Bei der Diabetesbehandlung entsteht reichlich Abfall. Doch es gibt noch keine Systematik, wie damit umgegangen werden soll. Damit sich das ändert, hat sich die Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Umwelt & Klima der DDG intensiv damit beschäftigt.
Bei der Diabetestherapie entsteht reichlich Abfall, welcher in Deutschland bisher nicht systematisch recycelt und größtenteils im Restmüll entsorgt wird, was wertvolle Ressourcen vernichtet [1, 2]. Dies betrifft beispielweise geschätzt mehr als 30 Millionen Einmalinsulinpens pro Jahr. Die Arbeitsgemeinschaft Diabetes, Umwelt & Klima (AG DUK) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (https://www.ddg.info/die-ddg/gremien-der-ddg/netzwerk-nachhaltigkeit-der-ddg) möchte die Therapie nachhaltiger machen – selbstverständlich ohne, die Versorgungsqualität der Menschen mit Diabetes zu verschlechtern. Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass die Notwendigkeit, Ressourcen zu schonen, in Zukunft auch zunehmend die Medizin betreffen wird. Daher sieht die AG keinen Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und medizinischer Versorgung, sondern eine Synergie.
Um Abfall zu vermeiden und Recycling zu betreiben, sieht die AG DUK den Bedarf, sich bei einer Reihe ihrer Aktivitäten mit den Herstellern von Arzneimitteln und Medizinprodukten auszutauschen. Dies soll auch dazu dienen, ein Verständnis über notwendige Schritte sowie mögliche gemeinsame Projekte und konkrete Aktivitäten, z.B. bei der Abfallvermeidung und beim Recycling, zu erreichen. Parallel dazu gibt es Kommunikation mit den Interessensverbänden der Hersteller (dem BVMed, dem VDGH und MedTech Europe).
Warum ein "Round Table"?
Man kann sich fragen, warum die AG DUK das Format eines "Round Tables" (RT) für diese Kommunikation gewählt hat. Ein RT bietet eine Plattform für einen offenen Austausch auf Augenhöhe und hilft beim Verstehen der verschiedenen Perspektiven bei einem Thema. Man redet miteinander und nicht übereinander. Bei dem RT gibt es für die Hersteller auch die Möglichkeit "Branchenlösungen" anzudenken und zu entwickeln, z.B. bei einem Recycling von Insulin-Pens. Somit wurde erstmals eine Schnittstelle zu dieser Thematik zwischen Fachgesellschaft, Herstellern und Interessenverbänden geschaffen.
Was kann eine AG der DDG und ein Round Table mit den Herstellern gemeinsam beim Thema Umwelt und Klima erreichen?
Mit der Gründung der AG DUK ist die DDG bei dem hier relevanten Thema deutlich besser positioniert als viele andere Fachgesellschaften und Organisationen [3]. Die AG DUK hat in einem Positionspapier klare Ziele für ihre Aktivitäten formuliert [4]. Es gibt weitere konkrete Ziele, wie sie zum Beispiel in der "Green Diabetes Declaration" der Diabetes Technology Society in den USA beschrieben werden [5]. Die Hersteller können gemeinsam mit der AG DUK an der Erreichung dieser Ziele arbeiten, z.B. durch den Wegfall von gedruckten Gebrauchsanweisungen (Instructions for Use (IFUs)) bei jedem Medizinprodukt [6]. Eine systematische Kommunikation mit den Herstellern im Rahmen eines RT unterstützt die Implementierung solcher Aktivitäten.
Was können die "Hersteller" tun, und was tun sie schon?
Es gibt diverse Optionen für Aktivitäten der Hersteller im Zusammenhang mit dem Thema "Nachhaltigkeit". In den Gesprächen wurde deutlich, dass viele Hersteller dies als eine wirklich relevante Aufgabe erachten. So wollen sie beispielsweise eine Kreislaufwirtschaft innerhalb ihrer Unternehmen und die Zusammenarbeit mit Zulieferern entsprechend "grün" gestalten. Dazu zählt auch, die Design- und Entwicklungsprozesse von Produkten "neu" zu denken und "Eco-Design" von Beginn an zu implementieren. Beispielsweise sollten B. Insulinpens aus möglichst wenigen Kunststoffarten bestehen, um Recycling zu erleichtern. Dazu zählt auch die Berücksichtigung von Patient:innenwünschen und -hinweisen beim Produktdesign, dito entsprechende Hinweise von Mitgliedern der Diabetes-Teams [7]. Im nächsten Schritt gilt es die Produktion der Produkte zu optimieren. Dadurch können die Abfallmengen reduziert und das Recycling der Produkte erleichtert werden. Allerdings gilt es für die Hersteller diverse rechtliche und regulatorische Vorgaben zu beachten.
