Die Temperaturen geraten in immer dramatischere Regionen, und das Klima hier in Deutschland hat und wird sich weiter drastisch ändern. Wie Menschen mit Diabetes damit umgehen sollten, das verrät Theresia Schoppe.
Hohe Temperaturen stellen nicht nur für den menschlichen Organismus eine Herausforderung dar, sondern können auch die Funktionalität technischer Hilfsmittel zur Diabetes-Therapie beeinträchtigen. Insulin verliert bei Hitze an Stabilität, Glukosemesssysteme können ungenaue Werte liefern und Akkus oder Batterien von Insulinpumpen sowie rtCGM-Systemen überhitzen. Diese potenziellen Risiken machen es erforderlich, Patient:innen gezielt über den richtigen Umgang mit ihren Geräten bei hohen Temperaturen zu informieren.
Dieser Artikel beleuchtet die hitzebedingten Herausforderungen verschiedener Diabetes-Hilfsmittel, erläutert die wissenschaftlichen Hintergründe und gibt praxisnahe Empfehlungen, um eine sichere Anwendung auch bei sommerlichen Temperaturen zu gewährleisten.
Blutzuckermessgeräte
Blutzuckermessgeräte sind empfindlich gegenüber hohen (oder niedrigen) Temperaturen sowie Temperaturschwankungen, da sowohl das elektrochemische Messverfahren als auch die verwendeten Enzyme (z. B. Glukoseoxidase oder Glukosedehydrogenase) temperaturempfindlich sind. Der Glukosegehalt wird im Kapillarblut bestimmt und plasmakalibriert ausgegeben, wobei der Hämatokritwert eine wichtige Rolle spielt. Veränderungen dieses Wertes, etwa durch Dehydratation bei Hitze, können die Messergebnisse beeinflussen. Zudem beeinträchtigen Temperaturdifferenzen zwischen Blut und Umgebung die Messgenauigkeit. Hersteller geben daher Temperaturgrenzen für Geräte und Teststreifen vor, deren Einhaltung insbesondere in heißen Klimazonen für Menschen mit Diabetes eine Herausforderung darstellen kann.
Was Sie Patient:innen empfehlen können:
- Ausreichend trinken, um Dehydratation vorzubeugen – insbesondere bei starkem Schwitzen oder der Einnahme von "entwässernden" Medikamenten wie z.B. SGLT-2-Inhibitoren oder Diuretika.
- Messgerät und Teststreifen vor Hitze und direkter Sonneneinstrahlung schützen, bei Hitze nicht im Auto liegen lassen. Teststreifen an einem dunklen, kühlen und trockenen Ort lagern.
- Das Messgerät kurz vor der Messung keinen schnellen Temperaturwechseln aussetzen.
rtCGM-Systeme
Die meisten rtCGM-Systeme messen den Glukosewert im subkutanen Fettgewebe mittels elektrochemischer Verfahren unter Zuhilfenahme von Glukoseoxidase. Diese ist hitzeempfindlich, wodurch hohe Temperaturen die Messgenauigkeit beeinträchtigen könnten. Da der Sensor im Gewebe liegt, ist die tatsächliche Relevanz dieses Effekts unklar, während sich die externe Elektronik stärker aufheizen und dadurch funktional eingeschränkt sein kann.
Hersteller machen nur begrenzte Angaben zur tatsächlichen Hitzeempfindlichkeit. Vielmehr werden die als sicher getesteten Bereiche ausgewiesen. Abbott weist darauf hin, dass der Sensor bei extremen Temperaturen ausfällt (Anzeige auf Empfangsgerät: "Glukose-Messwert nicht verfügbar"), aber nach Rückkehr in den empfohlenen Bereich wieder funktioniere. Dexcom warnt, dass Hitzeeinwirkung, etwa durch MRT oder Diathermie, die Sensorfunktion beschädigen kann. Der Eversense®-Sensor, der auf Fluoreszenzmessung basiert, zeigt ähnliche Temperatureinschränkungen und könnte durch Sonneneinstrahlung, insbesondere in der Anfangsphase, beeinträchtigt werden.
