Seit Jahren steigen die Zahlen des Typ-2-Diabetes, obwohl die Erkrankung potenziell zu einem gewissen Ausmaß vermeidbar ist. Warum gewöhnen wir uns an ständig steigende Zahlen, warum tun wir so wenig in Sachen Prävention, warum verdrängen Betroffene mit einem Diabetesrisiko, die Krankenkassen und die Politik das Thema Prävention des Diabetes trotz der meist vorhandenen Gewissheit über die negativen Konsequenzen dieses Verhaltens? Warum sind wir so unvernünftig – ein Versuch der Erklärung.

Nur net huddle …

Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler vor dem weltweiten Anstieg der Zahlen des Typ-2-Diabetes und mussten im Lauf der Jahre die Prognosen immer wieder korrigieren, da die Entwicklung schneller voranging als die Voraussagen. Aus diesem Grund erkannte am 20. Dezember 2006 die Generalversammlung der Vereinten Nationen Diabetes als "eine chronische, beeinträchtigende und kostspielige Krankheit an, die mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden ist, die Familien, Staaten und die ganze Welt vor große Risiken stellt und die Erreichung der international vereinbarten Entwicklungsziele, einschließlich der Millenniums-Entwicklungsziele, ernsthaft in Frage stellt". Damit wurde zum ersten Mal eine nicht übertragbare Krankheit als eine ebenso ernste globale Gesundheitsbedrohung anerkannt wie ansteckende Epidemien wie Malaria, Tuberkulose oder HIV/AIDS. Berühmt wurden die Worte des damaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen Kofi Annan, der sagte "To do nothing ist not longer an option" und die Aufforderung, nationale Diabetespläne zu entwickeln, was die EU kurz danach ebenfalls beschloss. Doch, dachten sich die Deutschen 14 Jahre lang und diskutierten, politisierten, wiegelten ab oder vertagten schlicht das Problem – es gibt schließlich immer wichtigere Themen. Am Ende war man sich einig, dass man einen nationalen Diabetesplan nicht brauche. Typisch deutsch könnte man meinen – "gut Ding muss Weile haben" oder wie der Schwabe sagt, "nur net huddle …".

Diabetesstrategie light

Am 3.7.2020 wurde dann im Deutschen Bundestag eine "Nationale Diabetesstrategie" verabschiedet, die von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zurecht als eine "Diabetesstrategie light" bezeichnet wurde. Angesichts des Beispiels anderer Länder kann man diese Strategie eher als eine vage Absichtserklärung bezeichnen und nicht als eine durchdachte, planvolle Strategie. Im Koalitionsvertrag 2021 wird die Diabetes-Strategie daher folgerichtig überhaupt nicht mehr erwähnt, stattdessen wird von einer "allgemeinen Präventionsstrategie" gesprochen, die auch den Diabetes miteinschließe. Der Schlussfolgerung der DDG ist absolut zuzustimmen, die urteilte: "Zu wenig gewagt: Ampel-Koalitionäre bleiben bei der Bekämpfung der Volkskrankheit Diabetes unkonkret und mutlos" [Deutsche Diabetes Gesellschaft 2021].

Schwerpunkt Psychologie
"Warum, wieso, weshalb? Antworten auf nicht alltägliche Diabetesfragen!", so lautete das Thema der gut besuchten Online-Tagung der AG "Diabetes und Psychologie" im Herbst 2021. Wir hatten versucht, uns mit Fragen zu beschäftigen, die im Alltag häufig nicht gestellt werden, aber trotzdem für die Behandlung des Diabetes wichtig sind. Die ersten drei Beiträge wurden im Heft 1/2 dieses Jahres veröffentlicht, in diesem Schwerpunkt geht es um drei weitere spannende Themen: Warum sind wir bei der Prävention des Typ-2-Diabetes so zögerlich und registrieren relativ passiv die Tatsache, dass die Zahlen der Neuerkrankten jedes Jahr neue Rekordwerte erreichen? Warum sprechen wir so oft von Partizipation von Menschen mit Diabetes – aber die Realität lässt doch leider oft zu wünschen übrig? Kann der Diabetes auch positive Seiten haben? Viel Spaß beim Lesen!

