Diabetes ist eine der häufigsten Nebendiagnosen im stationären Setting. Unabhängig von der Spezialisierung der betreuenden Fachabteilung ist das medizinische Personal dafür verantwortlich, die empfohlenen Blutzuckerzielwerte zu erreichen und Hypoglykämien zu vermeiden. In der Praxis ist dies eine große Herausforderung. Das GlucoTab®-System schlägt Insulindosen vor und digitalisiert den Prozess – klinisch validiert und kosteneffektiv.

Diabetes betrifft etwa 30% der in Krankenhäusern stationär aufgenommenen Patient:innen [1]. Die Erkrankung bedingt einerseits einen Mehraufwand von Zeit und Kosten, andererseits steigt bei unzureichender glykämischer Kontrolle auch das Risiko für Infektionen, längere Krankenhausaufenthalte und Mortalität. Es gibt Evidenz dafür, dass das Risiko für diese Komplikationen durch gute Blutzuckereinstellung im Krankenhaus reduziert werden kann.

Leitlinienempfehlungen

Ziel ist die Blutzuckersenkung bei gleichzeitiger Vermeidung gefährlicher Unterzuckerungen. Aktuelle Leitlinien [2] empfehlen einen Blutzucker-Zielbereich von 140 bis 180 mg/dl für die meisten Patient:innen. Niedrigere Zielwerte von 110 bis 140 mg/dl werden für ausgewählte Patient:innen empfohlen, solange sie ohne Hypoglykämien erreichbar sind.

Häufig muss die bestehende orale Medikation geändert oder abgesetzt werden, und Nüchternphasen erfordern Flexibilität. Daher empfehlen die Leitlinien für den allergrößten Teil der Patient:innen eine Basis-Bolus Insulintherapie, ein standardisiertes Vorgehen und die Durchführung nach validierten Algorithmen.

Herausforderungen

Eine erfolgreiche Umsetzung einer guten Blutzuckereinstellung im Krankenhaus ist eine große Herausforderung. Zahlreiche Faktoren tragen dazu bei und erfordern eine kontinuierliche Anpassung der Therapie:

  • anstehende invasive Eingriffe
  • prolongierte Nüchternphasen
  • Veränderungen der Insulinsensitivität z.B. durch Entzündung
  • Therapien mit Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel (z. B. Steroidtherapie)
  • akute Einschränkungen der Nierenfunktion

Barrieren im klinischen Alltag

Die angestrebten Blutzucker-Ziele werden in der Praxis häufig nicht erreicht. Trotz beträchtlichem Arbeitsaufwand sind Fehler häufig [3]. Die Gründe dafür sind mannigfaltig [4]. Unzureichendes Wissen über Diabetes mellitus, Angst vor Hypoglykämien aber auch unklare Verantwortlichkeiten führen zu therapeutischer Trägheit. Der Blutzucker wird gemessen und dokumentiert, aber viel seltener wird auf den aktuellen Blutzuckerwert reagiert und die Therapie adäquat angepasst. Organisatorische Aspekte wie das Fehlen von standardisierten Prozessen und große Unterschiede in der Dokumentation stellen wichtige Hürden im klinischen Alltag dar und kosten Zeit.

Um das Management von Patient:innen mit Diabetes mellitus im Krankenhaus zu verbessern, wird in den Leitlinien die Implementierung und Evaluierung von computerisierte Systemen zur Entscheidungsunterstützung empfohlen.

Eigenschaften des Systems
  • Die GlucoTab®-Therapiealgorithmen berechnen automatisch richtige Insulindosen und schätzen den Insulinbedarf der Patient:innen von Tag zu Tag neu ein.
  • Die interaktive Anzeige von offenen Aufgaben leitet durch den Prozess.
  • Die Verwaltung auch der nicht-Insulin Diabetesmedikation erfolgt elektronisch
  • GlucoTab® ist klinisch erprobt und evidenzbasiert
  • Das GlucoTab®-System ist vollständig in Krankenhaus-Informationssysteme integrierbar und kann am Point-of-Care auf cobas pulse und auf mobilen Tablets sowie auch am PC verwendet werden

Digitaler Assistent für die Diabetestherapie

GlucoTab® ist eine Softwarelösung, die ärztliches und pflegerisches Personal bei der Insulintherapie von Patient:innen im Krankenhaus unterstützt. Das System berechnet automatisch geeignete Insulindosen und unterstützt die Arbeitsabläufe und die Dokumentation der Insulintherapie.

Um die breiten Anforderungen im Krankenhaus abzudecken, stehen verschiedene Varianten der Therapieunterstützung zur Verfügung. Alle diese Varianten strukturieren und unterstützen die häufig komplexe Abfolge von Blutzuckermessung, ärztlicher Verordnung und Medikamentengabe.

