Zusammenfassung:

- Novo Nordisk hat am 1. Juli 2015 bekannt gegeben, dass das Basalinsulin Tresiba® (Insulin degludec) ab Ende September nicht mehr auf dem deutschen Markt verfügbar sein wird.

- Dr. Martin Lederle erklärte, warum er noch einen Funken Hoffnung hat, dass Tresiba® vielleicht nicht vom deutschen Markt verschwindet.

- Nun fasst er die Fakten zusammen und kommt zu einer klaren Position.

Stufe 1:

Am 30. Juli 2014 hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ((IQWiG) die Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V für Insulin degludec (Handelsname: Tresiba®) veröffentlicht.

Die Bewertung erfolgte auf Basis eines Dossiers des pharmazeutischen Unternehmers (pU) Novo Nordisk. IQWiG hat dazu Folgendes angeführt: „Für die vorliegende Nutzenbewertung war ergänzend zu den Angaben in den Modulen 1 bis 4 die Verwendung von Informationen aus Modul 5 des Dossiers des pU notwendig. Es handelte sich dabei um Informationen zu Studienmethodik und Studienergebnissen. Der pU hat der Verwendung und Veröffentlichung dieser Informationen jedoch widersprochen und damit die notwendigen Angaben zur Studienmethodik und zu Studienergebnissen nicht vollständig zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.“

Das IQWiG kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • Für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1: 
Damit ist der Zusatznutzen von Insulin degludec bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 nicht belegt.
  • Für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2: Insgesamt ist der Zusatznutzen von Insulin degludec in der Monotherapie gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie des G-BA nicht belegt.
  • Insgesamt ist der Zusatznutzen von Insulin degludec + OAD gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie des G-BA nicht belegt.
  • Insgesamt ist der Zusatznutzen von Insulin degludec + Bolusinsulin ± OAD gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie des G-BA nicht belegt.

Stufe 2:

Am 16. Oktober 2014 wurde der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Nutzenbewertung von Insulin degludec nach § 35a SBG V veröffentlicht:

Es wurde festgestellt, dass in allen geprüften Indikationen für Insulin degludec im Verhältnis zur jeweils zweckmäßigen Vergleichstherapie ein Zusatznutzen nicht belegt ist.

Stufe 3:

Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 6. Juli 2015:
Voraussetzung für die Erstattungsbetragsverhandlung waren die Beschlüsse des G-BA vom 16. Oktober 2014 und 4. Dezember 2014. Ein Zusatznutzen von Insulin degludec gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie wurde nicht belegt. In einem solchen Fall darf der zu vereinbarende Erstattungsbetrag laut Gesetz nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen, als die zweckmäßige Vergleichstherapie.

Meine Meinung:

Die frühe Nutzenbewertung von Insulin degludec nach dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG; seit dem 1. Januar 2011 in Kraft) wurde – wie in Deutschland üblich – nach vorgegebenen Regeln durchgeführt und die Konsequenzen aus diesem Verfahren sind in sich schlüssig: Da für Insulin degludec in den von Novo Nordisk vorgelegten Daten kein Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie festgestellt werden konnte, kann kein höherer Erstattungsbetrag vereinbart werden.

Dieser regelhafte Ablauf war schon ab Juli 2014 vorhersehbar und das Ergebnis ist damit nicht überraschend. Ich frage mich, warum Novo Nordisk nicht sofort zu Beginn des Verfahrens alle relevanten Daten, die einen Zusatznutzen möglicherweise hätten belegen können, auf den Tisch gelegt hat.

Die Patienten, die von Tresiba® in den letzten Monaten profitiert haben, und wir, die behandelnden Ärzte, stehen jetzt zunächst einmal „im Regen“.

Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse hat sich am 6. Juli 2015 in einer Pressemeldung dazu wie folgt geäußert: „Die Verantwortlichen bei Novo Nordisk kannten die gesetzlichen Rahmenbedingungen und sie wussten, dass ihr Präparat keinen Zusatznutzen hat. Umso unverständlicher ist es, dass sie erst mit Hilfe von Pharmaberatern und Marketing breit in den Markt gehen, viele Menschen auf das Präparat einstellen lassen und das Produkt nun wieder vom Markt nehmen. Patienten und Ärzte werden durch dieses verantwortungslose Verhalten stark verunsichert.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.


Dr. Martin Lederle ist Arzt für Innere Medizin, Diabetologie, und führt eine Diabetespraxis in Ahaus, Wüllener Straße 101, 48683 Ahaus,
E-Mail: lederle@mvz-ahaus-vreden.de