Durch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger tritt der G-BA-Beschluss, dass die Ernährungstherapie bei seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen und Mukoviszidose künftig verordnungsfähig sein soll, 2018 in Kraft. Das Deutschen Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik e. V. (DKGD) begrüßt diese Entscheidung, fordert aber eine Erweiterung um weitere Erkrankungsbilder.

Ab dem ersten Januar 2018 gehört die Ernährungstherapie und damit auch die Diätberatung (medizinischtherapeutische Ernährungsberatung) bei Mukoviszidose und bestimmten seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen zu den verordnungsfähigen Heilmitteln, wie aus einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger hervorgeht, die das Inkrafttreten des Beschlusses zur Heilmittel-Richtlinie beinhaltet.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte in seiner Sitzung vom 21. September 2017 beschlossen, dass die Ernährungstherapie bei Mukoviszidose und bestimmten seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen werden soll [1].

Diätberatung bei seltenen Erkrankungen jetzt als Heilmittel anerkannt

Damit können insbesondere staatlich geprüfte Diätassistenten mit mindestens 1-jähriger Berufserfahrung und spezifischer Therapieerfahrung bei Mukoviszidose und bestimmten seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen das Heilmittel Ernährungstherapie inklusive der notwendigen Diätberatung auf ärztliche Verordnung in ihrer Praxis anbieten und mit den gesetzlichen Krankenversicherungen abrechnen. Das bedeutet eine deutliche Verbesserung der Versorgung von bestimmten Patientengruppen durch staatlich geprüfte Diätassistenten und Mediziner im ambulanten Bereich.

Bisher gehörte die Ernährungstherapie inklusive Diätberatung nicht zu den verordnungsfähigen Heilmitteln. Lediglich im stationären Bereich konnten entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden, sofern die Diätberatung in den Fallpauschalen der klinischen Einrichtungen vorhanden waren. Auch weiterhin bezuschussen die gesetzlichen Krankenkassen gemäß § 20 Sozialgesetzbuch (SGB) 5 die prophylaktische Ernährungsberatung und Schulungsmaßnahmen nach § 43 SGB 5 – es handelt sich dabei um eine Kann-Leistung für chronisch kranke Menschen.

Änderung der Heilmittel-Richtlinie ab 1. Januar 2018 in Kraft

Die Änderung der Heilmittel-Richtlinie, die am 23. November 2017 im Bundesanzeiger veröffentlich worden ist, tritt am 1. Januar 2018 in Kraft [2]. Ab diesem Zeitpunkt können Patienten, die unter Mukoviszidose oder bestimmten seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen wie beispielsweise spezifischen Störungen des Kohlenhydrat-, Protein- oder Lipdstoffwechsels, leiden, eine Ernährungstherapie inklusive der notwendigen Diätberatung vom behandelnden Arzt verordnet bekommen.

Es handelt sich um einen langfristigen Heilmittelbedarf, der nach Expertenanhörung bei Mukoviszidose und bestimmten seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen gegeben ist. Ohne Ernährungstherapie inklusive Diätberatung käme es bei Mukoviszidose oder seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen ansonsten zum Tod oder es droht eine schwere Behinderung. Eine lebenslange phasen- und situationsgerechte Therapie mittels einer Ernährungstherapie inklusive Diätberatung ist demzufolge unerlässlich.

Auf Grund der Langfristigkeit und Schwere der funktionellen/strukturellen Schädigungen des Verdauungs- und Stoffwechselsystems bei den vorgenannten Erkrankungsbildern und der daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Aktivitäten kann von einem langfristigen Heilmittelbedarf mit Ernährungstherapie inklusive Diätberatung ausgegangen werden [3].

Staatlich geprüfte Diätassistenten als Heilmittelerbringer

Zur Erbringung des Heilmittels Ernährungstherapie inklusive Diätberatung sind insbesondere Ärzte und staatlich geprüfte Diätassistenten befugt. Staatlich geprüfte Diätassistenten gehören zu der Gruppe der Heilberufe und Heilmittelerbringer [6].

Gegenstand des Berufs des Diätassistenten ist gemäß des in § 3 des Gesetzes über den Beruf des Diätassistenten (Diät-AssG) definierten Ausbildungsziels die eigenverantwortliche Durchführung diättherapeutischer und ernährungsmedizinischer Maßnahmen aufgrund ärztlicher Anordnung oder Verordnung, das Erstellen von Diätplänen, das Planen, Berechnen und Herstellen wissenschaftlich anerkannter Diätformen sowie die Mitwirkung bei der Prävention und Therapie von Krankheiten mitzuwirken und ernährungstherapeutische Beratungen und Schulungen durchzuführen [5].

