Schulung in der Diabetologie wird als "Anleitung zum Selbstmanagement" bezeichnet. So funktioniert das beim Thema CGM und Ernährung.

Das übergeordnete Ziel ist es, Menschen mit Diabetes in die Lage zu versetzen, eigene Entscheidungen für das Leben mit Diabetes in das eigene Leben zu integrieren [Leitlinie Schulung 2016] und idealerweise negative körperliche, psychische oder soziale Konsequenzen der Erkrankung zu vermeiden. Zudem werden Wissen und Fertigkeiten im Zusammenhang mit der Erkrankung vermittelt. Die CGM/FGM-Schulung zielt ebenso in den Selbstmanagementansatz, unterstützt von der Internationalen Diabetes Federation (IDF), wie auch der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) als Standard gefordert (1,2).

Schulungsprogramme

Neben Basisschulungs- und Behandlungsprogrammen steht das Schulungsprogramm SPECTRUM (vgl. Kirchheim-Verlag 2016/2018) und FLASH (Abbott, 2016/2018) für Anwender von CGM und FGM, also kontinuierlichen Messsystemen zur Verfügung. Diabetesberater vermittleln dem Anwender für den Alltag wie diese anhand der Kurven, Trendpfeile und Mitdenken die Glucosevariabilität und Hypoglykämien mindern oder reduzieren können.

Die individuellen Merkmale zur Person wie kognitives Leistungsvermögen, das Sprachverständnis und ggfs. Alter und Technikaffinität sollten bei der Auswahl für CGM Systeme für die Schulungskompatibilität und deren Durchführung berücksichtigt werden. Ängste vor Hypoglykämien und notwendige hyperglykäme Korrekturen können durch eingestellte Alarmgrenzen individuell ausgerichtet werden.

Zielgruppenabhängigkeit: Neben den verschiedenen Therapieformen, die eine CGM-Anbindung bedürfen kommen ICT und CSII Therapien bei Typ-1-Diabetes in jedem Lebensalter, ICT bei Typ-2-Diabetes und der pankreopriver Diabetes und Gestationsdiabetes mit einer ICT Therapie betreffen. Angebote zum Setting in Gruppen- oder Einzelschulung sollte die Diabetesberaterin in jedem Fall mitentscheiden, um optimale Ergebnisse zu erzielen.

Speziell für die Schulung auf CGM und FGM-Systeme sollte das Schulungsklientel und deren Beteiligte auf die wesentlichen Unterscheide zischen Blut- und interstitiellen Glucosewerte hingewiesen werden. Insbesondere die Situationen mit einer unterschiedliche Glucosedynamik, wie beispielsweise bei Sport, unterschiedliche Messwerte zu den Mahlzeiten, Insulinlast oder im Zusammenhang mit Hypoglykämien (6).

Der vorliegende Zeitversatz, als timelag bezeichnet ist ein bedeutender Schulungsinhalt, ebenso an welchen Messwert sich der Patient am besten orientieren kann. Diese Tatsache als Frage formuliert: Welcher Wert ist relevant für eine therapeutische Entscheidung? Sollte die Diabetesberaterin bitte thematisieren.

In Studien konnte durch die Nutzung von rtCGM sowohl der HbA1c-Wert als auch die Rate an Hypoglykämien reduziert werden. Eine Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kam 2015 auf der Grundlage vorliegender Studien zu dem Ergebnis, dass mehr Menschen mit Diabetes einen HbA1c-Wert < 7,0 % erreichten, wenn sie rtCGM nutzten, als wenn sie punktuelle Blutglukoseselbstmessungen (SMBG) durchführten. Dies konnte unabhängig vom Alter der Studienteilnehmer beobachtet werden (7).

Flash-Glukose-Monitoring-Geräte müssen nicht regelmäßig mittels Blutglukosemessung durch den Anwender kalibriert werden, wohingegen die Mehrheit der rtCGM-Systeme zweimal pro Tag eine Kalibrierung erfordert. Bei den rtCGM-Systemen werden die Glukosewerte und Trendpfeile kontinuierlich auf das Lesegerät übertragen, während beim Flash-Glukose-Monitoring die Daten erst nach aktivem Scannen des Sensors durch den Nutzer übertragen werden. Alarmfunktionen, die vor zu hohen oder zu niedrigen Glukosewerten warnen, finden sich sowohl in rtCGM-Systemen als auch in der zweiten Generation der Flash-Glukose-Monitoring-Systeme.

