Etwa doppelt so oft wie stoffwechselgesunde Altersgenossinnen leiden junge Frauen mit Diabetes Typ 1 an einer Essstörung. Verbreitet sind dabei vor allem Bulimie und die als „Insulin-Purging“ bekannte bewusste Verknappung von Insulindosen. Zu häufig übersehen Ärzte und Verwandte die Essstörung – auch deshalb, weil Menschen mit Diabetes Typ 1 nicht unbedingt klassische Symptome aufweisen.

Schwere Stoffwechselentgleisungen und Folgeschäden an wichtigen Organen

Typisch für Diabetes-Patientinnen, die an Essstörungen leiden, sind Bulimie sowie das „Insulin-Purging“, also der bewusste Insulinverzicht mit dem Ziel, Gewicht zu verlieren. „Die Patientinnen spritzen sich bewusst weniger Insulin als notwendig oder stellen die Insulingaben zeitweise ganz ein“, erklärt Universitäts-Professor Dr. med. Stephan Herpertz. „In der Folge bleiben mehr Kohlenhydrate im Blut. Diese Kalorien werden dann über den Urin ausgeschieden.“ Unerkannt und unbehandelt können daraus schwere Stoffwechselentgleisungen und Folgeschäden an Organen wie Herz, Augen, Nieren oder Nerven resultieren.

Junge Frauen sind besonders gefährdet

Häufig hängt die Essstörung mit Selbstwertproblemen und mangelnder Akzeptanz der Erkrankung zusammen. „Diabetes Typ 1 entwickelt sich oft im Jugendalter – also dann, wenn sich die Betroffenen intensiv mit sich selbst auseinandersetzen“, so Herpertz. Mit Beginn der Insulintherapie nehmen viele Patienten an Gewicht zu. Insbesondere bei jungen Frauen führt das zu einer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Betroffene sind zudem ständig mit den Begleitumständen des Diabetes konfrontiert: „Die Themen Ernährung, Insulintherapie und Blutzuckereinstellung sind plötzlich ständiger Begleiter.“ Einige versuchten, mit einem gestörten Essverhalten bewusst den Stress zu bewältigen, den die chronische Krankheit auslöst.

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Psychotherapie kann langfristig helfen

Doch wie erkennen Angehörige, dass Diabetes-Typ-1-Patientinnen an einer Essstörung leiden? „Wenn Gewicht und Blutzuckerwerte stark schwanken, ist das häufig ein Hinweis auf eine Bulimie“, so Herpertz. Aber auch Unzufriedenheit der Betroffenen mit dem eigenen Körper, das Benutzen mehrerer Blutzuckermessgeräte, das Wechseln der Batterien oder des Datums vor dem Arztbesuch und die Verringerung der Anzahl täglicher Blutzuckermessungen können Anzeichen für eine Essstörung sein.

Familien und Freunden empfiehlt der Experte, die Betroffenen in einer solchen Situation zu einer Psychotherapie zu bewegen. „Wichtig bei der Auswahl des behandelnden Therapeuten ist, dass sich dieser mit Diabetes auskennt. Darüber hinaus ist zu erwägen, auch die Familie der Patientin mit in die Behandlung einzubeziehen“, betont Herpertz und ergänzt: „Häufig ist das Ergebnis der Behandlung sehr positiv. Bei vielen Patientinnen mit Diabetes stabilisiert sich langfristig der Blutzuckerspiegel.“ Das Risiko für Spätschäden kann so reduziert werden.

Welche Anzeichen Familienmitglieder ernst nehmen sollten und weitere Fragen beantwortet Universitäts-Professor Dr. med. Stephan Herpertz, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bochum, am Donnerstag, den 24. April 2018 im Expertenchat von diabetesDE. Interessierte können ihre Fragen schon jetzt hier einsenden.

Weitere Informationen zum Thema finden Interessierte im Podcast mit Lisa Schütte unter Blutzucker Episode 1: Lisa Schütte (und Freund Peter) .

Quelle: Pressemitteilung von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe