Wie sieht die aktuelle Schulungssituation bei Typ-2-Patienten aus? Was kann das DMP leisten? Dr. Bernd Hagen sagt, wie es in der Region Nordrhein aussieht.

Patientenschulungen sind integraler Bestandteil der Disease-Management-Programme (DMP) und werden an mehreren Stellen in den DMP-Verträgen angesprochen. Sie dienen dazu, Patienten in die Lage zu versetzen, ihre Erkrankung besser zu bewältigen. So sieht auch das DMP für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 vor, dass jeder eingeschriebene Versicherte Zugang zu einem strukturierten und evaluierten Schulungsprogramm erhält. Hierbei ist durch den koordinierenden Arzt zu überprüfen, ob der Patient von einer Schulung profitieren kann und ob er körperlich und geistig schulungsfähig ist (vgl. § 20, Vertrag zum DMP Diabetes mellitus Typ 2 in der Region Nordrhein).

Folgende Fragen sollen im Folgenden im Hinblick auf eine Diabetes-Schulung stichwortartig beantwortet werden:

  • Wie sieht aktuell die Schulungssituation der Patienten in diesem DMP aus und welche Entwick-lungen sind dabei zwischen 2004 und 2013 zu erkennen?
  • Lassen sich auf Grundlage der DMP-Dokumentationen Faktoren identifizieren, die als besonders bedeutsam für eine Schulungsempfehlung bzw. das Wahrnehmen einer empfohlenen Schulung anzusehen sind?
  • Üben darüber hinaus strukturelle Faktoren, wie zum Beispiel die zeitlich-räumliche Entfernung zu entsprechenden Angeboten, einen relevanten Einfluss auf die Schulungssituation aus?

Die nachfolgenden Auswertungen berücksichtigen eine Anzahl von insgesamt über 519.000 Typ-2-Diabetikern im DMP 2014 sowie alle über 800 000 Typ-2-Diabetiker, die zwischen 2003 und 2014 in dem DMP in der Region Nordrhein betreut wurden.

Schulungssituation 2014 und Veränderungen 2004–2013

Aufgrund des Wegfalls der Erfassung des Schulungsstatus bei Einschreibung in das DMP lässt sich der Anteil geschulter Patienten nur für diejenigen angeben, die vor Juli 2008 eingeschrieben wurden. Betrachtet man innerhalb dieser Gruppe diejenigen, die auch 2014 noch innerhalb des DMP betreut werden, dann gelten hiervon insgesamt 71,2 % als geschult. Diese Quote erhöht sich auf 78 %, wenn man nur Patienten auswählt, die bereits an einer kardio-vaskulären Begleit- und einer diabetischen Folgeerkrankung leiden. Nach Eintritt in das DMP wurde bislang insgesamt 45,2 % der Patienten eine Schulung empfohlen, davon haben innerhalb von 12 Monaten 56,1 % dieses Angebot wahrgenommen (60,1 % der Patienten mit Begleit- und Folgeerkrankungen).

Im DMP-Zeitverlauf zeigt sich ein deutlicher Rückgang des Zeitintervalls zwischen dem Eintritt eines Patienten in das DMP und der ersten Schulungsempfehlung, jedoch nicht zwischen dieser Empfehlung und der ersten dokumentierten Wahrnehmung (Abbildung 1). Aufgrund unterschiedlich langer Beobachtungszeiten ist dabei das Verhältnis dieser beiden Zeitintervalle zur Gesamtanzahl dokumentierter Quartale zu berücksichtigen.

Die Jahre 2003 und 2014 werden ausklammert, weil 2003 die meisten eingeschriebenen Patienten unmittelbar aus einer bereits längeren Vorbetreuungszeit innerhalb der Diabetes-Strukturverträge in das DMP eingetreten sind und für 2014 aktuell nur eine Nachbeobachtungszeit von etwas über einem Jahr vorliegt. Wie gut zu erkennen ist, halbiert sich in etwa der Zeitraum von der Einschreibung bis zur ersten Schulungsempfehlung von 1,84 auf 0,85 Quartale. Dies bedeutet, später eingeschriebenen Patienten wird deutlich früher eine Schulung empfohlen.

Parallel hierzu verringert sich der Zeitraum von dieser Empfehlung bis zur ersten dokumentierten Schulungswahrnehmung nur bis etwa 2008 von 2,73 auf 2,02 Quartale, um danach bis 2013 auf 3,24 Quartale anzusteigen. Das heißt, der zeitliche Abstand zwischen Schulungsempfehlung und wahrnehmung hat sich in den letzten Jahren etwas vergrößert.

Welche Faktoren beeinflussen Schulungsstatus, die Empfehlung und das Wahrnehmen?

In einem Modell, welches die Faktoren Geschlecht, Alter, Betreuungsdauer und art (hausärztliche Praxis vs. diabetologische Schwerpunktpraxis, DSP), Komorbidität und die Art der antidiabetischen Therapie berücksichtigt, sind die Betreuungsdauer, die Therapie mit Insulin und die Betreuung in einer DSP am bedeutendsten dafür, ob ein Typ-2-Diabetiker im DMP als geschult gilt oder nicht (Abbildung 2).

