Die Diagnose Gestationsdiabetes (GDM) gehört weltweit zu den häufigsten Schwangerschaftskomplikationen. Die International Diabetes Federation (IDF) geht davon aus, dass nach ihren globalen Erhebungen derzeit im Mittel bei einer von sieben Schwangerschaften eine Glukosetoleranzstörung vorliegt. Was bedeutet das für die Beratung in der Praxis?

Die Zahl der Frauen mit Gestationsdiabetes steigt. So lag in Deutschland die Prävalenz im Jahr 2017 bei 5,9 Prozent. In den letzten drei Jahren ist die absolute Häufigkeit pro Jahr jeweils um mehr als 10 Prozent mit 44.907 Fällen bei einer Geburtenrate von 761.481 im Jahr 2017 gestiegen. Nach positivem Testergebnis des 75-g-oGTT (Oraler Glukose-Toleranztest), ist die Vorstellung bei einem Diabetologen und Diabetesberaterin unmittelbar angezeigt.

Eines der Kernthemen, die im ersten Beratungsgespräch thematisiert werden und auch als erste therapeutische Maßnahme nach der Diagnosestellung eingeleitet wird, ist eine Ernährungsberatung und gegebenenfalls eine individuelle Ernährungsumstellung. Die Beratung soll individuell auf die bisherigen Essgewohnheiten und den Tagesrhythmus der Schwangeren ausgerichtet sein.

Wichtig dabei ist das präkonzeptionelle Körpergewicht, ebenso der sozio-kulturelle Hintergrund der Schwangeren, wenn es um die Festlegung der Therapieziele geht.

Wie sollte der Nährstoffmix aussehen?

Essen und Trinken sollte dem Nährstoff- und Kalorienbedarf in der Schwangerschaft entsprechend angepasst sein. Viele Frauen neigen in den ersten Wochen nach Diagnosestellung dazu, ihre Essgewohnheiten kohlenhydratarm zu gestalten aus Angst vor hohen Blutglukosespitzen und einer möglichen "Schädigung" des Feten.

Es ist wichtig den werdenden Müttern zu vermitteln, dass Kohlenhydrate (KH) weiterhin ein wichtiger Bestandteil der täglichen Ernährung darstellen, es jedoch auf die richtige Auswahl der KH ankommt und sie sich dabei satt essen können. Grundsätzlich empfiehlt sich diese Nährstoffverteilung:

  • Kohlenhydrate: 40 bis 50 Prozent
  • Protein: 20 Prozent
  • Fett: 30 bis 35 Prozent

Der Kohlenhydrat-Anteil sollte 40 Prozent jedoch nicht unterschreiten. Bei der Auswahl der Kohlenhydrate sollte den Frauen auf einfachem Wege der glykämische Index nähergebracht werden. Sie sollen befähigt werden mit Hilfe der Blutzuckerselbstmessung (SMBG = Self Monitoring of Blood Glucose) herauszufinden, welche Mengen an schnellresorbierbaren KH für ihre Blutzucker-(BZ)-Einstellung vertretbar sind und welche zu reduzieren beziehungsweise auszutauschen sind. Vor allem dienen hierzu die ersten zwei Wochen nach Diagnosestellung.

Die Schwangere beginnt hier mit der Messung der Blutzuckertagesprofilen (4 Punkt Messung: nüchtern und 3-mal postprandial). Günstig wäre es, wenn sie parallel zu den Blutglukosemessungen ein einfaches Ernährungsprotokoll führt, welches dann parallel als Diskussionsgrundlage beim nächsten Diabeteskontrolltermin genutzt werden kann.

Letztendlich kann hiermit genauer entschieden werden ob durch eine weitere, intensivere Ernährungs- und Bewegungsumstellung die Therapieziele erreicht werden können oder eine Insulintherapie eingeleitet werden muss.