Schon bald mehr als 10 Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes

Dabei ist die weitere Entwicklung des Typ-2-Diabetes in Deutschland recht präzise vorauszusagen. Wissenschaftler des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) prognostizieren auf der Basis von Daten von rund 65 Millionen gesetzlich Versicherten und des Statistischen Bundesamtes unter Berücksichtigung der Variablen Altersentwicklung, Mortalitätsrate und Neuerkrankungsrate die zu erwartende Entwicklung der Diabetesprävalenz. Als realistischste Annahme gehen sie von einer um jährlich 2% reduzierten diabetesbedingten Übersterblichkeit und einer konstanten Inzidenzrate aus, so dass 2040 mit einer Anzahl von rund 11,5 Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes gerechnet werden kann. Unter Berücksichtigung von möglichen Verzerrungsfaktoren haben sie berechnet, dass im Jahre 2040 mindesten 10,7 Millionen Bundesbürger an Typ-2-Diabetes erkranken - dies entspräche in einem Zeitraum von 25 Jahren einem Anstieg um 54% (+ 5,4 Millionen Fälle) - oder höchsten 12.3 Millionen, was einem Zuwachs von 77% entspricht. Hierbei wird die Zahl von älteren Menschen mit Typ-2-Diabetes besonders stark zunehmen [Tönnies et al. 2019].

Konkret bedeutet dies aktuell:

  • Inzidenz: Jährlich erkranken mehr als 600 000 Menschen in Deutschland an Typ-2-Diabetes - oder anders ausgedrückt: Pro Jahr ca. 1 von 100 Erwachsenen [Tönnies, Rathmann 2021]. In dem aktuellen Diabetes-Atlas der Internationalen Diabetes Federation (IDF) (Abbildung 1) wird der Diabetes symbolisch mit den bevölkerungsreichsten Ländern verglichen, um die Gesamtanzahl aller Menschen mit Diabetes zu illustrieren. Würde man dies auf Deutschland übertragen, wäre Diabetes die größte Stadt in Deutschland – mehr als doppelt so groß wie Berlin – und selbst die jährliche Neuerkrankungsrate läge symbolisch auf dem 8. Platz aller Städte in Deutschland. Mit anderen Worten: Jedes Jahr erkranken in Deutschland so viele Menschen wie eine Großstadt an Typ-2-Diabetes.
  • Praediabetes: Insgesamt weisen ca. 13,1 Millionen Menschen zwischen 18-79 Jahren einem Prädiabetes auf, was mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes und/oder kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert ist [Tönnies, Rathmann 2021]. Diese Personen haben ein erhöhtes Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken und sollten daher vor allem ihren Lebensstil ändern.
  • Erkrankungsalter: Das mittlere Alter bei der Diagnose eines Typ-2-Diabetes liegt bei Männern bei 61,0 ± 13,4 Jahren (95% CI 60,9-61,0), bei Frauen bei 63,4 ± 14,9 Jahren (95% CI 63,4-63,5). Dies bedeutet, dass rund die Hälfte aller Menschen mit Typ-2-Diabetes noch während ihres Erwerbslebens an Diabetes erkranken und aufgrund der noch relativ langen Lebensprognose ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Folgeerkrankungen aufweisen [Jacobs et al. 2019].
  • Produktivität: Im Vergleich zu einer Person ohne Typ-2-Diabetes sind Menschen mit Typ-2-Diabetes durchschnittlich 2,6 Jahre weniger im Arbeitsleben aktiv, was einen bedeutsamen Produktivitätsverlust darstellt [Tönnies, Hoyer, Brinks 2021].

Gute Langzeitergebnisse von Präventionsmaßnahmen

Angesicht dieser bedrohlichen Entwicklung - Typ-2-Diabetes ist noch immer mit einem deutlichem Verlust an Lebensjahren, einer deutlich geringere Anzahl gesunder Lebensjahre (Healthy Life Years (HLY)), einem deutlich erhöhtem Risiko für diabetesassoziierte Folgeerkrankungen, psychische Erkrankungen, eine reduzierte Lebensqualität und erhöhten Kosten für das Gesundheitssystem verbunden [Kulzer 2022] – überrascht es, dass in Deutschland sehr wenige Maßnahmen zur Prävention des Typ-2-Diabetes umgesetzt werden. Dies, obwohl es mittlerweile eine Vielzahl von Studien gibt, die zeigen konnten, dass sowohl analoge als auch digitale Strategien der Verhaltens- und Verhältnisprävention effektiv und effizient sind eine Umsetzung von strukturierten Maßnahmen rechtfertigen. Die grundlegenden Studien (DCCT, DPP, Da Qing) sind alles andere als neu und wurden zwischen 1997 und 2002 publiziert: Somit wissen wir seit mehr als 20 Jahren, dass der Diabetes zu einem relativ hohen Anteil verhinderbar bzw. zumindest hinauszuzögern ist. Mittlerweile sind auch Langzeitergebnisse, wie die der Da Qing-Studie, mit einer 30-jährigen Nachbeobachtungszeit des Vergleichs der kombinierten Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe, publiziert [Gong et al. 2019]:

  • Mittlere Verzögerung des Auftretens von Diabetes um 3.96 Jahre (95% CI 1.25 – 6.67; p=0.0042).
  • Geringere kardiovaskuläre Ereignisse (HR 0.74, 95% CI 0.59-0.92; p=0-0060).
  • Geringere Inzidenz mikrovaskulärer Komplikationen (HR 0.65, 0.45-0.95; p=0-025).
  • Geringere Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HR 0.67, 0.48-0.94; p=0-022).
  • Geringere Gesamtmortalität (HR 0.74, 0.61-0.89; p=0.0015)
  • Durchschnittliche Erhöhung der Lebenserwartung um 1.44 Jahre (95% CI 0.20-2.68; p=0-023).

