Grundlage Welches Sensorsystem passt zu wem? Warum ist die Schulung als Grundlage der Therapie so wichtig? All diese Fragen beantworten Prof. Dr. med.Thomas Danne Danne und Diabetesberaterin Kerstin Remus im folgenden Beitrag.

Neuentwicklungen der Diabetestechnologie wie kontinuierliche Glukosemessung (CGM), Flash Glucose Messung (FGM) und sensorunterstützte Pumpentherapie (SuP) haben in der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen wegen der alterstypischen Stoffwechselschwankungen eine besondere Bedeutung. Die tägliche Blutzuckerbestimmung ist für Menschen mit Diabetes eine tägliche Herausforderung. Im Durchschnitt wird der Blutzucker 6 Mal am Tag bestimmt, Eltern von Kleinkindern messen durchaus auch zwischen 12 und 16 mal pro Tag.

Seit 2005 gibt es Systeme für die kontinuierliche Glukosemessung, welche die Patienten im Alltag einsetzen können. Durch die positive Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dass eine kontinuierliche Glukosemessung mit Alarmfunktion (realtime CGM-System) bei entsprechender Indikation eine Regelleistung der Krankenkasse ist, möchten immer mehr Patienten ein System nutzen. Leider gibt es derzeit noch große regionale Unterschiede in der Genehmigungspraxis durch die Krankenkassen und in der Bewertung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen.

Beteitschaft zum Umdenken nötig

Die meisten Patienten erhoffen sich durch ein Sensorsystem, dass sie nie mehr messen müssen, bzw. sich den Pieks in den Finger ersparen zu können. Zudem gibt die Blutzuckermessung nur einen punktuellen Wert an, während bei den Systemen mit der kontinuierlichen Messung der Glukoseverlauf gezeigt wird. Die Unterstützung der Insulintherapie durch ein kontinuierliches Glukosemonitoring unterstützt die Familien also nicht nur im Erkennen zu hoher oder zu niedriger Werte, ebenso werden Trendpfeile angezeigt, die die Entwicklung der letzten Minuten anzeigen und einen weiteren Verlauf prognostizieren.

Hierdurch werden Verhaltensanpassungen zur Prävention extremer Werte möglich. Die Patienten und ihre Familien müssen also von vorneherein darüber aufgeklärt werden, dass sich ihr Diabetesmanagement jetzt nach dem Trend des Glukoseverlaufs richtet und daher die Bedeutung eines einzelnen Blutzuckerwerts ("Momentaufnahme") in den Hintergrund tritt. Daher ist eine gute Information über das, was einzelne Sensorsysteme können, dringend erforderlich.

Spectrum hilft Missverständnisse zu vermeiden

Seit 2016 gibt es das CGM-Schulungsprogramm Spectrum, zu diesem Schulungsprogramm gehört auch ein Modul 0, welches für die unterschiedlichen Altersgruppen in der Pädiatrie auf der Seite der AGPD und für die Erwachsenen auf der Seite der AGDT zu finden ist.

In diesem Modul wird das Prinzip der kontinuierlichen Glukosemessung ausführlich erklärt und es gibt ein Arbeitsblatt/Checkliste. Beides kann kostenfrei heruntergeladen werden. Wir empfehlen allen Familien, die sich für ein Sensorsystem interessieren als erstes das altersgerechte Modul 0 anzuschauen, weil dadurch falsche Erwartungen vermieden werden können.

Unterschiedliche Systeme

Das kontinuierliche Glukose-Monitoring in "realtime" (rtCGM) liefert nahezu Echtzeit-Glukosedaten; das intermittierende kontinuierliche Glukose-Monitoring (iscCGM, "Flash Glucose Monitoring" verwendet eine ähnliche Methodik, um kontinuierliche Glukosemessungen retrospektiv zum Zeitpunkt der Überprüfung zu zeigen. Jedoch kann nur rtCGM Benutzer warnen, wenn die Glukosespiegel zu Hypoglykämie oder Hyperglykämie tendieren. Mit iscCGM wird der aktuelle Glukosewert nur mit einem aktiven Scan des Lesegerätes über den Sensor zusammen mit einem Trendpfeil und einer 8-Stunden Verlaufsgrafik angezeigt.

Es ist oft schwierig, zwischen den Technologien zu unterscheiden, etwa in Bezug auf Kalibrierungen, Alarmen, praktischen Aspekten beim Anbringen und Tragen von Sensoren oder den Kosten, die gerätespezifisch sind. Da diese technologischen Details ständigen Änderungen unterliegen, demonstrieren wir den interessierten Familien die einzelnen Systeme in der Diabetesberatung in ihrer aktuellen Ausstattung.