Das bewährte Konzept des "Triangle of Care" bildet die oben genannten Parameter zur Therapieoptimierung und Verbesserung der Prognose des Patienten ab: Die erweiterten Ziele des Diabetesmanagements sind demnach eine Verbesserung des HbA1c-Werts, eine Verringerung der Glukosevariabilität sowie eine Vermeidung von Hypoglykämien. Idealerweise werden alle drei Ziele erreicht. Dies ist in der täglichen Diabetestherapie jedoch nicht immer möglich. Die Nutzung von CGM-Systemen kann den Patienten bei der Erreichung dieser Ziele unterstützen.

Abb. 1: "Triangle of Care" in der Diabetestherapie [57] (7).

In die Verbesserung der Prognose eines Patienten fließen die Verringerung der Glukosevariabilität, die Vermeidung von Hypoglykämien und die Verbesserung des HbA1c-Werts in gleicher Gewichtung mit ein.

Time in Range

Ein weiterer bedeutender Parameter zur Bewertung der glykämischen Kontrolle ist die Zeit im Zielbereich – Time in Range (TiR). Dieser Parameter zeigt dem Nutzer die Zeit an, die er sich innerhalb des in Leitlinien festgelegten Zielbereichs befindet. Neben der TiR kann die Zeit im individuell vorgewählten Zielbereich – Time in Target – bewertet werden. Weiterhin sind die Zeiten unter- und oberhalb des Zielbereichs von Bedeutung [30]. Evidenzbasierte Daten für den Nutzen von TiR bei der Einstellung von Menschen mit Diabetes mellitus liegen bisher wenig vor, dennoch findet sich der Parameter bereits in vielen Konsensuspapieren zur Bewertung der glykämischen Kontrolle [30] [58].

Therapieentscheidungen können durch CGM-Systeme mittels der Trendpfeilen getroffen werden. Die grafischer Form basierend auf den gemessenen Glukosewerten der zurückliegenden 15 Minuten kann eine Prognose des künftigen Glukoseverlaufs anzeigen. Menschen mit Diabetes nutzen Trendpfeile als Orientierung für Therapiemaßnahmen, weshalb ihre sorgfältige Interpretation von großer Bedeutung ist.

Die Trendpfeile verschiedener CGM-Systeme sind bisher nicht vereinheitlicht. Ähnliche grafische Darstellungen der Pfeile sind nicht einheitlich einer bestimmten Glukoseveränderungsrate zugeordnet. Dies erschwert die Standardisierung im klinischen Alltag. Vor diesem Hintergrund ist eine Unterstützung für Anwender und behandelnde Ärzte/Diabetesteams durch z. B. Scorecards ([Abb. 4]) für strukturierte, systemunabhängige Empfehlungen ein wichtiger Aspekt bei der Nutzung der Trendpfeile [64]. Trendpfeile ermöglichen eine Anpassung der individuellen Insulintherapie. Wichtig ist dabei eine systematische Integration in den Dosisfindungsalgorithmus, vergleichbar mit der Einführung der Konzepte "BE-Faktor" und "Korrekturfaktor".

CGM-Schulungen nötig

CGM-Schulungen sind ein wichtiger Schritt zur besseren Nutzung von Trend- und Verlaufsinformationen für eine individuelle Bewertung von Glukosewerten, Hilfe bei der Erkennung von Mustern im Glukoseverlauf sowie für das korrekte Einstellen von Alarmen. Der Lerneffekt für Reaktionsweisen ist enorm.

Die Nutzung von CGM-Systemen setzt eine kontinuierliche Weiterbildung von behandelnden Ärzten/Diabetesteams auch im Bereich der Diabetestechnologie voraus. Das Diabetesteam sollte die verschiedenen CGM-Systeme (rtCGM und Flash-Glukose-Monitoring) auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten und kognitiven Fähigkeiten des Patienten abstimmen.

Wichtige Säule

Für die Anwender der CGM-Systeme sind Schulungen im Hinblick auf Dateninterpretation und -verwendung von CGM eine wichtige Säule für ein erfolgreiches Diabetesmanagement. Didaktische Überlegung sowie das Zeitfenster für Schulung bzw. Anzahl der zu wiederholenden Themengebiete hängt extrem von der Einzelperson ab. Zwei systemspezifische herstellerunabhängige Patienten-Schulungsprogramme für
rtCGM (Spectrum) und Flash-Glukose-Monitoring (flash) im Umfang von 5-6 Modulen sollten genutzt werden.