Ergebnisse in der klinischen Praxis unter Versorgungsbedingungen

Auch die Umsetzung der Ergebnisse dieser Landmark-Studien in die klinische Praxis unter Versorgungsbedingungen konnte in einer Vielzahl von Studien nachgewiesen werden [Palmer 2021]. Als ein Beispiel für ein aktuelles Ergebnis zur Verhältnisprävention kann die aktuelle Studie von Tönnies et al. [2021] herangezogen werden. Anhand einer Modellierung konnten sie zeigen, dass eine 50% Preiserhöhung für zuckergesüßte Getränke, Tabakwaren und rote Fleischprodukte im Jahr 2020 dann bis 2040 zu einem Rückgang der Typ-2-Diabetes Prävalenz um 0,95% führen würde und insgesamt 640 000 Fälle von Typ-2-Diabetes verhindert werden könnten. In einer Übersichtarbeit konnte aufzeigt werden, dass auch digitale Coachingmaßnahmen erfolgreich zur Änderung eines ungesunden Lebensstils und Prävention des Typ-2-Diabetes eingesetzt werden können [Gershkowitz, Hillert, Crotty 2021]. In den USA gibt es mittlerweile seit 2010 eine landesweite Präventionsstrategie, organisiert über das Center for Disease Control and Prevention (CDC). Programme, die angeboten werden, müssen über das CDC akkreditiert werden und mindestens über ein Jahr mit festen Inhalten über einen Zeitraum von 24 Stunden angeboten werden. Eines der weitverbreitetsten digitalen Programme ist das digitale Programm "Lark‘s DPP" von dem privaten Anbieter Larks Health. Lark DPP ist ein 12-monatiges, KI-gestütztes digitales Programm mit On-Demand-Coaching, welches die höchste Stufe der CDC-Zertifizierung erreichte. Die Teilnehmer können auf 26 integrierte Lektionen zugreifen, ein Coach ist 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche verfügbar. In dem Programm gibt es Inhalte zu den Themen Ernährung, körperliche Aktivität, Gewichtreduktion, Schlaf und Stress – teilweise durch integrierte In-App-Tools, die je nach der Problemlage und dem Bedürfnis der Teilnehmer dann zur Verfügung gestellt werden. Alle Teilnehmer bekommen eine digitale Waage, die Interventionen zur Ernährung erfolgen teilweise über Spracheingabe und automatischer Nahrungsmittelerkennung. Die Verfolgung der körperlichen Aktivität nutzt sowohl Bewegungssensoren des Mobiltelefons und verbundene Fitness-Tracker als auch die Möglichkeit der manuellen Eingabe. Die Auswertung einer Stichprobe von 16.327 Teilnehmern, zeigt dass der durchschnittliche Gewichtsverlust 4,1 kg (SE = 0,05 kg) betrug, immerhin 81,8 % der Teilnehmer nahmen während der Teilnahme am Lark DPP ab [Auster-Gussman et al. 2022]. Seit längeren gibt es auch bereits internationale wie nationale Leitlinien zur Prävention des Typ-2-Diabetes. Beispielshaft seine die Leitlinien der internationalen Diabetesföderation (IDF) [Alberti et al. 2007] und die europäischen Leitlinien zur Prävention des Typ-2-Diabetes [Paulweber et al. 2010] erwähnt.

Insgesamt haben wir somit in Deutschland in puncto Prävention des Typ-2-Diabetes kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Offensichtlich ist die Prävention des Typ-2-Diabetes entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse in Deutschland kein besonders wichtiges Thema und weder Personen, die davon eventuell betroffen sein könnten, als auch Politiker oder die Krankenkassen, die die finanzielle Last des Diabetes zu tragen haben, sind sonderlich daran interessiert, gezielte Maßnahmen zu unternehmen, um die Inzidenz des Typ-2-Diabetes zu stoppen.

Traurige Bilanz bisheriger Präventionsbemühungen

Die ungebremste Zunahme des Typ-2-Diabetes lässt erheblich daran zweifeln, ob die bisherigen Präventionsbemühungen in Deutschland erfolgreich sind – ich würde eher sagen, sie sind gescheitert. Denn bisher verlassen wir uns auf einen Flickenteppich unterschiedlicher Maßnahmen und Projekte von unterschiedlichen Anbietern, die für sich genommen sicher sinnvoll sind, aber durch die fehlende Koordination in ihrer Wirkung verpuffen. Was fehlt vor allem?