Für Patient:innen mit Typ-2-Diabetes stehen Algorithmen für die automatische Insulindosierung mit Basis-Bolus Insulintherapie und BOT/BIT Therapie zur Verfügung. Besonders Fachabteilungen, in denen Diabetes eine Nebendiagnose darstellt und als solche behandelt wird (z. B. chirurgische Abteilungen), profitieren von der umfassenden Therapieunterstützung.

  • Natürlich kann auch eine rein ärztlich geführte Therapie verordnet und durch die verschiedenen Varianten der Dosisberechnung unterstützt werden. Auch ein Bolusrechner vor allem für Menschen mit Typ-1-Diabetes steht zur Verfügung.
  • Im perioperativen Setting und in der Intensivstation und Intensivüberwachung kann auch eine Therapie mit i.v. Insulininfusion dokumentiert und durch definierbare Schemata strukturiert werden.
  • Wenn Patient:innen im Krankenhaus ihre Insulintherapie selbst managen, stehen auch dafür angepasste Abläufe zur Verfügung.

Die automatische Insulindosierung für Patient:innen mit Typ-2-Diabetes mit Basis-Bolus Insulintherapie soll nun noch näher beleuchtet werden.

Prozess aus Sicht des ärztlichen Personals:

  • Wenn eine Diabetestherapie erforderlich ist, kann direkt aus dem Krankenhaus-Informationssystem zu GlucoTab® gewechselt und die Diabetestherapie verschrieben werden.
  • Informationen zur bisherige Therapie können über Datenschnittstellen übernommen werden.
  • Die Insulin-Tagesdosis für die Basis-Bolus Therapie kann entweder aus der bisherigen Therapie abgeleitet werden oder das System berechnet einen Vorschlag auf Basis von Körpergewicht, Alter und Nierenfunktion.
  • Die zweite Stellschraube zur Steuerung der Therapie ist die Insulinsensitivität, mit der bestimmt werden kann, wieviel Korrekturinsulin später bei hohen Blutzuckerwerten zusätzlich berechnet wird.
  • Nach Bestätigung der Verschreibung sind unmittelbar Aufgaben für die Pflege aktiv.

Prozess aus Sicht des Pflegepersonals:

  • Eine Übersicht zeigt an, für welche Patient:innen der Fachabteilung Aufgaben offen sind
  • Üblicherweise wird vor den Hauptmahlzeiten der Blutzucker gemessen. Blutzuckerwerte können über Datenschnittstellen empfangen oder manuell erfasst werden. Gegebenenfalls werden die Patient:innen bei Point-of-Care-Testing durch einen Barcode Scan identifi- ziert.
  • Nach der Eingabe, ob die Patient:innen eine Mahlzeit zu sich nehmen, wird automatisch ein Dosisvorschlag berechnet. Dieser Dosisvorschlag berücksichtigt zum einen den gemessenen Blutzucker – für Blutzuckerwerte über dem Zielbereich wird Korrekturinsulin addiert, bei Blutzuckerwerten unter dem Zielbereich wird die Insulindosis reduziert. Nüchternheit wird ebenfalls flexibel berücksichtigt, und noch wirksames "Insulin on Board" aus vorhergehenden Gaben wird gegebenenfalls automatisch abgezogen.
  • Wenn nötig kann die zu verabreichende Dosis manuell angepasst werden – innerhalb von konfigurierbaren Limits alleine durch das Pflegepersonal, ansonsten nach ärztlicher Anordnung.
  • Nach der Insulininjektion wird die Insulingabe bestätigt. Somit sind für diese Patient:innen die für die aktuelle Tageszeit geplanten Arbeitsschritte abgeschlossen und dokumentiert.

Anpassung der Tagesdosis durch ärztliches oder pflegerisches Personal:

  • Einmal täglich wird der Insulinbedarf der Patient:innen neu ermittelt. Wenn die Therapie zufriedenstellend verläuft, kann die Dosisanpassung mit GlucoTab®-Unterstützung auch vom Pflegepersonal durchgeführt werden. Unsichere Situationen werden automatisch erkannt und initiieren die Beiziehung des ärztlichen Personals.
  • GlucoTab® berechnet aus dem bisherigen Therapieverlauf eine angepasste Tagesdosis, die vom medizinischen Personal bestätigt oder bei Bedarf angepasst wird.

Bereits während und am Ende des Aufenthalts kann die Therapie bei Entlassung sowie weiterführende Maßnahmen geplant und dokumentiert werden.

