Ob Analyse großer CGM-Datenmengen, Telemedizin, digital unterstützte Patientenschulung, Apps zur Therapieunterstützung oder Austausch in Diabetes-Communitys – digitale Tools und neue Technologien gewinnen immer mehr an Bedeutung. Aber haben sich aus dem Megatrend bereits Therapiestandards etabliert? Wie aufgeschlossen sind Behandelnde gegenüber der Digitalisierung?

Antworten auf diese Fragen und einen Blick auf die Trends liefert der Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes (D.U.T-Report/D.U.T). Der Report, der seit 2019 jährlich im Verlag Kirchheim erscheint, ist eines der zentralen Projekte des Zukunftsboards Digitalisierung, ist Forschungsprojekt und Nachschlagewerk in einem und will mit seiner Kombination aus Umfrageergebnissen und Fachbeiträgen helfen, im Digitalisierungsdschungel praxistaugliche Lösungen zu finden, die künftig zu einer modernen und patientenorientierten Diabetologie gehören werden. Professor Lutz Heinemann, einer der beiden Herausgeber, bezeichnete den Report zum Anfang des Symposiums der Berlin-Chemie AG, während dem der Report im Vorfeld des DiaTec 2021 vorgestellt wurde, als "kleine Bibel" zur Digitalisierung in der Diabetologie.

Professor Lutz Heinemann, einer der beiden Herausgeber (neben Professor Bernhard Kulzer), bezeichnete den Report zu Anfang des Symposiums deshalb auch als "kleine Bibel" zur Digitalisierung in der Diabetologie.

Der Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes

  • Der Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes (D.U.T-Report) erscheint seit 2019 jährlich im Verlag Kirchheim. Die Herausgeber sind Prof. Dr. Bernhard Kulzer, Bad Mergentheim, und Prof. Dr. Lutz Heinemann, Neuss.
  • Unterstützt wird der D.U.T-Report von der Berlin-Chemie AG und dem Zukunftsboard Digitalisierung (zd), einem Team aus führenden Diabetesexperten sowie Vertreten von Krankenkassen und Patienten, mit dem Ziel, den Digitalisierungsprozess in der Diabetologie in Deutschland aktiv voranzutreiben.
  • Der Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes ist erhältlich über die Berlin-Chemie AG und in digitaler Form auf der Seite des zd.
  • Die Befragungen für den D.U.T-Report werden durchgeführt vom Forschungsinstitut Diabetes-Akademie Mergentheim (FIDAM), und zwar in Kooperation mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), dem Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND), dem Verband der niedergelassenen Diabetologen Niedersachsens (VNDN), dem Wissenschaftlichen Institut der niedergelassenen Diabetologen (winDiab), dem Bundesverband Klinischer Diabetes-Einrichtungen (BVKD) und dem Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe (VDBD).

Kern des D.UT-Reports: die Umfrage

Kern des D.U.T ist eine jährliche, bundesweite Befragung unter Diabetolog:innen, die die Akzeptanz und Ressentiments gegenüber modernen Technologien ebenso aufzeigt wie die damit verbundenen Erwartungen. Der Vergleich der aktuellen Umfrageergebnisse zu denen des Vorjahres macht Veränderungen sichtbar. Zudem wird jedes Jahr eine weitere Personengruppe gefragt - für die aktuelle Umfrage sind das Diabetesberater:innen und assistent:innen. Die Ergebnisse der Umfrage, an der 337 Diabetolog:innen sowie 574 Diabetesberatern:innen und -assistent:innen teilgenommen haben, werden im ersten Teil des Reports dargestellt.

Während des Symposiums führte Professor Bernhard Kulzer durch die Umfrageergebnisse der Diabetolog:innen. Er wies darauf hin, dass die Diabetologie "ein kleines Nachwuchsproblem" habe, zudem sei "die Einzelpraxis auf dem Rückzug". Interessant fand er, dass nicht nur in großen Praxen, sondern über alle Praxisgrößen hinweg moderne Technologien angewendet werden.

© Mike Fuchs Ɩ Prof. Bernhard Kulzer stellt die Umfrageergebnisse vor.

Über die Umfrageergebnisse der Diabetesberater:innen berichtete Professor Norbert Hermanns, Bad Mergentheim. Er führte aus, dass die Antworten der beiden befragten Berufsgruppen sehr ähnlich sind: "Es überwiegen die Gemeinsamkeiten." Die Diabetesberater:innen stehen der Digitalisierung relativ positiv gegenüber und empfinden sie nicht als bedrohlich.

Die wichtigsten Umfrageergebnisse

Die positive Einstellung zur Digitalisierung hat sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt

Im Jahr 2020 war Digitalisierung das Thema bei Meetings, Kongressen, Sprechstunden und Schulungen. „Durch digitale Tools konnte vieles aufrechterhalten werden, was sonst nicht hätte stattfinden können“, so Prof. Dr. Lutz Heinemann, einer der beiden Herausgeber des D.U.T. Dass die Digitalisierung immer mehr in den Alltag der Behandelnden Einzug gehalten hat, spiegelt sich in den Ergebnissen der Umfrage wider: Der Vergleich der bisherigen drei Befragungen (D.U.T 2019, 2020, 2021) zeigt, dass sich die positive Einstellung zur Digitalisierung in den letzten Jahren deutlich verstärkt hat (2019: 63,7 % positiv/sehr positiv, 2020: 75,8 % positiv/sehr positiv, 2021: 81,9 % positiv/sehr positiv) und mittlerweile bei den meisten Befragten eine ausgesprochen positive Grundstimmung vorherrscht. Auch etwa 80 % der Diabetesberater:innen/-assistent:innen haben eine positive Einstellung zur Digitalisierung in der Diabetologie. [1]
Therapiebegleitung per Video: Bereitschaft dazu hat sich erhöht

