Menschen mit Diabetes sehen sich häufig mit Herausforderungen und Problemen in der Therapie konfrontiert. Vielen Patienten fällt es z.B. schwer, die Erkrankung zu akzeptieren. Aber auch bereits vorhandene psychische Störungen können die Diabetestherapie beeinflussen. Zu diesem Thema fand im November letzten Jahres in Bochum das Forum „Psychodiabetologie im Ruhrgebiet“ statt – eine Fortbildungsveranstaltung der Berlin-Chemie AG. Nun ist die neue Broschüre „Diabetes und Psyche – Information und Wegweiser für Menschen mit Diabetes“ erschienen und steht ab sofort Ärzten, Diabetesberaterinnen und Patienten zur Verfügung.

Alles eine Frage der Einstellung - medikamentös und psychisch

Der Erfolg einer Diabetestherapie hängt von zwei grundlegenden Faktoren ab: der medikamentösen Behandlung sowie der Einstellung des Patienten gegenüber Erkrankung und Therapie. Patienten sollten sich selbst motivieren können und sich eigenständig mit dem Krankheitsbild auseinandersetzen. „Häufig ist es aber so, dass Patienten die Erkrankung nicht akzeptieren und infolge dessen die Beschäftigung mit Diabetes und ihrer Behandlung vermeiden“, erläuterte Dr. phil. Rainer Paust, Essen.

Diese Diabetes-Nicht-Akzeptanz zeige sich z.B. durch das Gefühl der Überforderung, Isolationsgefühle oder auch Motivationsverlust – eine Herausforderung auch für das Diabetesteam. Eine Teilnehmerin der Fortbildungsveranstaltung konnte dieses Problem bestätigen: „Wie kann ich als Diabetesberaterin reagieren, wenn ein Patient mir sagt ‚Jetzt ist doch eh alles vorbei‘?“

Betreuung in Gruppen und Einzelgesprächen

Wie Patienten die Diabeteserkrankung bewältigen oder wieder bewältigen können, ist Bestandteil der Coping-Schulung „WEGE – Strukturierte Hilfen zur Verbesserung der Krankheitsbewältigung bei Diabetes“: Gemeinsam mit anderen Patienten werden in der psychotherapeutischen Gruppenschulung neue Wege erarbeitet, um sich mit der Erkrankung auseinander zu setzen und wieder selbst zu motivieren. Über die Gruppenschulung hinaus sind aber auch psychotherapeutische Einzelgespräche ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Darin könne der Therapeut verstärkt auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten eingehen. „Es kommt nicht darauf an, in den Therapiegesprächen die ‚richtige‘ Frage zu stellen“, machte Paust deutlich. „Für die Patienten bedeuten die Gespräche eine Reflexion über ihren Umgang mit dem Diabetes, aber auch über den Umgang mit sich selbst.“

Diabetestreiber Adipositas - dem gestörten Essverhalten auf der Spur

„Etwa 20 % aller Männer und Frauen in Deutschland sind adipös“, berichtete Prof. Dr. med. Stephan Herpertz, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum. Einerseits begünstigten Gewicht der Eltern und deren Schulbildung und sozioökonomischer Status die Entstehung einer Adipositas bereits im Kindesalter. „Andererseits hängt bei vielen Menschen die Entstehung einer Adipositas zudem mit psychischen Faktoren zusammen“, erklärte Herpertz.

Sind konservative Behandlungsmöglichkeiten wie Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie nicht erfolgreich, besteht
zumindest bei sehr adipösen Menschen die Möglichkeit einer gewichtsreduzierenden Magen-Operation. Zwar führe diese laut Herpertz in vielen Fällen zu einer Remission des Diabetes, jedoch sollten die Risiken eines solchen großen operativen Eingriffs genau abgewogen werden.

Diabetesbehandlung - Ketoazidosen aus Angst vor Hypoglykämien?

Inwiefern sich eine psychische Störung auf die Diabetesbehandlung auswirken kann, zeigte Dr. med. Alexander Risse, Dortmund, anhand eines Patientenbeispiels: Ein junger Mann wurde mehrfach mit Verdacht auf Ketoazidose stationär aufgenommen und behandelt. „Bei dem Patienten lag eine bekannte Panikstörung mit einer ausgeprägten Angst vor Hypoglykämien vor“, berichtete Risse. Der Patient verzichtete bewusst auf Basalinsulin, ohne sein Umfeld darüber zu informieren.

