Automatisierte Insulin-Dosierung (AID) – darüber gibt es zur Zeit viele Veröffentlichungen und heiße Diskussionen unter den Menschen mit Diabetes. Wir haben alles für Sie in unserem Schwerpunkt zusammengefasst.

Wichtige Hinweise
Liebe Leser, bitte beachten Sie:
  • Loops sind keine zugelassenen Medizinprodukte.
  • Durch die Zusammenstellung können die Garantie und Produkthaftung der Hersteller der Ursprungsgeräte entfallen.
  • Die Weitergabe selbst hergestellter Loops kann eine Straftat darstellen.
  • Aufgrund des Anwendungsbereichs der Loops kann eine Gefahr für Leib und Leben der Anwender bestehen.

Etwa 500 Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 bzw. deren Angehörige tun es in Deutschland inzwischen bereits: Sie haben die Dinge selbst in die Hand genommen (Do It Yourself) und ergänzen ihre vorhandenen Systeme (Insulinpumpe und CGM) zu einem DIY-AID-System, wie es neuerdings bei Kongressen genannt wird. Anwender sprechen eher von ihrem "Loop", daher nennen sie sich selbst "Looper".

Sie sind des Wartens auf kommerzielle Lösungen überdrüssig und haben sich mit dem Loop ein großes persönliches Bedürfnis selbst erfüllt: Ein Rechenprogramm verwendet die Daten einer kontinuierlichen Gewebeglukosemessung für Berechnungen zu Insulinabgaben (Algorithmus), die eine Person mit Diabetes Typ 1 selber vornehmen würde. Das Ergebnis der Berechnungen kann, wie bei einem Bolusrechner, nun vom Anwender selbst manuell in der Pumpe eingegeben werden (Open Loop).

Insulinzufuhr wird von einem Algorithmus bedarfsgerecht gesteuert

Beim "(Closed) Loop" wird dieser Schritt automatisiert und kann dadurch dichter getaktet werden: Die kontinuierliche subkutane Insulinzufuhr wird nach dem vom Algorithmus vorausberechneten künftigen Gewebeglukosewert laufend bedarfsgerecht verändert. So wird dafür gesorgt, dass der Glukosewert rund um die Uhr möglichst im Zielbereich gehalten wird. Damit sollen im Idealfall Hypoglykämien bzw. längere hyperglykämische Phasen vermieden werden, ein Traum für jeden Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1.

Medizinproduktehersteller auf der ganzen Welt arbeiten seit Jahren an solchen AID-Systemen. Bisher ist aber ein solches System in Deutschland offiziell nicht verfügbar.

Im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden der von Patienten entwickelten Insulinabgabeoptimierung kamen Fragen auf: Dürfen Patienten bzw. deren Angehörige so etwas überhaupt machen? Ist dies noch legal? Und weiter: Dürfen Ärztinnen/Ärzte solche Patienten weiter betreuen?

Juristisches Gutachten: Was Patienten und Ärzte beachten müssen

Inzwischen gibt es ein von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten, das bei diesen Fragen für mehr Klarheit sorgen soll. Darin heißt es in der Zusammenfassung:


Für Patienten, die sich aus Medizinprodukten ein geschlossenes System nur zum Eigengebrauch zusammenbauen ("Looper"), gilt:

  • Der Zusammenbau zum geschlossenen System begründet keine Strafbarkeit oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit.
  • Im Regelfall dürfte allerdings eine solche Nutzung nicht von der Zweckbestimmung der Medizinprodukte gedeckt sein. Dies führt zum Ausschluss von Haftungsansprüchen gegenüber dem jeweiligen Hersteller.

Gutachten
Das vollständige juristische Gutachten können Sie auf der Website der Deutschen Diabetes Gesellschaft abrufen.


Für Ärzte gilt:

  • Erscheint ein Patient mit Diabetes Typ 1 zur ärztlichen Behandlung, ist der Arzt ohne Nachfrage des Patienten nicht dazu verpflichtet, über die Entwicklungen zu selbst gebauten, nicht CE-zertifizierten geschlossenen Systemen zu informieren bzw. diese gar als alternative Behandlungsmethode vorzustellen.
  • Sollte der Patient von sich aus Interesse an einem selbst gebauten geschlossenen System bekunden oder ein solches System bereits benutzen, ist der Arzt verpflichtet, über den bestimmungswidrigen Gebrauch eines Medizinprodukts und die damit ggf. verbundenen Risiken aufzuklären. Wird diese Pflicht zur therapeutischen Aufklärung verletzt, drohen Haftungsansprüche. Es empfiehlt sich, eine erfolgte Aufklärung zu dokumentieren.
  • Entscheidet sich der Patient gleichwohl dafür, das selbstgebaute System (weiterhin) zu verwenden, ist der Arzt nicht verpflichtet, dem Patienten die Nutzung zu verbieten.
  • Aktive Unterstützungsmaßnahmen des Arztes beim Einsatz des selbst gebauten geschlossenen Systems können dagegen zu straf- und haftungsrechtlichen Risiken führen. Insbesondere sollte der Arzt davon absehen, "Loopern" eine Plattform zum Austausch über Erfahrungen im Umgang mit den selbstgebauten, geschlossenen Systemen anzubieten oder sogar Schulungsmaßnahmen durchzuführen. Letzteres könnte von Gerichten gegebenenfalls als Anwenden eines Medizinprodukts entgegen seiner Zweckbestimmung angesehen werden. Darin liegt ein Verstoß gegen die Medizinproduktebetreiberverordnung (§ 4 Abs.1 bzw. Abs.4 MPBetreibV). Dies kann ggf. einen Anknüpfungspunkt für eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellen, die – bei kausaler Herbeiführung eines entsprechenden Verletzungserfolges – zu einer Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung, aber auch zu einer zivilhaftungsrechtlichen Inanspruchnahme führen kann.

Schwerpunkt Closed Loop


Autoren: Saskia Wolf und Dr. Martin Lederle
Saskia Wolf hat Typ-1-Diabetes und nutzt seit Mai 2016 als eine der ersten AnwenderInnen in Deutschland ein Open Source Loop System. Für die Information Interessierter und den gegenseitigen Erfahrungsaustausch gründete sie im Herbst 2017 den #LooperInBerlin-Stammtisch. Aufgrund der starken Resonanz hat sie deutschlandweit weitere Stammtische gegründet und initiiert, um Anwendern dieser Systeme (Loopern) den persönlichen Dialog zu ermöglichen.

Die Juristin reist quer durch Deutschland, um Vorträge zum Thema zu halten - vor Fachpublikum (DiaTec, Jahreskongress der ADBW, Fortbildungsveranstaltungen in verschiedenen Kliniken) und vor medizinischen Laien (EMC² bei Roche Diabetes Care, Loopertreffen).
Dr. Martin Lederle ist Facharzt für Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Schwerpunkt Diabetologie und Ernährungsmedizin und medizinischer Leiter der diabetologischen Schwerpunktpraxis an der MVZ Ahaus GmbH.

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (4) Seite 10-12