Demzufolge sind staatlich geprüfte Diätassistenten mit spezifischer Berufs- und Therapieerfahrung berechtigt, Diätberatung bei Patienten mit Mukoviszidose und seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen durchzuführen und mit den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen.

Zu den seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen gehören insbesondere [3, 4]:
  • proteinarme Diätkostformen bei angeborenen Stoffwechselstörungen,
  • Störungen im Abbau von Aminosäuren,
  • Störungen im Abbau des Phenylalanin-Stoffwechsels (Phenylketonurie),
  • Störungen im Abbau der verzweigtkettigen Aminosäuren (MSUD),
  • Störungen im Abbau des Lysin-Stoffwechsels (Glutarazidurie),
  • Störungen im Abbau des Methionin-Stoffwechsels (Homocystinurie),
  • Organoazidurie - Störungen im Propionat- und Methylmalonat-Stoffwechsel,
  • Harnstoffzyklusdefekte,
  • Kohlenhydratdefinierte Diäten bei Störungen im Kohlenhydratstoffwechsel,
  • Glykogenose,
  • Galaktosämie,
  • hereditäre Fruktoseintoleranz,
  • Lipiddefinierte Diätkostformen bei Störungen im Fettstoffwechsel),
  • Störungen im Transport exogener Lipide (ß-Oxydationsstörungen),
  • Störungen im Fett- und Energiestoffwechsel (PDH-Defekte, MAD-Defekte),
  • Biotinidasemangel,
  • Galaktosämie,
  • Aminoacidopathien,
  • Fettsäureoxidationsdefekte (z.B.: Medium-Chain-Acetyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel, Long- Chain-3-OH-AcVI-CoA-Dehydrogenase-Mangel, Very-Long-Chain-Acetyl-CoA-Dehydrogenase- Mangel),
  • Carnitinzyklusdefekte (z. B.: Carnitin-Palmityl-Translerase-I-Mangel, Carnitin-Palmityl- Transferase-II-Mangel, Carnitin-Acylcarnitin-Translocase-Mangel) und
  • Organoacidämien (z. B.: Glutaracidurie Typ I, Isovalerianacidämie).

Forderung: Heilmittel-Richtlinie um weitere Erkrankungsbilder erweitern

Die ab dem ersten Januar 2018 definierten Indikationen und Patientengruppen sind nicht ausreichend, um Menschen vor den Schäden einer Fehl- und/oder Unterernährung zu schützen und vor Erkrankungsschäden zu schützen. Das Deutsche Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik e. V. setzt sich dafür ein, dass das Indikationsspektrum der Ernährungstherapie inklusive Diätberatung erweitert wird.

In jedem Falle ist es nach Ansicht der Experten des Deutschen Kompetenzzentrums Gesundheitsförderung und Diätetik notwendig, insbesondere eine Ernährungstherapie inklusive Diätberatung bei chronisch dekompensierter Niereninsuffizienz (nicht-dialysepflichtige Niereninsuffizienz), dialysepflichtiger Niereninsuffizienz, glutensensitiver Enteropathie (Zöliakie/Sprue), dekompensierter Leberzirrhose mit hepatischer Enzephalopathie und/oder Ascites oder natriumsensitiver Hypertonie in die Heilmittel-Richtlinie aufzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl von chronischen Erkrankungen der langfristigen Ernährungstherapie inklusive Diätberatung bedarf.

Zudem fordert das Deutsche Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik e.V. die Diätberatung, die im ambulanten Bereich bisher durch § 43 SGB 5 als Kann-Leistung bezuschusst wird, zu einer Regelleistung zu machen. Es wäre natürlich auch vor dem Hintergrund des Kostendrucks sinnvoll, bei morbider Adipositas (BMI über 35/40) mit metabolischem Syndrom und gegebenenfalls auch Diabetes mellitus vom Typ 1 und 2 eine Möglichkeit der Ernährungstherapie inklusive Diätberatung auf Verordnung zu Lasten der GKV zu ermöglichen.



Literatur

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Kompetenzzentrum Gesundheitsförderung und Diätetik e. V. (DKGD)