Therapieumstellungen auf alternative Langzeitinsuline führten nicht zum Erfolg. Nach Aufnahme in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Uniklinik Bochum wurden durch die Fachpsychologin für Diabetes Petra Grewe, Dortmund, erste psychotherapeutische Maßnahmen eingeleitet. Zum Beispiel wurden Denkfehler des Patienten bezüglich Hypoglykämien korrigiert und die Injektion des analogen Langzeitinsulins unter Aufsicht der Pflegekräfte durchgeführt.

„In den Psychotherapiesitzungen konnten wir dann feststellen, dass der familiäre Hintergrund des Patienten Einfluss auf das Therapieverhalten hat“, berichtete Grewe. Einerseits fliehe der Patient mit den Krankenhausaufenthalten vor der Fürsorge seiner Mutter, bei der er lebt. „Andererseits erhält er von seinem Vater, der in einer neuen Familie lebt, erst bei stationärer Aufnahme die gewünschte Aufmerksamkeit“, erläuterte Grewe. In einem gemeinsamen Gespräch mit dem Patienten und seinem Vater konnte vereinbart werden, dass der Patient zu seinem Vater ziehen könne. Durch diesen Schritt würde der Patient einerseits Distanz zu seiner Mutter gewinnen, andererseits von seinem Vater mehr Aufmerksamkeit erhalten – außerhalb einer Klinik.

Grundbedürfnisse beachten

„Jeder Mensch hat vier Grundbedürfnisse: Selbstwert, Kontrolle, Lustgewinn und Bindung“, erklärte Grewe. Würden Grundbedürfnisse wie die emotionale Bindung in der Kindheit nicht ausreichend erfüllt, könnten sie im weiteren Leben ein
handlungsleitendes Motiv sein. Generell sei es bei solchen Patienten sinnvoll, kurzfristige und langfristige Konsequenzen des Verhaltens zu erfassen und im therapeutischen Vorgehen zu berücksichtigen. „Als Behandler sollten wir systemisch denken und alle Grundbedürfnisse beachten“, fasste Grewe zusammen. „Aber auch die Kommunikation und Kooperation der Behandler untereinander ist für den weiteren Therapieverlauf wichtig.“

Unter Umständen Injektionsmengen verringern

Auch große Injektionsmengen und häufige Injektionen bei einer intensiven Insulinbehandlung können psychisch belastend für den Patienten sein, da sie das Krankheitserleben verstärken können. Eine geeignete medikamentöse Therapieoption kann in diesen Fällen ein hochkonzentriertes Insulin bieten, wie z.B. Liprolog 200 Einheiten/ml KwikPe (Insulin lispro). Das hochkonzentrierte kurzwirksame Mahlzeiteninsulin ist für Menschen geeignet, die täglich mehr als 20 Einheiten schnell wirksames Insulin benötigen. Durch seine doppelte Konzentration – im Vergleich zu Insulin lispro mit 100 Einheiten/ml – verringert sich das Injektionsvolumen um die Hälfte. [1] Eine Dosisaufteilung ist im KwikPen bis zu 60 Einheiten nicht notwendig, sodass sich die Zahl der Injektionen reduzieren kann.

Neue Broschüre als Wegweiser

Die Broschüre „Diabetes und Psyche – Information und Wegweiser für Menschen mit Diabetes“ der BERLIN-CHEMIE AG gibt interessierten Ärzten, Diabetesberaterinnen und Patienten einen Überblick über wichtige Aspekte der Psychodiabetologie. Autoren sind die Referenten des Forums „Psychodiabetologie im Ruhrgebiet“. Die kostenlose Broschüre kann über den Außendienst der Berlin-Chemie AG bestellt werden.


Literatur
[1] Fachinformation Liprolog 200 Einheiten/ml KwikPen, Stand: Oktober 2014

Quelle: Pressemitteilung der Berlin-Chemie AG