  • Risikopersonen identifizieren: Bislang fehlen strukturierte Ansätze zur besseren Information von Personen mit einem erhöhten Diabetesrisiko über ihr persönliches Risiko. Außer dem viel zu selten in Anspruch genommenen Check-up 35 gibt es keine verbindliche Strategie für ein Screening bezüglich des Typ-2-Diabetes. Die noch immer sehr hohe Zahl von Menschen mit einem unerkannten Typ-2-Diabetes zeigt ebenso deutlich auf, dass wir es in Deutschland nicht schaffen, Menschen dafür zu sensibilisieren, sich über ihr persönliches Diabetesrisiko zu informieren und routinemäßig Personen zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für den Typ-2-Diabetes aufweisen.
  • Verhaltensprävention: Obwohl sich Kurse zur Modifikation des Lebensstils bei Risikopersonen als effektiv herausgestellt haben, gibt es – anders als in anderen Ländern – kein flächendeckendes Angebot für diese Maßnahmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes keine längerfristige strukturierte Unterstützung zur Prävention des Typ-2-Diabetes bekommt, liegt momentan in Deutschland bei geschätzt nahezu 100%. Zumeist bleibt es bei allgemeinen Empfehlungen, sich mehr zu bewegen, anders zu essen und Gewicht abzunehmen oder dem Hinweis auf allgemeine Präventionsangebote.
  • Verhältnisprävention: Auch zeigen die Diskussionen um die Einführung einer Lebensmittelkennzeichnung (NutriScore), über steuerliche Anreize zur Zucker- oder Kalorienreduktion, verbindliche Sportstunden in den Schulen, dass auch koordinierte und strukturierte Maßnahmen zur Verhältnisprävention nur sehr zögerlich diskutiert und umgesetzt werden.

Verdrängung des Typ 2

Warum tun wir uns als Gesellschaft so schwer mit der Prävention des Typ-2-Diabetes? Psychologisch ähnelt das Verhalten auf die ständig steigenden Zahlen des Typ-2-Diabetes dem Umgang mit der Klimakatastrophe. Auch hierbei handelt es sich um eine unsichtbare Bedrohung, die in einer nicht genau zu bestimmenden Zukunft liegt mit langfristig komplexen, negativen Folgen für sehr viele Personen. Aber anscheinend sind Menschen auf solche Risiken von ihrer Psyche her nicht gut vorbereitet, da die in hunderttausenden von Jahren entwickelten Strategien zur Reaktion auf Bedrohungen plötzlich nicht mehr so gut greifen. Menschen brauchen - und das ist angesichts der raschen Veränderungen der Politik, aber auch der Bürger als Folge des Ukraine-Krieges gut sichtbar – am besten unmittelbare Gefahren, klare Gegner, sichtbare Ursachen, emotionale Betroffenheit um rasch und konsequent zu handeln. Sind die Risiken aber nur schwer greifbar und liegen deren Folgen in einer nicht genau bestimmten Zukunft, neigen Menschen eher dazu, diese zu verdrängen – vor allem wenn die persönliche Betroffenheit gering ist. Und vor allem dann, wenn ein Verhalten im Hier und Jetzt mit Verzicht verbunden ist, der persönliche Gewinn jedoch nicht garantiert ist.

Verzerrte Risikowahrnehmung

Unser Verhalten hängt auch davon ab, wie bedrohlich wir ein mögliches Risiko einschätzen, d.h. wie wahrscheinlich ein unerwünschtes Ereignis wie Typ-2-Diabetes oder dessen Folgen ist, wie viele Menschen davon wie stark betroffen sind und ob eine persönliche Betroffenheit antizipiert wird. Risikoforscher sind sich einig, dass Menschen nicht besonders gut darin sind, Risken einzuschätzen und diese sehr subjektiv und massiv verzerrt wahrnehmen [Gigerenzer 2013]. Die am häufigsten überschätzten Risiken sind beispielsweise von einem Blitz getroffen zu werden, bei einem Flugzeugunglück ums Leben zu kommen, in Deutschland Opfer eines Terroranschlags zu werden oder von einem Hai gebissen zu werden. Unterschätzt werden hingegen Risiken, die schwer greifbar sind und ein eher geringes Angstpotential haben wie zum Beispiel die Folgen eines ungesunden Lebenswandels, Bluthochdruck oder eben auch Typ-2-Diabetes.