Genaue Aufklärung hilft Schwangeren weiter

Prinzipiell empfiehlt sich Schwangeren den Fokus auf ballaststoffeiche Getreideprodukte, Gemüse und Früchte, sowie fettarmen Milchprodukte zu legen. Einen Verzehr von gesättigten Fetten, Weißmehlprodukten, Süßigkeiten und salzreichen Produkten gilt es zu reduzieren. Hinsichtlich des Obstverzehrs ist der unterschiedliche Fruktosegehalt der verschiedenen Sorten zu beachten. Wichtig ist es die Schwangere darüber detailliert zu unterrichten.

Hier spielen Aspekte wie Obst alleine verzehrt oder zur Hauptmahlzeit beziehungsweise in Kombination mit einem Milchprodukt wie Quark oder Naturjoghurt. Somit können durch den Eiweiß- und Fettanteil mögliche, postprandiale Spitzen durch Obst reduziert werden. Um postprandiale (pp) Blutglukose-Spitzen außerhalb des Therapieziels zu vermeiden, sollte die tägliche Kohlenhydratemenge idealerweise auf drei nicht allzu üppige Hauptmahlzeiten sowie auf zwei bis drei kleinere Zwischenmahlzeiten, einschließlich einer Spätmahlzeit, verteilt werden.

Wenn die Schwangere auf eine Insulintherapie umgestellt werden sollte muss der Verzehr von KH-haltigen Zwischenmahlzeiten in Abhängigkeit der Blutglukosewerte nochmals thematisiert werden.

Spätmahlzeiten notwendig

Da aufgrund der gesteigerten Insulinresistenz am frühen Morgen auch der Blutglukoseanstieg am größten ist, sollte bei erhöhten nüchtern und pp-Blutglukosewerten nach dem Frühstück empfohlen werden, die Kohlenhydratmenge niedriger als zum Mittag- oder Abendessen ausfallen zu lassen. Eine kohlenhydrathaltige Spätmahlzeit verhindert zudem eine überschießende Ketonkörperbildung während der Nacht.

Zum Thema Flüssigkeitsaufnahme empfiehlt es sich zuckerhaltige Limonaden und pure Säfte insgesamt so gut es geht zu meiden. Energiefreie Getränke wie beispielsweise light-/zero-Limonaden können in Maßen konsumiert eine probate Alternative bieten. Günstige Durstlöscher sind Leitungs- und Mineralwasser sowie ungesüßte Kräutertees. Schwangere Frauen haben in den letzten Schwangerschaftsmonaten einen leicht erhöhten Flüssigkeitsmehrbedarf von rund 300 Milliliter mehr am Tag.

Therapieziele bei GDM-Patientinnen
  • Normnahe, schwangerschaftsspezifische Blutglukosewerte (nüchtern < 95mg/dl; 1h postprandial <140mg/dl; 2h postprandial <120mg/dl) unter Vermeidung von Ketose und Hypoglykämien
  • Eine entsprechend der Ausgangssituation empfohlene Gewichtszunahme der Mutter
  • Im Verlauf der Schwangerschaft
  • Normales Wachstum des Fetus
  • Grundlage zur Ernährungstherapie stellen die evidenzbasierten Empfehlungen zur Ernährungstherapie bei Diabetes dar

Viele der zero-light-Alternativgetränke sind mit Süßstoffen gesüßt. Prinzipiell können energiefreie Süßstoffe (wie z. B. Cyclamat, Saccharin oder Aspartam) in der Schwangerschaft verwendet werden sofern die ADI-Werte (Acceptable Daily Intake = akzeptierbare tägliche Dosis) beachtet wird. Auch die Anwendung von Stevia ist unbedenklich.

Auf eine ausreichende Vitamin- und Mineralstoff-Aufnahme, insbesondere Folsäure, Vitamin-B-Komplex, Kalzium, Magnesium, Eisen, Jod, Vitamin D muss unbedingt geachtet werden. Hier kann sich an den allgemein gültigen D-A-CH-Referenzwerten der Nährstoffzufuhr der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) für Schwangere orientiert werden.