Ob eine Schulung empfohlen wird oder nicht, hängt ebenfalls stark von der Betreuungsdauer ab – länger betreute Patienten haben hierfür eine deutlich größere Chance (Odds Ratio OR bis zu 1,75, 95 %-Vertrauensintervall CI 1,73–1,78) – jedoch ebenso auch von deren Alter – ältere Patienten haben eine wesentlich geringere Chance, dass ihnen eine Schulung empfohlen wird (OR bis zu 0,58; CI 0,58–0,59). Der gleiche Befund gilt auch für die Schulungswahrnehmung (Betreuungsdauer: OR bis zu 1,52; CI 1,49–1,56; Alter: OR bis zu 0,90; CI 0,88–0,92).

Strukturelle Merkmale, wie zum Beispiel die Wegezeit oder die Wegstrecke zwischen einer hausärztlichen und einer Schwerpunktpraxis sind dabei sowohl für die Empfehlung als auch die Wahrnehmung einer Schulung von eher untergeordneter Bedeutung. So deuten bspw. die Ergebnisse im Hinblick auf die längste Wegezeit (durchschnittlich mindestens 16,3 Minuten vs. weniger als 11,1 Minuten) darauf hin, dass eine größere Entfernung zu einem entsprechenden Schulungsangebot die Empfehlung oder das Wahrnehmen höchstens tendenziell negativ beeinflusst (OR 0,95; CI 0,94–0,97 bzw. OR 0,94; CI 0,92–0,97).

Demgegenüber erweist es sich eher als wichtiger, ob der Patient auch andere Routineuntersuchungen wahrnimmt oder nicht. Beispielsweise zeigt sich ein ausgeprägter positiver Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung einer Diabetes-Schulung und der Durchführung einer ophthalmologischen Netzhautuntersuchung (OR 1,28; CI 1,25–1,30).

Resümee: verbesserte Versorgungsstrukturen

Mit Blick auf die Situation im DMP Diabetes mellitus Typ 2 in der Region Nordrhein, die hinsichtlich ihrer Versichertenstruktur sicherlich als repräsentativ für ein westdeutsches Bundesland anzusehen ist, lässt sich festhalten, dass mindestens zwischen 70 bis annähernd 80 % der in dem DMP 2014 längerfristig betreuten Typ-2-Diabetiker bereits als geschult gelten dürfen. Es überrascht nicht, dass dies in der Regel auch diejenigen Patienten sind, die bereits Insulin erhalten.

Ungefähr der Hälfte der in das Programm eingeschriebenen Patienten wurde bislang eine Diabetes-Schulung empfohlen. Zwischen 2004 und 2013 sinkt dabei der zeitliche Abstand zwischen Eintritt in das Programm und Empfehlung einer Schulung auf einen Durchschnittswert von unter einem Quartal. Das heißt, wenn eine Schulung empfohlen wird, erfolgt dies bei vielen der aktuell eingeschriebenen Patienten bereits bei deren Einschreibung.

Sicherlich ist diese Entwicklung nicht nur auf die sich im Zeitverlauf verbessernden Versorgungsstrukturen und die verbesserte Kooperation zwischen hausärztlichen und Schwerpunktpraxen zurückzuführen. Einschränkend ist zu berücksichtigen, dass – wie die vertiefenden Analysen zeigen – insbesondere länger betreute und jüngere Patienten in stärkerem Ausmaß von dieser Entwicklung profitieren. Auch die Wahrnehmungsquote ist sicherlich noch steigerungsfähig, genauso könnte der in letzter Zeit steigende Abstand zwischen Schulungsempfehlung und -wahrnehmung wieder reduziert werden.

Gleichzeitig scheint aber die allgemeine Betreuungsadhärenz der Patienten eine wichtige Rolle zu spielen, worauf der Zusammenhang zwischen einer Schulungswahrnehmung und einer durchgeführten Augenuntersuchung hindeutet. Und übersehen werden darf nicht, dass im Laufe der Jahre im DMP Typ 2 die Tendenz besteht, immer weniger stark durch Begleit- und Folgeerkrankungen belastete Patienten einzuschreiben. Typ-2-Diabetiker treten vermutlich im früher, näher am Beginn ihrer Erkrankung in das DMP ein, sie werden dabei allerdings z. B. 2013 in der Hälfte der Fälle zunächst noch nicht medikamentös behandelt (vgl. hierzu auch die Darstellungen im Qualitätssicherungsbericht).

Typ-2-Versorgung: Substanzielle Verbesserung durch Patientenschulungen

Auch wenn sich die Voraussetzungen für eine frühe Schulungsempfehlung von Kohorte zu Kohorte als etwas günstiger erweisen, so ist die im DMP festzustellende Entwicklung positiv zu bewerten. Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass sich die strukturierte Versorgung von Typ-2-Diabetikern im Hinblick auf einen zentralen und intendierten Aspekt des Programms – die Patientenschulung – substanziell verbessert hat.

Literaturempfehlung: Qualitätssicherungsbericht 2013, Disease-Management-Programme in Nordrhein. Hrsg. Nordrheinische Gemeinsame Einrichtung DMP, Düsseldorf.



Autor:

Dr. Bernd Hagen

Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland
DMP-Projektbüro
Sedanstr. 10–16
50668 Köln

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (10) Seite 10-13