Zu wenig Wissen

Relativ unstrittig ist, dass der Wissensstand über den Typ-2-Diabetes und die Möglichkeiten der Prävention in der Bevölkerung, wie auch bei Experten, unzureichend ist, was auch ein Grund für die "Nationale Aufklärungs- und Kommunikationsstrategie zu Diabetes mellitus" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.diabetesnetz.info) ist. Die Ursachen hierfür dürften unter anderem darin liegen, dass die Erkrankung als nicht so schwerwiegend und als Alterserkrankung ("milder Alterszucker") erlebt wird, diese mit einem negativen Stigma assoziiert ist ("Folge eines ungesunden, unmäßigen Lebensstils"), die möglichen Präventionsbemühungen (Lebensstilmodifikation) als schwierig, unrealistisch erachtet und mit einem Verzicht auf Lebensqualität verbunden werden. Dies spiegelt sich auch in den Medien wider, in denen – wie eine aktuelle Studie aus Deutschland nahelegt [Reifegerste 2021] – sehr undifferenziert und angesichts der hohen Prävalenzzahlen über Diabetes in der Bevölkerung nur relativ selten über Diabetes berichtet wird.

Das Risiko des Typ-2-Diabetes wird unterschätzt

Die Kenntnis und Einschätzung des persönlichen Risikos, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, ist jedoch eine ganz entscheidende Variable für die Motivation und eine mögliche Verhaltensänderung im Sinne eines präventiven Verhaltens. Wie eine Arbeitsgruppe des Robert Koch-Instituts [Heidemann, 2019] anhand von deutschen Daten nachweisen konnten, ist das Risikobewusstsein für Typ-2-Diabetes in der Bevölkerung selbst in Hochrisikogruppen eher gering ausgeprägt: Nur ein geringer Anteil der erwachsenen Bevölkerung (10,9 %) schätzte das Risiko, an Diabetes zu erkranken, als moderat oder hoch ein.

Bei der Gruppe mit einem objektiv hohen Diabetesrisiko schätzten nur 2,1 % der Befragten dieses Risiko adäquat ein, obwohl diese zu 56,9 % in den letzten 2 Jahren an einer Check-up-35-Untersuchung teilgenommen hatten und bei 82,7 % eine Glukosemessung vorgenommen wurde. Auch gaben nur 15,1 % an, von ihrem Arzt über ihr erhöhtes Diabetesrisiko aufgeklärt worden zu sein. Interessanterweise spielen auch das Wissen über Diabetes sowie Überzeugungen über die allgemeine und persönliche Kontrolle des Diabetesrisikos für das wahrgenommene Risiko keine entscheidende Rolle. Es scheint daher wichtig, dass eine Risikobestimmung bezüglich des Auftretens des Typ-2-Diabetes mit einer ausführlichen Information über die Risiken und Konsequenzen einer Diabeteserkrankung und den Möglichkeiten und Chancen bezüglich der Prävention des Diabetes einhergeht. Zudem sollten die Möglichkeiten, sich über das eigene Diabetesrisiko zu informieren, vermehrt und diversifiziert werden, da offensichtlich die gängigen Methoden (Check-up 35, Blutzuckermessung) nicht ausreichen.

Prävention: Keine einfachen Lösungsansätze

Menschen beschäftigen sich lieber mit Problemen, für die es möglichst einfache Lösungen zur Problembewältigung gibt. Dies schützt vor Frustrationserlebnissen und dem Gefühl von erlebter Hilflosigkeit. Zwar sind die Lösungen zur Prävention des Typ-2-Diabetes bekannt – Identifikation von Risikopersonen und frühzeitige Diagnose, Unterstützung bei der Lebensstilmodifikation (Verhaltens- prävention), Schaffung gesunder Lebensbedingungen (Verhältnisprävention) – jedoch sind all diese Maßnahmen auf den verschiedensten Ebenen z.B. (Individuum, Gesundheitswesen, Politik) nicht einfach umzusetzen, da diese sehr komplexer Natur sind und besonderer Anstrengungen bedürfen.

Sehr menschlich ist es daher, auf Herausforderungen, deren Folgen in einer unbestimmten Zukunft liegen und für die es keine einfachen Lösungsansätze gibt bzw. diese nur mit hohem Aufwand und persönlichen, organisatorischen oder finanziellen Kosten verbunden sind, mit Verdrängung zu reagieren. Der Begriff der "Verdrängung" wurde von Sigmund Freud geprägt und steht für psychische Vorgänge, mit denen Menschen innerpsychische oder zwischenmenschliche Konflikte regulieren, um sich emotionale Entlastung zu verschaffen. Hierbei werden belastende, schmerzliche, unangenehme, tabuisierte oder bedrohliche Erinnerungen, Gedanken und Wünsche aus dem Bewusstsein verbannt, ausgeblendet und frei nach dem Motto "Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist" in das Unterbewusstsein verschoben. So hilfreich, dieser Mechanismus bei bestimmten Dingen im Leben ist, um mit Kränkungen, Enttäuschungen oder Leid umzugehen, desto höher ist der Preis für diese "seelischen Rettungsmanöver" im Umgang mit realen Problemen, die ein bewusstes Handeln verlangen: Bei der Klimakrise, der Covid-19-Pandemie oder eben der Prävention des Typ-2-Diabetes. Will man daher verstehen, warum die Prävention des Typ-2-Diabetes in Deutschland nicht funktioniert, ist in einem ersten Schritt eine Analyse möglicher Gründe für diese Verdrängung sinnvoll.