Essen für zwei – nicht nötig

Der Kalorienbedarf für das zweite und dritte Trimenon beträgt etwa 30 Kilokalorien pro Kilogramm Normalgewicht kcal/kg, nach BROCA: Körpergröße in cm minus 100 entspricht dem Körpernormalgewicht) pro Tag plus etwa 255 Kilokalorien pro Tag ab dem vierten Schwangerschaftsmonat. Bei bestehendem Übergewicht der Patientin ist eine Kalorienaufnahme von 25 kcal/kg Körpergewicht ausreichend.

Um eine übermäßige Gewichtszunahme bei adipösen Schwangeren zu vermeiden ist in manchen Fällen eine moderate Kalorienrestriktion von 30 bis 33 Prozent des Tages-Energiebedarfs indiziert. Diese führt zusätzlich zur Verbesserung der Blutglukosespiegel, ohne Anstieg der freien Fettsäuren im Plasma oder einer Ketonämie. Eine Mindestkalorienmenge von 1.600 bis 1.800 Kilokalorien täglich sollte trotzdem nicht unterschritten werden.

Bei einer Kalorienreduktion sowie einem Gewichtsverlust von mehr als zwei Kilo in den ersten Wochen nach der Ernährungsumstellung sollte regelmäßig der Morgenurin auf Ketonkörper geprüft werden. Eine Hunger-Ketonurie ist zu vermeiden und die Energiemenge beziehungsweise der Kohlenhydratanteil ist wieder anzuheben.

Gewichtszunahme in der Schwangerschaft

Die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft orientiert sich am präkonzeptionellen Body-Mass-Index (BMI). Eine Gewichtsabnahme von ein bis zwei Kilogramm in den ersten Wochen nach Ernährungsumstellung kann vorkommen und ist unbedenklich.

Durch eine kontrollierte Gewichtszunahme verbessert sich der Glukosemetabolismus und die Insulinsensitivität steigt. Ein erhöhter präkonzeptioneller BMI und das Überschreiten der angegebenen Gewichtsgrenzen kann die Rate an Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie, eine Sectio und LGA-Kinder (large for gestational age) sowie das postpartales Typ-2-Diabetes-Risiko erhöhen.

Gleichzeitig sollte den Schwangeren der positive Effekt von Bewegung auf Blutglukose- und Gewichtsverlauf aufgezeigt werden. Spaziergänge nach den Mahlzeiten, Schwimmen und Schwangerschaftsgymnastik eigenen sich ideal. Bei einem unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf dient als Richtwert 150 Minuten moderate körperliche Aktivität pro Woche oder fünfmal 30 Minuten pro Woche.

Eine zu strikte Nahrungsreduktion sowie eine stark reduzierte Gewichtszunahme der Schwangeren kann jedoch die Rate an fetalen Wachstumsretardierungen erhöhen. Daher sollte den Schwangeren empfohlen werden wöchentlich ihr Gewicht, ohne Kleidung, morgens nüchtern selbst zu Hause zu kontrollieren und zu dokumentieren sowie bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt.

Bei der Vielzahl an Informationen, die wichtig für Schwangere sind, sollte dennoch in der Beratung darauf geachtet werden, dass es für jede Frau gilt, einen individuellen Weg zu finden, um Ihr persönliches Therapieziel zu erreichen. Wichtig ist dabei sie nicht zu überfordern, so einfach und praktikabel wie möglich.

Schwerpunkt „Ernährung“

Autorin:
Corinna Lorenz
Dipl. Ing. Ernährung- und Versorgungsmanagement (E&V)
Diabetesberaterin DDG
Praxis Dres. Horn, Durchholz, Sengenberger (Würzburg)
E-Mail: diabetes@horn-praxis.de


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2020; 32 (5) Seite 19-21