Wie auch bei Blutzuckermessgeräten kann Dehydratation nicht nur die Messung der Blutglukose, sondern auch des interstitiellen Glukosewertes beeinflussen und das Ergebnis verfälschen. Vermehrtes Schwitzen kann nicht nur zu Problemen bei der Kleberhaftung führen. An der Sensorstelle eindringender Schweiß kann ebenfalls das Messergebnis beeinflussen.
Was Sie Patient:innen empfehlen können:
- Glukosesensor mit atmungsaktiver Kleidung oder einem speziellen Stoffband schützen. Mit Wasser befeuchteter Stoff kann zusätzlich kühlend wirken, kann bei langer Tragedauer jedoch auch die Pflasterhaftung beeinträchtigen.
- Vor dem Anbringen eines neuen Sensors sollte die Haut mit (nicht rückfettendem) Desinfektionsmittel von Schmutz, Schweiß und Sonnencreme befreit werden. Sonnencreme kann anschließend um den Sensor herum neu aufgetragen werden. Alternativ kann auch hier ein Stoffband vor Sonnenbrand schützen.
- Glukosesensor bei vermehrtem Schwitzen ggf. zusätzlich fixieren, z.B. mit speziellen Overpatches, Sport- oder Kinesiotape. Cave: das Material sollte atmungsaktiv sein, damit sich der Schweiß nicht darunter ansammeln kann.
- In kritischen Situationen sollte man zur Sicherheit ein Blutzuckermessgerät als Alternative mitführen.
Insulin und Insulinpumpen
Die empfohlenen Temperaturbereiche für die Insulinpumpentherapie (CSII) basieren hauptsächlich auf der Thermostabilität des Insulins, während die Empfindlichkeit elektronischer Komponenten und Akkus/Batterien eine untergeordnete Rolle spielt. Zu hohe Temperaturen können Insulin denaturieren und damit seine Wirksamkeit reduzieren oder dazu führen, dass das Infusionsset verstopft. Studien zeigen mittlerweile jedoch, dass Insulin über Monate bei erhöhten Temperaturen stabil bleiben kann (oszillierenden Temperatur zwischen 25 °C und 37 °C über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten). Unklar ist zudem, wie signifikant die Auswirkung von Hitze auf die Insulinaktivität ist, wenn sich das Insulin zwar bei hohen Umgebungstemperaturen, jedoch nur über eine kurze Zeitspanne im Reservoir einer Insulinpumpe befindet.
Zum Schutz vor Hitze sollte die Insulinpumpe möglichst nah am Körper getragen werden, da die Temperaturzunahme dort geringer ausfällt. Patch-Pumpen sollten je nach Tragestelle vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden. Bei Schlauchpumpen kann ein kürzerer Infusionsschlauch helfen, den Kontakt mit hohen Temperaturen zu minimieren (geringere Oberfläche). Temperaturdifferenzen sind ebenfalls relevant: kaltes Insulin kann sich bei Wärmeeinwirkung ausdehnen, Luftblasen bilden und die Insulinabgabe beeinträchtigen. Falls Schutzmaßnahmen bei Hitze nicht ausreichen, kann vorübergehend auf eine intensivierte Insulintherapie (ICT) umgestellt werden.
Hitze kann aber nicht nur das Insulin in seiner Wirkung herabsetzen. Hitze kann durch eine gesteigerte Hautdurchblutung auch die subkutane Insulinabsorption verbessern bzw. beschleunigen und damit das Risiko für Hypoglykämien erhöhen – eine uneingeschränkte Insulinaktivität vorausgesetzt. Untersuchungen zur Pharmakokinetik von Insulin lassen den Schluss zu, dass dieser Effekt besonders bei kurzwirksamen Insulinen zum Tragen kommt, was insbesondere bei der CSII relevant ist, da hier nur kurzwirksame Insuline zum Einsatz kommen. Eine beschleunigte Insulinabsorption kann nicht nur durch Sommerhitze entstehen, sondern bereits durch eine heiße Dusche oder ein heißes Bad, wenn kurz vorher Insulin verabreicht wurde.