Eine Sonderrolle spielt der implantierbare Sensor "Eversense", der nicht wie die anderen Systeme die Gewebeglukose mit einer in elektrischen Strom umgewandelten enzymatischen Reaktion bestimmt. Der weniger als zwei Zentimeter kleine Eversense-Sensor wird in einem einfachen, ca. 5 minütigen, ambulanten Verfahren in den Oberarm eingesetzt und misst die Glucose mittels nichtenzymatischer Fluoreszenz. Dadurch hat dieser unter die Haut eingesetzte Sensor eine Laufzeit von bis zu 6 Monaten und übermittelt Vibrationsalarme direkt am Körper an einen Transmitter, auch wenn das Smartphone mit der dazugehörigen App nicht in der Nähe ist.

Dieses Gerät ist allerdings bislang nur für Erwachsene zugelassen, die pädiatrischen Zulassungsstudien laufen noch.

Kombination von Sensor und Pumpe

Die Sensor-unterstützte Pumpentherapie beschreibt die Unterstützung der Insulinpumpentherapie durch eine kontinuierliche Glukosemessung. Hier gibt es die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Geräten unterschiedlicher Hersteller zu wählen, und eine beliebige Insulinpumpe mit einem CGM-System zu kombinieren, um die Vorteile eines CGM (Alarmmeldungen, Trendanzeigen) für die Therapie nutzen zu können.

Zu bedenken gilt, dass hier nicht jede Kombination sinnvoll ist. So ist das Gerät DexCom G5 bzw. G6 (Fa. DexCom) zwar für die Insulindosierung vom Hersteller zugelassen, allerdings lassen z.B. die Geräte der Insulinpumpen AccuChek (Fa. Roche) keine externen Glukoseeingaben zu, so dass für eine Nutzung des Bolusrechners zusätzlich eine "blutige" Messung erforderlich ist.

Sensorunterstütze Pumpentherapie bei schwerer Unterzuckerung

Wenn Patienten bereits eine schwere Unterzuckerung mit einer Insulinpumpentherapie erlebt haben, legen wir den Familien eine sensorunterstütze Pumpentherapie mit prädiktiver Insulinabschaltung dringend nahe. Bekanntlich ist eine stattgehabte schwere Unterzuckerung nach den Analysen der DPV-Gruppe mit einem erhöhten Risiko für eine weitere schwere Hypoglykämie in den nächsten vier Jahren verbunden. Für eine vollständige Integration des Sensorsystems in die Pumpentherapie ist derzeit das System MiniMed 640G (Fa. Medtronic) erhältlich.

Hier kann die Insulinpumpe mit Hilfe eines Rechenalgorithmus die Sensorwerte interpretieren und den Verlauf vorausschauend für die nächsten 30 Minuten berechnen. Wird ein festgelegter Grenzwert in dieser Voraussicht unterschritten, wird die Insulinzufuhr für eine Dauer von 30 bis 120 Minuten unterbrochen. Wenn die Berechnung wieder Werte im sicheren Bereich über diesem Grenzwert ergibt, wird die Zufuhr fortgesetzt. Diese Form der Therapie setzt ein Vertrauen in das System voraus.

Hier muss Patient und Familie also bereit sein, gewohnte Verhaltensmaßnahmen bei drohender Unterzuckerung dem prädiktiven Abschaltalgorithmus zu überlassen, was nicht jedem leichtfällt. Denn wenn es im Alarmfall gleichzeitig zu einer präventiven Insulinabschaltung und einer präventiven Unterzuckerungsbehandlung mit schnell wirksamen Kohlenhydraten kommt, hat dies hohe Glukosewerte zur Folge, die langfristig zu einem unerwünschten Anstieg des HbA1c führen können.

Eine gute, ausführliche und repetitive strukturierte Schulung der Patienten (und Eltern) ist erforderlich, z.B. nach dem Schulungsprogramm SPECTRUM, bleibt daher auch in der Pädiatrie die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der kontinuierlichen Glukosemessung bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes.



Autoren: Prof. Dr. med. Thomas Danne, Kerstin Remus
Kinder- und Jugendkrankenhaus "AUF DER BULT",
Janusz-Korczak-Allee 12, 30173 Hannover,
E-Mail: danne@hka.de

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2018; 30 (9) Seite 22-23