (3) Seite 20-23