Was Sie Patient:innen empfehlen können:
- Insulin in einer isolierten (Kühl-)Tasche oder Isolierflasche transportieren.
- Insulinpumpen nah am Körper tragen, um sie vor direkter Hitze zu schützen.
- Patch-Pumpen, die z.B. am Arm getragen werden, vor direkter Sonneneinstrahlung schützen.
- Schlauch-Pumpen ggf. mit einem kürzeren Infusionsset verwenden.
- Das Reservoir der Insulinpumpe nicht mit kaltem Insulin befüllen, insbesondere bei warmen Umgebungstemperaturen.
- Insulinpumpe nicht mit in die Sauna nehmen.
- Besteht keine ausreichende Möglichkeit, die Insulinpumpe vor Hitze zu schützen (Strandurlaub, Wellnessurlaub mit mehreren Saunagängen am Tag u.ä.), kann der vorübergehende Wechsel auf eine ICT diskutiert werden.
- Nach stattgefundener Hitzeeinwirkung auf Veränderungen des Insulins wie z.B. Verfärbung oder Trübung achten und Glukosewerte im Blick behalten.
Smartpens
Die Betriebstemperaturen von Smart Pens orientieren sich an der Temperaturempfindlichkeit des Insulins. Der Medtronic™ InPen™ verfügt über einen internen Temperatursensor, der den Nutzer warnt, wenn Temperaturgrenzen über- oder unterschritten werden, und empfiehlt gegebenenfalls einen Patronenwechsel. Andere Systeme wie der NovoPen 6 und NovoPen Echo Plus von Novo Nordisk® geben keine festen Temperaturwerte an; stattdessen sollen Nutzer die Temperaturangaben der jeweiligen Insulin-Packungsbeilage beachten.
Akkus und Batterien
Nicht nur Insulin und Messelektroden, sondern auch die Elektronik von Glukosemesssystemen und Insulinpumpen ist hitzeempfindlich. Besonders Akkus und Batterien, ob fest verbaut oder auswechselbar, können bei hohen Temperaturen Schaden nehmen. Üblicherweise liegt der sichere Temperaturbereich für die Lagerung zwischen 0-30 °C und für den Betrieb zwischen 5-40 °C, was den empfohlenen Werten für Glukosemesssysteme und Insulinpumpen entspricht. Um Überhitzung beim Laden zu vermeiden, sollte das mitgelieferte Netzteil verwendet oder die Bedienungsanleitung zu geeigneten Ladeoptionen konsultiert werden. Übermäßige Hitze kann im Extremfall zur Entzündung oder Explosion von Akkus führen.
Was Sie Patient:innen empfehlen können:
- Ladegeräte und Akkus nur in kühleren Umgebungen aufladen.
- Bei Überhitzung das Gerät ausschalten und an einen kühleren Ort bringen.
- Keine elektronischen Geräte in heißen Autos oder in der direkten Sonne liegen lassen.
Fazit: Gut vorbereitet durch heiße Tage
Hohe Temperaturen können die Diabetes-Therapie auf verschiedene Weise beeinflussen – sei es durch veränderte Insulinwirkung, ungenaue Glukosemesswerte oder technische Probleme bei Hilfsmitteln. Doch mit den richtigen Schutzmaßnahmen lassen sich viele dieser Risiken minimieren. Eine achtsame Lagerung und Nutzung von Blutzuckermessgeräten, rtCGM-Systemen, Insulinpumpen und Akkus hilft, die Funktionalität der Geräte zu erhalten. Zudem sollten Patient:innen ihre Glukosewerte besonders im Blick behalten und sich auf mögliche Veränderungen durch Hitze einstellen.
Durch gezielte Aufklärung und individuelle Beratung können Diabetesteams, Arztpraxen und Apotheken dazu beitragen, dass Menschen mit Diabetes auch bei hohen Temperaturen sicher und selbstbestimmt ihren Alltag gestalten können.
- Interview mit Prof. Dr. Petra Thürmann
- „Round Table“ der AG Diabetes, Umwelt & Klima
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (2) Seite 24-27