Ein Nutzen der Digitalisierung entsteht dann, wenn sie einen Teil der Aufgabe übernimmt, Komplexität reduziert und fehleranfällige Aufgaben unterstützt. GlucoTab® vermindert die Abhängigkeiten zwischen den Berufsgruppen. Durch strukturiertere Abläufe werden Wartezeiten reduziert, und durch die automatische Berechnung und Anpassung der Insulindosierung sinkt das Risiko für Fehler und die Notwendigkeit von Rückfragen. Die Sicherheit der Behandlung wird signifikant erhöht, der Entscheidungsdruck auf das medizinische Personal verringert.

Die umfassende Therapieunterstützung macht GlucoTab® zu einem Medizinprodukt der Klasse IIa. Für Insulindosierung auf der Allgemeinstation im Krankenhaus ist es auch das einzige Produkt am Markt in Europa.

Wie funktioniert das technisch?

Das System ist als Client-Server Anwendung konzipiert. Die Bedienung des Systems kann mit verschiedenen Endgeräten direkt am Point-of-Care erfolgen: GlucoTab® kann sowohl auf mobilen Android oder iOS Tablets als auch am Desktop PC ausgeführt werden, gegebenenfalls auch mit Integration ins KIS.

Eine neue und sehr attraktive Variante für Pflegepersonen ist das neue cobas® pulse System von Roche Diagnostics, mit dem alle Aktivitäten von der Blutzuckermessung über den Dosisvorschlag bis zur Dokumentation der Insulingabe auf einem einzigen Gerät möglich sind.

Der zentrale Server wird innerhalb des Krankenhauses betrieben und mit Schnittstellen an die bestehende Krankenhaus IT-Infrastruktur für Benutzerauthentifizierung, Patient:innen-Stammdaten, Labordaten und Archiv angebunden.

Für Einrichtungen, in denen bereits elektronische Medikationssysteme eingesetzt werden, steht eine tiefe Integration zur Verfügung. Verordnungen und Medikamentengaben werden strukturiert von GlucoTab® an die Kurve übermittelt.

Erwiesener Nutzen

Mehrere klinische Studien zeigen positive klinische Ergebnisse. Eine offene Interventionsstudie wurde an vier Bettenstationen an Abteilungen für Innere Medizin und Chirurgie am LKH Universitätsklinikum Graz durchgeführt [5]. Inkludiert waren 99 Patient:innen mit Typ-2-Diabetes (41 Frauen).

GlucoTab® wurde kontinuierlich während des stationären Aufenthalts verwendet (> 95% Vollständigkeit) und das Vertrauen des medizinischen Personals in das System war groß. Die GlucoTab®-Dosierungsvorschläge wurden zu mehr als 95% befolgt. Die Blutzuckerkontrolle war effektiv und sicher. 73% aller Messwerte befanden sich im Zielbereich zwischen 70 und 180 mg/dl, Hypoglykämien waren im Vergleich zu aktuellen Best-Practice-Studien nicht erhöht. Es trat keine schwere Hypoglykämie auf.

Auch hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz zeigte GlucoTab® positive Ergebnisse: 91% des medizinischen Fachpersonals (51 Pflegepersonen, 14 Ärzt:innen) fühlten sich in der Anwendung von GlucoTab® sicher, 89% schätzten die Anwendung in der klinischen Routine als praktikabel ein, und 80% waren der Meinung, Fehler könnten durch GlucoTab® vermieden werden. In weiterer Folge wurden auch klinische Studien mit weiteren langwirksamen Basalinsulinanaloga durchgeführt. [6], [7]

Diese Ergebnisse konnten auch im Routinebetrieb fast unverändert aufrechterhalten werden [8]. Das zeigt das hohe Potential von GlucoTab® die Qualität auch in den Abteilungen im Krankenhaus zu verbessern, wo Diabetes nicht zum "Kerngeschäft" gehört.

Fehlervermeidung: Eine retrospektive Analyse zu Häufigkeit und Auswirkungen von Dosierungsfehlern bei Durchführung eines papierbasierten Protokolls [9] ermittelte eine Fehlerrate von 11% bei der Dosisberechnung mit der papierbasierten Methode im Vergleich zur fehlerfreien Berechnung durch die GlucoTab®-Software. [10] Dosierungsfehler traten mit dem papierbasierten Protokoll verglichen mit GlucoTab® häufiger auf, beeinflussten 8-mal so viele Blutzuckerwerte und betrafen 3-mal so viele Patient:innen.

Kosteneffektivität

Auch aus wirtschaftlicher Sicht wirken sich falsch behandelte bzw. schlecht eingestellte Patient:innen mit Diabetes mellitus negativ für das Krankenhaus aus: sie haben eine längere Verweildauer, müssen häufiger stationär wiederaufgenommen werden [11], und die eingangs erwähnten Komplikationen verursachen Kosten, die für das Krankenhaus nicht durch die gegebenen Fallpauschalen gedeckt sind.