Im Rahmen des Programms werden Anzeige und Analyse der Glukosedaten und deren Verlauf sowie Einstellung und Nutzung der Alarme anhand der Daten der teilnehmenden Nutzer geschult. Nur so können die Potenziale von CGM effizient genutzt und mögliche Herausforderungen sowie Barrieren bei der Anwendung zur Optimierung der Insulintherapie erkannt und behoben werden. (8)

Qualität der Kohlenhydrate an einem Beispiel
Beispiel des Fleischerhaken-Kennmusters: Die sogenannten Muster offenbaren unter anderem die Qualität der Kohlenhydrate und somit die Güte der AGP´s bzw. des Time in range -Profils. Diabetesberater können Reaktionen des Blutzuckers durch eine definierte Mahlzeiten/ Kohlenhydratauswahl und Portionsgröße mit Ihren Patienten analysieren. Das Motto "Jugend forscht" trifft den Sachverhalt zum Thema Ernährung am besten. Um nur zwei Besonderheiten zu nennen, betrifft das auch FPE-Kalkulationen bei Bedarf sowie die Einnahme von Ergänzungsnahrung durch Eiweißpulver bei Sportlern.

Eine Studie zur Evaluation des Schulungsprogramms konnte zeigen, dass Teilnehmer mehr Sicherheit im Umgang mit Flash-Glukose-Monitoring hatten und dass sich die Kommunikation zwischen Nutzern und behandelndem Arzt/Dia-betesteam verbesserte. Weiterhin wurden klinische Parameter wie HbA1c und TiR signifikant verbessert, wenn Teilnehmer der Studie das Schulungsprogramm nutzten (8).

Mustererkennung trainieren

Diabetesberater haben durch Spectrum wie auch durch flash die Aufgabe das Verständnis für die Glukoseverläufe, auch durch ein Training der Mustererkennung zu vermitteln. Der Teilnehmer werden hinsichtlich einer komplexen Thematik zur Therapieanpassung unterrichtet. Ein möglicher Erfahrungsaustausch von Teilnehmern innerhalb einer Gruppe für die Integration von rtCGM und Flash-Glukose-Monitoring in den Alltag sowie die Stärkung der Selbstwirksamkeit und der Zufriedenheit sind zu erwähnende Vorteile der Schulung (8).

Hypoglykämien vermeiden

Im Resümee sollten die Patienten durch CGM Schulung in der Lage sein, adäquat auf Blutzuckerkurven zu reagieren. Manchmal ist es erforderlich die wichtige Bedeutung der Messzeitpunkte nach dem Essen erneut festzulegen und darauf hinzuweisen, dass die Alarme NICHT ausgeschaltet werden. sondern diese berechtigt gesetzt wurden. Unbedingt sollte vor Überreaktionen auf Blutzuckeranstiege durch Korrekturen und auf die Vermeidung von häufigen Hypoglykämien als Therapieziel hingewiesen werden. Insgesamt bleibt eine individuelle Ausrichtung des Schulungsbedarfes, der Empfehlungen für Korrekturen und Anpassung der Therapie auf den individuellen Zielwert.


Literatur
2. Funnell MM, Anderson RM, Arnold MS, et al. Empowerment: an idea whose time has come in diabetes education. Diabetes Educ 1991;17(1):37-41
4. Anderson RM, Funnell MM, Butler PM, et al. Patient empowerment. Results of a randomized controlled trial. Diabetes Care 1995;18(7):943-9
5. AWMF Schulungsleitlinien NVL-Kurzversion 2016
6. International Diabetes Federation (IDF), Clinical Guidelines Task Force. Global guidelines for type 2 diabetes. Brussels: IDF; 2005.
7. Thomas, A.; Kolossa, R.; von Sengbusch, S.; Danne, T. CGM interpretieren, Kirchheim Verlag 2019
8. Jochen Seufert; Dorothee Deiss; Stefan Gölz; Thomas Haak; Gerhard Klausmann; Jens Kroeger; Ralf Lobmann; Andreas F.H. Pfeiffer; Oliver Schnell; Alexander Seibold; Thorsten Siegmund; Ralph ZiegleNeue Therapieoptionen mit kontinuierlich gemessenen Glukosedaten – Empfehlungen für die Praxis Novel Therapeutic Options with Continuous Glucose Monitoring – Practical Recommendations, Diabetes und Stoffwechsel, Thieme Verlag 2019


Schwerpunkt: CGM und Ernährung

Autorin:
Dr. Nicola Haller
Vorstandsvorsitzende des Verbands der
Diabetes-Beratungs- und Schulungs-
berufe in Deutschland (VDBD)

stellv. Vorsitzende diabetesDE –
Deutsche Diabetes-Hilfe


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2020; 32 (6) Seite 18-19