  • Kontaktbeschränkungen und der Schutz der Patienten*innen vor dem Corona-Virus erschweren zurzeit den Patientenkontakt. Denn obwohl eine Diabeteserkrankung einen nicht per se zur Risikogruppe gehören lässt, leiden viele Menschen mit Diabetes noch an weiteren Erkrankungen (z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen) und sind aufgrund ihres Alters gefährdeter [2]. Doch wie nun mit den Patient:innen die Therapie besprechen und vor allem wie schulen?
  • Mit Videosprechstunde und Videoschulung konnte diese Lücke in der Patientenversorgung teilweise geschlossen werden. Und so zeigten die Ergebnisse der Umfrage, dass mittlerweile zumindest mehr als die Hälfte aller Einrichtungen Videosprechstunden anbieten. Und bei den meisten der befragten Diabetolog:innen (54,7 %) hat sich durch Corona die Bereitschaft erhöht, eine Videoschulung anzubieten.
  • Die Einstellung zur Videosprechstunde unter den Ärzt:innen hat sich 2020 (20,2 %) im Vergleich zu 2019 (9,6 %) weiter verbessert, bleibt aber noch auf einem eher niedrigen Niveau. Die meisten Diabetolog:innen erwarten jedoch, dass die Videosprechstunde zukünftig an Bedeutung gewinnen wird.
  • Auch bei der Videoschulung sind die Zahlen im Vergleich zu 2019 gestiegen (2019: 8,6 %; 2020: 17,4 %). „Die Videoschulung ist meines Erachtens eine sinnvolle Ergänzung zur Präsenzschulung“, erläutert der D.U.T-Herausgeber Prof. Dr. Bernhard Kulzer, Bad Mergentheim, „aber nur die Hälfte der Befragten glaubt, dass die Videoschulung in den nächsten 5 Jahren an Bedeutung zunehmen wird.“ Die Diabetesberater:innen/-assistent:innen stehen der Videoberatung (39,7 %) und -schulung (32,3 %) deutlich aufgeschlossener gegenüber als die befragten Ärzte:nnen. [1]
Neue Technologien im Aufwärtstrend: CGM- und Hybrid-Closed-Loop-Systeme

  • Neue Technologien sind in der Diabetologie auch weiterhin stark auf dem Vormarsch. Im Vergleich zum letzten Jahr hat die Anzahl der Patienten mit Typ-1-Diabetes, die ein CGMGerät zur kontinuierlichen Glukosemessung nutzen, um weitere 26 % zugenommen – und damit in nur 2 Jahren um mehr als 100 %. Noch häufiger wird die Flash-Glukosemessung angewendet. Auch die Anzahl der Menschen mit Typ-1-Diabetes, die eine Insulinpumpe nutzen, nimmt kontinuierlich zu.
  • Im Trend ist auch die Verwendung von Hybrid-Closed-Loop-Systemen in dieser Patientengruppe. Und so sehen mehr als die Hälfte der befragten Diabetologen*innen (51,4 %) – und damit deutlich mehr als im vergangenen Jahr (22,9 %) – Closed-Loop-Systeme (oder AID-Systeme zur automatischen Insulin Dosierung) schon heute als sehr bedeutsam an und 86 % sind der Ansicht, dass sich diese neue Technologie innerhalb der nächsten Jahre durchsetzen wird. Jedoch sind viele der befragten Diabetolog:innen (81,4 %) der Meinung, dass sich der erforderliche Schulungsaufwand bei der Verwendung von AID-Systemen erhöhen wird. [1]

Fundierte Artikel zu aktuellen Themen in der Diabetologie

Die Beiträge von hochkarätigen Autoren aus Wissenschaft und Praxis beleuchten im zweiten Teil des D.U.T die wichtigsten Neuigkeiten und Trends bei der Digitalisierung und Technologisierung in der Diabetologie. Es geht darin um die diabetologische Praxis der Zukunft, Innovationen im Bereich der Digitalisierung/Diabetestechnologie, Künstliche Intelligenz & Big Data, die Telemedizin in Zeiten der Corona-Pandemie und vieles mehr.

Alle Beiträge zum Nachlesen
Die Autorinnen und Autoren aller Beiträge waren anwesend und stellten ihre Artikel kurz vor. Einen Überblick und alle Beiträge zum Nachlesen finden Sie hier.

Durch die informativen Beiträge und teilweise auch kritischen Reflexionen zu verschiedenen Themenbereichen wird deutlich, auf welchen unterschiedlichen Ebenen sich die Digitalisierung mittlerweile in der Diabetestherapie etabliert hat und wo es noch Handlungsbedarf gibt. Neben Updates zu Themen wie z. B. Apps, Telemedizin, Künstliche Intelligenz oder neue Technologien werden im diesem Jahr auch Videoschulungen und die elektronische Patientenakte näher beleuchtet.


Literatur
[1] Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2021, hrsg. v. Bernhard Kulzer und Lutz Heinemann,1. Auflage 2021. Verlag Kirchheim, Mainz 2021
[2] DIABETES UND CORONAVIRUS: Informationen über das SARS-CoV-2 für Menschen mit Diabetes, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Mai 2020

Quelle: Berlin-Chemie AG | Redaktion