Barriere 1: Betroffene

Eigentlich könnte man denken, dass Betroffene, die mit einer möglichen, chronischen, lebenslangen Krankheit wie Typ-2-Diabetes konfrontiert sind, welche mit physischem, psychischem Leid und einer verkürzten Lebenserwartung verbunden ist, vehement Maßnahmen fordern, um das Auftreten des Typ-2-Diabetes zu verhindern. In der Realität fehlt jedoch der Druck der Betroffenen in puncto Prävention.

Mögliche Ursachen dafür sind:

  • Mangelnde Risikowahrnehmung: Ein mangelndes Wissen über Typ-2-Diabetes und eine unterschätzte Risikowahrnehmung führt zu einem mangenden Problembewusstsein und damit verbundenen geringen Leidensdruck.
  • Vermeintlich geringer Schweregrad des Typ-2-Diabetes: Erleben der Erkrankung als altersgerechter Zustand ("leicht erhöhter Zucker") und nicht als eine schwerwiegende Erkrankung ("milder Alterszucker")
  • Kein unmittelbarer Leidensdruck: Mit der Diagnose sind nicht unmittelbar schwerwiegende Einschnitte im Leben verbunden, geringere emotionale Reaktion verglichen mit vermeintlich "schweren" Erkrankungen, z.B. Krebs.
  • Stigma Diabetes: Typ-2-Diabetes wird häufig mit einem negativen Stigma assoziiert und als selbstverschuldete, negative Konsequenz eines ungesunden, unmäßigen Lebensstils angesehen. Aufgrund der Selbst- wie Fremdstigmatisierung wird eine bewusste Auseinandersetzung mit dem persönlichen Diabetesrisiko eher vermieden.
  • Konsequenzen präventiver Maßnahmen vermeintlich negativ: Zur Prävention des Typ-2-Diabetes ist eine Lebensstilmodifikation notwendig, die von den Betroffenen oft mit Verzicht, Einschränkungen und Einbuße von Freiheitsgraden im Leben assoziiert werden (unattraktive Zielperspektive).
  • Negative Konsequenzen der Diagnose Diabetes sind ungewiss und in einer unbestimmten Zukunft: Da mögliche negative Folgen einer "Nicht-Prävention" individuell schwer bestimmbar sind, diese nicht direkt auftreten und spürbar sind, fehlt häufig die Motivation, sich dauerhaft aus der persönlichen Komfortzone zu bewegen und bewährte Lebensweisen zu verändern.

Barriere 2: Krankenkassen

Diabetes ist eine sehr teure Erkrankung, da in der Regel eine Dauermedikation notwendig ist und die Behandlung der Begleit- und Folgekomplikationen kostspielig ist. Im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes sind für die Kassen die Ausgaben für Personen mit Diabetes um ca. 60% bis 90% erhöht. Daher müssten die Krankenkassen besonders an der Prävention des Typ-2-Diabetes interessiert sein, um Kosten zu sparen. Durch das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz - PrävG) sollte die Prävention eigentlich intensiviert werden und man könnte meinen, die Krankenkassen sind die Treiber für eine wirksame, evidenzbasierte Prävention des Typ-2-Diabetes. Die Realität zeigt leider, dass dies nicht der Fall ist.

Mögliche Ursachen dafür sind:

