Verapamil, ein altbekanntes Medikament gegen Bluthochdruck, verlangsamt den Verlust an Betazellen bei beginnendem Typ-1-Diabetes. Dies hat eine klinische Studie nun erstmals am Menschen gezeigt. Veröffentlicht wurden die Daten im Fachjournal ‚Nature Medicine‘.

Bei der Diagnosestellung von Typ-1-Diabetes sind häufig noch intakte Betazellen in der Bauchspeicheldrüse vorhanden. Sie produzieren Insulin, jedoch nicht in ausreichender Menge, um den Blutzuckerspiegel komplett zu kontrollieren. Bisher gibt es keine Möglichkeit, die noch vorhandenen Betazellen vor dem Angriff des Immunsystems zu schützen. Dabei wäre es günstig, eine körpereigene Restproduktion von Insulin möglichst lange aufrecht zu erhalten, da sich so der Bedarf an zu spritzendem Insulin vermindert und die Gefahr von Unterzuckerungen (Hypoglykämien) sinkt.

Vor einigen Jahren bereits hat ein US-Wissenschaftlerteam einen bestimmten Eiweißstoff, das Protein TXNIP („thioredoxin-interacting protein“) identifiziert, welcher an der Zerstörung der Betazellen mit beteiligt ist. Sie fanden heraus, dass der seit dreißig Jahren zugelassene Blutdrucksenker Verapamil, ein Kalziumantagonist, die Bildung von TXNIP in den Zellen verhindert und so die Betazellen vor der Zerstörung schützt.

Dieses Medikament testeten die Forscher nun im Rahmen einer klinischen Studie. Über einen Zeitraum von einem Jahr behandelten sie 24 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 18 und 45 Jahren, bei welchen innerhalb der letzten drei Monate Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde.

  • Alle Patienten führten ihre Insulin-Pumpentherapie fort.
  • Zusätzlich erhielten elf Personen einmal täglich eine Dosis Verapamil und 13 Personen ein Scheinmedikament (Placebo). Weder der oder die Betroffene selbst, noch der behandelnde Arzt oder Ärztin wussten, wer welches Medikament bekam.

Verapamil: langsamer steigender Insulinbedarf, weniger Hypoglykämien

Die Ergebnisse im Einzelnen:

  • In der Verapamil-Gruppe nahm im Verlauf des Jahres der Insulinbedarf nur um 27 Prozent zu, in der Placebo-Gruppe dagegen um 70 Prozent.
  • Unter Verapamil traten weniger Unterzuckerungen auf (0,5 gegenüber 2,7 Ereignissen pro Monat, im Gegensatz zu 2,7).
  • Verapamil wurde gut vertragen. Es führte nicht zu Blutdruckabfällen oder anderen kritischen Veränderungen im EKG. Es könne also auch bei normalem Blutdruck problemlos gegeben werden, so die Autoren.

Weitere Studien werden zeigen müssen, ob die sich die Ergebnisse auch bei großen Patientenzahlen bestätigen lassen und ob auch Kinder und Jugendliche sicher und erfolgreich behandelt werden können. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass Verapamil auch bei Diabetes vom Typ-2 den Zuckerstoffwechsel verbessert. Auch hier dürfen weitere Studienergebnisse mit Spannung erwartet werden.


Quellen
Ovalle, F., et al.: Verapamil and beta cell function in adults with recent-onset type 1 diabetes. In: Nature Medicine, 2018, doi: 10.1038/s41591-018-0089-4. [Epub ahead of print]
Aerzteblatt.de: Verapamil erhält Beta-Zellen bei beginnendem Typ-1-Diabetes. Artikel vom 10.07.2018 (letzter Abruf: 11.07.2018)

Quelle: Diabetesinformationsdienst-München