Als digitale Lösung mit klinisch validierter Sicherheit und Wirksamkeit kann GlucoTab® als "Digiceutical" bezeichnet werden. [12] Ausgehend davon orientiert sich auch die Preisgestaltung an den durchschnittlichen Kosten von GlucoTab® pro Behandlungstag. Die Blutzuckereinstellung mit GlucoTab® ist vergleichbar mit den Ergebnissen jener best-practice RCT Studien, die eine Reduktion von Komplikationen demonstrieren konnten. [13] Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich der Einsatz von GlucoTab® mehr als amortisiert und sogar Kosten spart [14]. Dazu kommt der unmittelbare Nutzen für das Personal. In Interviews wurde dem System eine deutliche Zeitersparnis zugeschrieben [15].

Zukünftige Herausforderungen

Während GlucoTab® die breiten Anforderungen an die Therapieunterstützung und Dokumentation in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen bereits sehr umfassend unterstützt, wird derzeit an einer Adaption für Pflegeheime gearbeitet.

Relevant auf technischer Ebene ist auch der wachsende Einsatz von Devices [16] für Gewebezuckermessung und Insulinpumpen während des stationären Aufenthalts. Es gilt hier mittels Schnittstellen – auch zu den herstellerspezifischen Cloud-Systemen – die Daten nutzbar zu machen und weiterhin ein einheitliches System zur Therapieunterstützung zu bieten.


Literatur:
[1] Gallwitz et al., Positionspapier der Deutschen Diabetes Gesellschaft zur Therapie des Diabetes mellitus im Krankenhaus, www.ddg.info, 2017.
[2] ADA, Diabetes Care in the Hospital: Standards of Medical Care in Diabetes—2022, Diabetes Care 2022;45(Suppl. 1):S244–S253.
[3] Health & Social Care Information Centre, National Diabetes Inpatient Audit (NaDIA) – 2019, NHS Digital, 2020.
[4] Draznin et al., Pathways to quality inpatient management of hyperglycemia and diabetes: a call to action, Diabetes Care 2013; 36:1807.
[5] Neubauer et al., Standardised glycaemic management with a computerised workflow and decision support system for hospitalised patients with type 2 diabetes... Diabetes Technol Ther 17:685–692, 2015.
[6] Aberer et al., GlucoTab-guided insulin therapy using insulin glargine U300 enables glycaemic control... Diabetes Obes Metab 21(3):584-591, 2019.
[7] Mader et al., Glucotab-Based Basal-Bolus Insulin Therapy for Inpatient Glycemic Control Using Insulin Degludec, Diabetes 2021;70(Supplement_1):700-P.
[8] Lichtenegger et al., Safe and Sufficient Glycemic Control by Using a Digital Clinical Decision Support System for Patients With Type 2 Diabetes... J Diabetes Sci Technol 15(2):231-235, 2021.
[9] Mader et al., Efficacy, usability and sequence of operations of a workflow-integrated algorithm for basal-bolus insulin therapy in hospitalized type 2 diabetes patients. Diabetes Obes Metab 16:137–146, 2014.
[10] Donsa K et al., Impact of errors in paper-based and computerized diabetes management with decision support for hospitalized patients with type 2 diabetes... Int J Med Inform, 90:58–67, 2016.
[11] American Diabetes Association, Economic Costs of Diabetes in the U.S. in 2017. Diabetes Care. 41(5):917–928, 2018.
[12 ] Carter G., What are Digiceuticals?, LinkedIn.com, 2018.
[13] Umpierrez et al., Randomized study of basal-bolus insulin therapy in the inpatient management of patients with type 2 diabetes... Diabetes Care, 2011;34(2):256-61.
[14 ] Pieber TR, Automating Insulin Dosing Decisions – Benefits, Limitations, and Cost Effectiveness, ADA 2016, New Orleans.
[15] Kopanz et al., Electronic Diabetes Management System Replaces Paper Insulin Chart... Diabetes Sci Technol, 15(2):222-230, 2021.
[16] Werner et al., Diabetes-Devices im Krankenhaus-Alltag, Diabetes-Forum, 2022; 34 (5) Seite 41-43.



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Assoz. Prof. Dr. med. Julia Mader

Assoz. Prof. Dr. med. Julia Mader
Fachärztin für Innere Medizin
Universitätsklinik für Innere Medizin - Klin. Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie
Medizinische Universität Graz, Österreich

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DI Dr. Peter Beck

CTO, Entwicklungsleitung GlucoTab
decide Clinical Software GmbH, Graz, Österreich

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2022; 34 (9) Seite 15-18