  • Aktuelle Ausgaben, langfristige Einsparungen: In der Kassenlandschaft sind Maßnahmen beliebt, bei denen die Ausgaben, Investitionen in einem überschaubaren Zeitrahmen auch zu Einsparungen führen. Bei Diabetes ist jedoch die mögliche Zielgruppe zur Prävention (Prädiabetes: 13,1 Millionen Menschen zwischen 18-79 Jahren) sehr hoch (hohe antizipierte Kosten für Präventionsmaßnahmen), der mögliche Einspareffekt liegt hingegen oft jenseits des Verantwortungszeitraumes handelnder Personen der Krankenkassen (geringer aktueller Nutzen).
  • Präventive Angebote sind ein Unterscheidensmerkmal von Krankenkassen: Präventive Angebote sind eine der wenigen Leistungen, mit denen sich Kassen von einander unterscheiden können, da mehr als 90% aller Leistungen Pflichtausgaben aller Krankenkassen sind. Ich weiß, Krankenkassen hören dies nicht gerne und weisen es weit von sich, aber: Präventionsmaßnahmen sind auch versteckte Werbeetats von Krankenkassen zur Mitgliederwerbung und -bindung. Daher scheitern oft Initiativen wie z.B. in Baden-Württemberg, ein gemeinsames Vorgehen aller Krankenkassen zu erproben.
  • "Projektitis" versus Strategie: In Deutschland gibt es zahlreiche gute Präventionsansätze, hervorragende Projekte, die leider jedoch in der Summe kaum dazu beitragen, den Anstieg der Zahlen des Typ-2-Diabetes zu bremsen. Ein Grund: Projekte haben eine Öffentlichkeitswirksamkeit, vernetzen oft lokale Akteure, verhindern aber ein kontinuierlich umgesetzte Präventionsstrategie, die eher langfristig und kassenübergreifend angelegt sein sollte, um erfolgreich sein. Die "Kirchturmperspektive" der einzelnen Kassen verhindert oft ein gemeinsames, strategisch wirksames Vorgehen.
  • Langfristige Maßnahmen: Zur Lebensstilintervention gehört neben einer Phase der Veränderung auch eine Phase der Etablierung und Stabilisierung von neu erlernten Verhaltensweisen. In Studien wurde immer wieder die Länge des Angebotes als ein bedeutsamer Wirkfaktor gezeigt. Erfolgreiche Beispiele andere Länder deuten darauf hin, dass solche Maßnahmen mindestens auf ein Jahr angelegt sein sollten. Die meisten Präventionsangebote der Kassen haben einen deutlich geringeren zeitlichen Umfang.
  • Fehlend bzw. zu geringe Präventionsangebote: Eine aktuelle Analyse der Präventionsangebote der gesetzlichen Krankenkassen zeigt, dass es im Moment keine systematischen Angebote zur Verhaltensprävention des Typ-2-Diabetes gibt und auch die Teilnahme an zertifizierten Präventionskursen zu den Themen Ernährung, Bewegung, Stressreduktion etc. nicht ausreichend erfolgt. Wie Schulze [Schulze 2021] aufzeigt, nahmen 2019 nur ca. 25.000 Teilnehmer an (zeitlich limitierten!) Ernährungskursen zur Vermeidung und Reduktion von Übergewicht teil, so dass diese Kurse nur ca. 3% aller Kurse zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention ausmachen. Seiner Schlussfolgerung: "Die geringen Teilnahmezahlen insgesamt besagen natürlich auch zwangsläufig, dass nur ein verschwindend geringer Anteil der T2DM relevanten Zielgruppe (Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko bzw. Personen mit Adipositas) an Präventionskursen der Krankenkassen teilnimmt". (..) "Eine Reduktion des Krankheitsaufkommens in der Bevölkerung durch individuelle Verhaltensprävention ist nur zu erwarten, wenn diese bei einem signifikanten Anteil der Personen mit erhöhtem Risiko erfolgt. Man muss zwangsläufig festhalten, dass dies gegenwärtig nicht zu erwarten ist" (S. 22) ist absolut zuzustimmen.
  • Krankenkassen möchten für Menschen mit Diabetes nicht zu attraktiv werden: Je mehr Angebote im Bereich Diabetes eine Kasse anbietet, desto attraktiver könnte sie für Menschen mit Diabetes werden. Dies hat im Moment für die Krankenkassen eher Nach- (höhere Ausgaben), als Vorteile (Morbi-RSA).
  • "Grauzone der Zuständigkeit": Besonders bei Maßnahmen zur Verhältnisprävention, die mit Kosten verbunden sind, besteht oft eine Uneinigkeit.

Barriere 3: Politik

Die WHO fordert, Diabetesprävention zu einer nationalen Aufgabe zu machen, in der eine Diabetespräventionsstrategie entwickelt wird, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geregelt sind und eine Governance durch den Staat erfolgt. Ein nichtplanmäßiges Vorgehen wird in dem Bericht als eines der zentralen Gründe für das Scheitern von Präventionsbemühungen genannt. Obwohl es gute Gründe für einen nationalen Diabetesplan gibt, der gut mit allgemeinen Präventionsmaßnahmen vernetzt ist, zeigt die jahrzehntelange Diskussion um solch ein strategisches Vorgehen, dass die WHO recht hat: Das nicht strategisch bestimmte Vorgehen mit definierten Zielen, Verantwortlichkeiten und einer Evaluation der Ergebnisse ist ein Hauptgrund, warum die Prävention des Typ-2-Diabetes in Deutschland nicht vorankommt.

