Die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland untersucht ihre Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus regelmäßig auf das Vorliegen einer distalen sensomotorischen Polyneuropathie (DSPN), das zeigt eine aktuelle Querschnitts-Studie zur Screening-Routine in deutschen Arztpraxen. Allerdings sei das Vorgehen dabei meist nicht standardisiert und daher fehleranfällig [1].
Um die Progression der Nervenschädigung aufhalten zu können und Komplikationen wie das diabetische Fußsyndrom zu verhindern, sind eine frühzeitige Diagnose und Therapie einer DSPN entscheidend. Den Ergebnissen der PROTECT-Studie zufolge bleiben aber sowohl schmerzhafte als auch schmerzlose Neuropathien bei Patienten mit Diabetes mellitus in 57 % bzw. 82 % der Fälle undiagnostiziert [2].
Um mehr über das diagnostische Vorgehen in der Praxis zu erfahren, hat die Nationale Aufklärungsinitiative zur diabetischen Neuropathie (NAI) in einer aktuellen Querschnitts-Studie 574 Ärztinnen und Ärzte (Allgemeinmediziner, Internisten und Diabetologen) in Deutschland zu ihrer Screening- und Diagnose-Routine befragt. Die Umfrage-Daten wurden am Deutschen Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf unter Leitung von Prof. Dan Ziegler ausgewertet und jetzt in „Primary Care Diabetes“ publiziert [1].
Hohe Screening-Rate mit Tücken im Detail
Das Ergebnis ist einerseits positiv, zeigt aber zugleich Optimierungspotenzial auf: Die Frequenz des Screenings wird von der Mehrheit der teilnehmenden Arztpraxen leitlinienkonform durchgeführt. 87 % gaben an, mindestens einmal jährlich bei ihren Patienten mit Diabetes auf eine DSPN zu screenen, 65 % sogar mindestens zweimal pro Jahr. Allerdings setzen dabei nur 28 % bzw. 20 % der Ärztinnen und Ärzte Fragebögen oder klinische Scores ein, um den Schweregrad der neuropathischen Symptome bzw. Defizite zu erfassen.
Und mehr als die Hälfte der Teilnehmenden gab an, bei der Durchführung der Bedside-Tests zur Überprüfung des Vibrations-, Berührungs-, Schmerz- oder Temperatur-Empfindens keine standardisierte Vorgehensweise zu befolgen. Zudem orientiert sich nur die Hälfte der Befragten bei der Diagnose der DSPN an klinischen Leitlinien. „Trotz einer hohen Screening-Rate bleibt die Implementierung von standardisierten Test-Verfahren und das leitlinienkonforme Vorgehen beim Screening auf DSPN eine Herausforderung in der Praxis“, schlussfolgert Ziegler.
Mit Scores und Standards diagnostische Fehler vermeiden
Die Autoren räumen ein, dass die Subjektivität der verfügbaren Testverfahren und fehlende einheitliche Diagnosekriterien das Vorgehen in der Praxis erschweren. Trotzdem sei ein gewisser Grad an Standardisierung mit geeigneten Cut-offs erforderlich, um diagnostische Fehlinterpretationen zu vermeiden. Ebenso seien Fragebögen und Scores relevant, um die gewonnenen Daten richtig einzuordnen, die Erkrankung klinisch korrekt zu diagnostizieren und ihren Verlauf zu dokumentieren.
Therapeutische Optionen
Nach erfolgter Diagnose stehen verschiedene therapeutische Optionen zur Verfügung, um die Progression der Nervenschädigung aufzuhalten und Symptome zu lindern. Gemäß eines aktuellen internationalen Experten-Konsens basiert das Management der DSPN auf den folgenden drei Grundpfeilern [3]:
- Kausale Therapie: optimale Diabetesbehandlung inklusive Lebensstil-Modifikation und Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren.
- Pathogenetisch orientierte Pharmakotherapie mit Benfotiamin und/oder α-Liponsäure. Die Wirkstoffe können in die Pathogenese der Erkrankung eingreifen und haben zum Ziel, die neuropathischen Prozesse und Symptome und positiv zu beeinflussen.
- Symptomatische Behandlung neuropathischer Schmerzen durch eine analgetische Pharmakotherapie und nicht-pharmakologische Optionen.
Quelle: Wörwag | Redaktion