Struktur und Organisation
Das erste persönliche Treffen des RT fand am 10. Mai 2024 im Rahmen der DDG-Frühjahrstagung statt, gefolgt von virtuellen Nachfolgetreffen im Abstand von einigen Monaten. Von diesen Sitzungen gibt es Protokolle, die insbesondere die guten und kritischen Diskussionen wiedergeben. An den Sitzungen haben jeweils mehr als 10 Hersteller teilgenommen, repräsentiert durch leitende Managementvertreter und/oder dezidierte Nachhaltigkeitsbeauftragte.
Besprochene Themen und sich daraus ableitende Projekte
Durch die dynamische Zunahme der Nutzung von Diabetes-Technologie-Produkten in den letzten Jahrzehnten steigt auch die dabei anfallende Menge von Müll durch die Produkte selber und deren Verpackungen an. Ein konkretes Thema des RT ist deshalb die Reduktion von "Müll" durch Recycling-Projekte. Da dieses Thema auch für die Hersteller der Medizinprodukte von Interesse ist, gibt es hier gute Optionen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Ein erstes gemeinsames Projekt ist das Recycling von Insulinpens. Ziel ist es, durch Aufstellen von entsprechenden Sammelbehältern die Insulinpens von allen Herstellern einem geeigneten Recycling-Prozess zuzuführen und die dabei gewonnenen Materialien wieder für die Produktion einzusetzen. Bei weiteren Projekten gilt es die Glukose-Sensoren von CGM-Systemen sowie die Inserter der Sensoren einem Recycling zuzuführen bzw. Abfall zu vermeiden, z.B. durch wiederverwendbare Inserter. Dies ist eine komplexere Anforderung, da bei den Glukose-Sensoren auch elektronische Bauteile und eine Batterie verbaut sind [2] und den hygienischen Anforderungen gerecht werden muss. Dies gilt auch für Insulin-Patch-Pumpen. In Frankreich gibt es schon ein etabliertes Recycling-Programm für das Recycling von Insulinpumpen und -pens (DASTRI; https://www.dastri.fr/).
Bei allen Recycling-Projekten ist es wichtig zu verstehen, wieviel von welchem Abfall fällt in der Praxis an [1, 8]. Dabei lag der Fokus der bisherigen Evaluierungen auf den Produkten selber, wobei die Verpackungsmaterialien und andere den Produkten beigelegte Materialien (wie IFUs) ebenfalls erheblich zur anfallenden Müllmenge beitragen.
Zusammenfassung und Ausblick
Im nächsten Schritt gilt es, durch Involvierung von z.B. diabetesDE engagierte Menschen mit Diabetes bei diesen Entwicklungen einzubeziehen.
Fast reflexhaft wird beim Thema Nachhaltigkeit von Medizinprodukten auf die Hersteller dieser Produkte verwiesen. Allerdings können auch alle anderen an der Durchführung der Diabetes-Therapie beteiligten Gruppen entsprechende Aktivitäten initiieren und in ihrem Einflussbereich umsetzen. Auch deshalb wurden z.B. bei der "Green Diabetes Declaration" konkrete Ziele für alle Gruppen formuliert [5]. So gilt es bei Diabetes-Schwerpunktpraxen (bzw. bei Arztpraxen allgemein) zu schauen, wo und wie Patienten mit Diabetes Hinweise zum richtigen Entsorgen von Produkten wie Glukosesensoren, Insulinpumpenzubehör, erhalten können, wie sie z.B. die AG DUK auf der Homepage zum Download zur Verfügung stellt (https://www.ddg.info/die-ddg/gremien-der-ddg/netzwerk-nachhaltigkeit-der-ddg#e16375). Solche Hinweise können die Patienten auch im Rahmen der technischen Einweisungen in die Nutzung der Produkte erhalten. Die Rolle der Diabetesberater- und assistent:innen ist hier besonders wichtig. Eine Herausforderung hierbei ist, dass die Zeit mit den Patienten in den Praxen knapp ist und die Finanzierung problematisch, d.h. es gibt für solche Gespräche keine Honorierung. Die Praxen können auch selbst Entsorgungsangebote in ihren Räumlichkeiten anbieten (Foto).

Müllbox für die getrennte Sammlung von Diabetes-Technologie-Produkten (Foto wurde freundlicherweise von Friedhelm Petry zur Verfügung gestellt).
Daher möchte die AG DUK mit dem RT ein Forum für die beteiligten Gruppen bieten, um gemeinsam an Projekten in dem hier angesprochenen Sinne zusammenzuarbeiten. Dies stellt eine wichtige Voraussetzung für die Stärkung von Resilienz-Ansätzen auf allen Ebenen dar. Durch eine gemeinsame Kommunikation von solchen Systemgrenzen überwindenden Ansätzen, unter besonderer Berücksichtigung der "Praxis", kann die Diabetologie einen Beitrag zur adäquaten Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaaspekten bei der Diabetes-Therapie liefern und die Versorgung von Menschen mit Diabetes jetzt und in Zukunft sicherstellen.
- Interview mit Prof. Dr. Petra Thürmann
- „Round Table“ der AG Diabetes, Umwelt & Klima
- Recycling von Insulinpens: A call for action!
- Hitze und Diabetes-Technologie: Risiken erkennen
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (2) Seite 14-16