Menschen mit Diabetes entwickeln ein höheres Risiko für Durchblutungsstörungen und einen Herzinfarkt. Deutsche Forscherinnen und Forscher berichten nun im ‚American Journal of Cardiology‘: Frauen über 65 gelangen im Fall der Fälle besonders spät in die Notaufnahme – das müsste nicht sein.

Unter den Folgeschäden bei Menschen mit Diabetes kommt der Erkrankung der Herzkranzgefäße (koronare Herzkrankheit) und dem Herzinfarkt die größte Bedeutung zu. Besonders häufig sind ältere Typ-2-Diabetiker betroffen, der Herzinfarkt liegt aber auch bei Diabetikern vor dem 50. Lebensjahr an erster Stelle der Todesursachen. Verglichen mit Menschen ohne Zuckerkrankheit ist der Diabetes bei Frauen ein noch größerer Risikofaktor für eine lebensbedrohliche Herzgefäßerkrankung als bei Männern.

Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute!

Nun ergab eine Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), dass gerade ältere Frauen (über 65 Jahre) besonders spät nach Auftreten der ersten Herzinfarktsymptome in die Notaufnahme gelangen. Bei ihnen vergehen durchschnittlich über viereinhalb Stunden, bei jungen Frauen sind es hingegen knapp zweieinhalb. Bei über 65-jährigen Männern dauert es über dreieinhalb Stunden gegenüber gut drei Stunden bei jungen Männern.

Die Daten stammen aus der MEDEA-Studie, in der über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren 619 Patienten mit einem Herzinfarkt befragt wurden.

Um die verschlossenen Blutgefäße wieder zu eröffnen und die Schädigung des Herzmuskels einzuschränken, zähle bei einem Herzinfarkt allerdings jede Minute, so die Wissenschaftler. Denn je schneller der Blutfluss wieder hergestellt werden kann, desto weniger Herzmuskelzellen sterben ab.

Psychologische Gründe für den Zeitunterschied?

Die allgemeine Annahme, dass bei einem Herzinfarkt das typische Symptom Brustschmerz nur bei Frauen häufig fehlt und der Herzinfarkt deshalb zu spät erkannt wird, konnten die Forschenden nicht bestätigen. Vielmehr zeigen die Daten, dass das Fehlen von Brustschmerz ein Alterseffekt ist.

Die Autoren vermuten vor allem psychologische Ursachen für den Zeitunterschied. Sie mutmaßen, dass Gedankengänge wie „Das wird schon wieder besser, da muss ich doch jetzt nicht den Notarzt rufen“ oder „Was sollen die Nachbarn denken, wenn der Krankenwagen vorfährt und dann doch nichts war“ der gefährlichen Verzögerung zugrunde liegen.

Ältere Risiko-Patientinnen besser aufklären

Die Autoren empfehlen, dass Hausärzte mit den älteren Patientinnen sprechen, die Risikofaktoren für einen Herzinfarkt haben. Dabei sollten die Ärzte ihnen verdeutlichen, wie wichtig es ist, rechtzeitig den Notruf zu wählen und erklären, wie sie im Ernstfall richtig reagieren können. Dazu gehören auch so einfache Tipps, wie den Zettel mit der Notruf-Nummer direkt ans Telefon zu hängen und zwar so groß geschrieben, dass man sie auch ohne Brille lesen kann.

Dank früherer und intensiverer Therapie haben in den letzten zwei Jahrzehnten Herz-Kreislauf-Komplikationen in den Industrienationen deutlich abgenommen - bei Diabetikern und Nichtdiabetikern. Zudem reduzieren neue Antidiabetika mitunter auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine entscheidende Rolle spielt nach wie vor die optimale Blutzuckereinstellung, die das Herz-Kreislauf-Risiko um bis zu 50 Prozent senken kann.


Quelle: Diabetesinformationsdienst München