Wie kann es zur Entwicklung einer Fettleber bei normal gewichtigen Personen und bei Personen, die sich gesund ernähren kommen? Diesem scheinbaren Paradox sind Forschende des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden auf der Spur. In einer Studie identifizierten sie zwei Gene, die bisher als Ursache für Krebs bekannt waren, als Regulatoren für den Stoffwechsel in der Leber. Veränderungen in diesen Genen können den Wissenschaftlern zufolge die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, an einer Fettleber zu erkranken.

In früheren genomischen Krebsstudien wurde festgestellt, dass zwei Gene – RNF43 und ZNRF3 – bei Leberkrebspatienten mutiert sind, berichtet das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG).

Identifizierung von Risikopatienten und bessere Behandlungsoptionen

Die Forschungsgruppe von Dr. Meritxell Huch am MPI-CBG hat nun gemeinsam mit Kollegen am Gurdon Institute (Cambridge, UK) und an der Universität Cambridge in einer neuen Studie die Mechanismen untersucht, bei denen die Veränderungen in diesen beiden Genen die Entstehung von Lebererkrankungen beeinflussen können.

Ihre Ergebnisse zeigen, dass ein Verlust oder eine Mutation dieser Gene bei nicht fettleibigen Mäusen, die normal ernährt wurden, zu einer Anhäufung von Lipiden und Entzündungen in der Leber führte.

In Folge dessen, sei es nicht nur zu einer vermehrten Ansammlung von Fett, sondern auch zu einer Vermehrung der Leberzellen (Hepatozyten) gekommen. Bei Menschen würden diese Veränderungen auch das Risiko einer nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH, entzündete Leber) und einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) erhöhen, heißt es in dem Bericht des MPI-CBG weiter.

Diese Erkenntnisse könnten die Identifizierung von Risikopersonen erleichtern und neue therapeutische Maßnahmen sowie eine bessere Behandlung der Krankheit ermöglichen, erklärten die Wissenschaftler.

Studie soll helfen Ursachen von Lebererkrankungen besser zu verstehen

Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan, welches für die Entgiftung und Verdauung unverzichtbar ist. Chronische Lebererkrankungen wie Zirrhose, NAFLD, NASH sowie Leberkrebs seien weltweit auf dem Vormarsch, wobei jedes Jahr zwei Millionen Menschen daran sterben, so die Forschenden.

Daher sei es wichtiger denn je, die Ursachen und die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen von Lebererkrankungen zu verstehen, um der wachsenden Patientenpopulation vorzubeugen und zu behandeln.

Die Forscherinnen und Forscher arbeiteten mit Mäusen als Tiermodell, mit Daten von Patienten, mit menschlichem Gewebe und mit sogenannten Leberorganoid-Kulturen - dreidimensionalen zelluläre Mikrostrukturen aus Hepatozyten, die der Leber in einer Schale ähneln.

Fettstoffwechsel und Vermehrung von Hepatozyten außer Kontrolle

Germán Belenguer, Erstautor der Studie und Postdoktorand in der Gruppe von Meritxell Huch, erklärt: „Mit dem Organoid konnten wir Hepatozyten züchten, die nur in diesen Genen mutiert waren, und wir sahen, dass der Verlust dieser Gene ein Signal auslöst, das den Fettstoffwechsel reguliert. Dadurch ist der Fettstoffwechsel nicht mehr unter Kontrolle und es kommt zu einer Anhäufung von Lipiden in der Leber, was wiederum zu einer Fettleber führt. Außerdem führt das aktivierte Signal dazu, dass sich die Hepatozyten unkontrolliert vermehren. Beide Mechanismen zusammen begünstigen das Fortschreiten der Fettlebererkrankung und des Krebses.“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verglichen dann die Ergebnisse aus den Experimenten mit Patientendaten in einem öffentlich zugänglichen Datensatz des Internationel Cancer Genome Consortium. Sie untersuchten die Überlebenschancen, wenn die beiden Gene bei Leberkrebspatienten mutiert sind, und stellten fest, dass Patienten mit diesen mutierten Genen eine Fettlebererkrankung aufweisen und eine schlechtere Prognose haben als Leberkrebspatienten, bei denen die beiden Gene nicht mutiert sind.

Weitere Studien benötigt zur Entwicklung von therapeutischen Maßnahmen

„Unsere Ergebnisse können dabei helfen, Personen mit einer RNF43/ZNRF3-Mutation zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko haben, eine Fettleber oder Leberkrebs zu entwickeln“, erklärt Meritxell Huch.

Sie fügt hinzu: „Angesichts des weltweit alarmierenden Anstiegs von Fett- und Zuckerkonsum könnte es für therapeutische Maßnahmen und das Management der Krankheit wichtig sein, diejenigen Personen zu erkennen, die aufgrund ihrer genetischen Mutationen bereits dazu veranlagt sind, insbesondere in sehr frühen Stadien oder sogar vor Ausbruch der Krankheit. Wir werden weitere Studien brauchen, um die Rolle der beiden Gene bei der menschlichen Fettlebererkrankung, bei NASH, und beim menschlichen Leberkrebs weiter zu charakterisieren und Therapeutika zu ermitteln, die jenen Patienten helfen könnten, die bereits von Natur aus dazu veranlagt sind, die Krankheit zu entwickeln.“

Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.


Originalpublikation:
German Belenguer, Gianmarco Mastrogiovanni, Clare Pacini, Zoe Hall, Anna M. Dowbaj, Robert Arnes-Benito, Aleksandra Sljukic, Nicole Prior, Sofia Kakava, Charles R Bradshaw, Susan Davies, Michele Vacca, Kourosh Saeb-Parsy, Bon-Kyoung Koo, Meritxell Huch: RNF43/ZNRF3 loss predisposes to Hepatocellular-carcinoma by impairing liver regeneration and altering liver lipid metabolic ground-state, Nature Communications, 17. Januar 2022, doi: 10.1038/s41467-021-27923-z

Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik | Redaktion