Mögliche Ursachen dafür sind:

  • "Die Prävention gehört keinem, darum ist die Definition von Verantwortlichkeiten so wichtig!": Dieses Resümee der Leiterin der WHO bei dem WHO Summit für nichtübertragbare Krankheiten (NCD) zeigt, dass bei der Prävention von NCD wie Typ-2-Diabetes zahlreiche Ressorts einer Regierung (z.B. Wirtschaft/Finanzen, Gesundheit, Bildung, Wohnen, Ernährung und Landwirtschaft, Soziales etc.), alle Ebenen der Regierung (kommunal, föderal, national) mit zahlreichen Institutionen (z.B. Kammern, Berufsgruppen, Wirtschaftsverbände) koordiniert werden müssen. Das kann nur eine staatliche Aufgabe sein, ist aber eine Herkulesaufgabe – Verdrängungsmechanismen daher nachvollziehbar, aber nicht zielfördernd.
  • Intersektionale Leistungserbringung: Eine funktionierende Prävention des Typ-2-Diabetes muss auch definieren, welche Leistungserbringer für welche Maßnahmen verantwortlich sind und wie diese zu finanzieren sind. Da ein Großteil der präventiven Leistungen nicht ärztlicher Natur sind, muss die Vergütung intersektionaler Leistungen geregelt sein.
  • Fehlen belastbarer Daten: In Deutschland fehlen detaillierte wissenschaftliche Daten als Grundlage für eine nationale Diabetesstrategie (bzw. -plan). Hier lohnt sich ein Blick nach England, die vor der Planung einer mittlerweile sehr erfolgreichen landesweiten Diabetes-Präventionskampagne gezielt systematische Reviews, Gutachten erstellen ließ, um das Vorgehen wissenschaftlich zu begründen, eine Fallzahlkalkulation durchzuführen und ein abgestuftes Evaluationskonzept zu verabschieden.
  • Umsetzung der nationalen Gesundheitsziele: Die Prävention des Typ 2 ist zwar als eines der wichtigsten nationalen Gesundheitsziele in Deutschland identifiziert, auch bei uns im "Ländle" steht es auf Platz 1 der wichtigsten Maßnahmen bei Diabetes. Die bisherigen Anstrengungen, dieses Ziel zu erreichen, lassen allerdings in keiner Weise vermuten, dass dies auch zu entsprechenden Maßnahmen führt. Ist – um es in Anlehnung eines Spruches des ehemaligen Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit zu formulieren – Diabetes zu unsexy?

Und es geht doch!

Wie mögliche Barrieren bei der Prävention des Diabetes überwunden werden können, zeigt das Beispiel der Diabetes-Präventionsstrategie aus England. Dort wurde ab 2018 als erstes Land weltweit ein flächendeckendes Präventionsangebot für alle Personen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes umgesetzt [Kulzer, 2022].

  • Verhältnisprävention: Auf der Ebene der Verhältnisprävention wurde die Besteuerung von zuckerhaltigen Softgetränken (18 Pence Steuer pro 5 Gramm Zucker/100 Milliliter Getränk, bei mehr als 8 Gramm 24 Pence) beschlossen, was nachweislich den Zuckergehalt in den Softgetränken verminderte.
  • Verhaltensprävention: Eine sozioökonomische Bewertung verschiedener Maßnahmen zur Lebensstilprävention kam zu der Erkenntnis, dass die Kosten einer gezielten Verhaltensprävention sich bereits innerhalb von 12 Jahren amortisieren und die Nettoeinsparungen über 20 Jahre für jedes investierte englische Pfund 1,28 £ betragen. Am kosteneffektivsten sind intensive Lebensstilinterventionen bei Hochrisikopersonen für die Entwicklung eines Diabetes im Alter zwischen 40 bis 74 Jahren und Übergewicht [Breeze 2015]. Bis September 2018 wurden bereits über 280.000 Personen in das Programm aufgenommen. Ab 2020 sollten jährlich 100.000 Interventionen durchgeführt werden, dieses Ziel wurde bereits 2019 erreicht. Angesichts der Erfolge des Programms wurden die Ressourcen und Kapazitäten erhöht, um als neues Ziel jährlich 200.000 Interventionen pro Jahr zu erreichen. 2020 wurden die ersten Evaluationsergebnisse von 32 665 Personen nach 12–18 Monaten veröffentlicht, die zeigen, dass die Teilnehmer im Durchschnitt einen Gewichtsverlust von 4% ihres Körpergewichtes aufwiesen und eine HbA1c-Reduktion von 2.04 mmol/mol (1.9-2.12) erreichten [Valabhji 2020].

Großbritannien konnte zeigen, dass eine flächendeckende, strukturierte Diabetesprävention funktioniert, von den Betroffenen sehr stark nachgefragt wird und zu sehr guten Ergebnissen und Einsparungen im Gesundheitswesen führt – eine klassische Win-win-Situation. Hallo Deutschland: Das ist ein Wake-up-Call!

Literatur über die Redaktion


Autor:
Prof. Dr. Bernhard Kulzer
Dipl.-Psychologe
Forschungsinstitut Diabetes-Akademie Mergentheim (FIDAM)
Theodor-Klotzbücher-Straße 12
97980 Bad Mergentheim
Website: www.fidam.de


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2022; 34 (6) Seite 11-17