Der Praxisalltag wirft bezüglich der Schilddrüsenerkrankungen viele Fragen auf. Auf die wichtigsten geht Professor Reinhard Zick hier ein und hat Antworten parat.

Auf welche schilddrüsenrelevante Begleitmedikation ist bei älteren Patienten zu achten?

Aluminiumhaltige magensäurebindende Antazida, Präparate zur Substitution von Eisen und Kalzium interferieren mit der Aufnahme von L-Thyroxin und sollten nicht gleichzeitig genommen werden. Es empfiehlt sich ein Abstand von 2 bis 3 Stunden.

Barbiturate, Salicylate, Furosemid und Clofibrat beeinflussen den Abbau von Levothyroxin so dass der Substitutionsbedarf vom L-Thyroxin ansteigen oder auch abfallen kann.

Die Bildung von Thyroxin bindendem Globulin (TBG) in der Leber wird durch Östrogene gesteigert, so dass bei einer Hormonersatztherapie der älteren Frau der tägliche Substitutionsbedarf von Levothyroxin sich erhöht.

Das in der Behandlung von Depressionen verwendete Lithium löst bei nahezu jedem 2. älteren Patienten eine Hypothyreose aus. Regelmäßige Kontrollen des basalen TSH-Wertes sind deshalb bei dieser Patientengruppe unumgänglich.

Werden Patienten mit einer Schilddrüsenautonomie oder mit einer Immunthyreopathie vom Typ Morbus Basedow hohen Jodmengen ausgesetzt, kann es durch Fehlen der normalen Autoregulation zu einer ungehemmten Aufnahme und Organifizierung von Jod, zur vermehrten Synthese von Schilddrüsenhormonen und schließlich zu allen Schweregraden einer Hyperthyreose ("Jod-Basedow") kommen.

Diese Problematik ist bei der Verwendung von jodhaltigen Kontrastmitteln weitgehend bekannt. Prophylaktisch kann zur Vermeidung der jodinduzierten Hyperthyreose 2 bis 4 Stunden vor einem gezielten Eingriff Perchlorat (Tagesdosis 900 mg) und fakultativ zusätzlich bei hohem Risiko Thiamazol (Tagesdosis 20 mg) über einen Zeitraum von 14 Tagen gegeben werden.

Viel zu wenig beachtet wird in diesem Zusammenhang dass bei älteren Patienten auch jodhaltige Nahrungsergänzungsmittel, Augentropfen, Desinfektionsmittel und Expektorantien eine Hyperthyreose auslösen können. Bei der Anamnese sollte deshalb gezielt gefahndet werden.

Einen Sonderfall ist der Arzneistoff Amiodaron, der zur Behandlung von zahlreichen Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird. Durch den hohen Jodanteil (75mg/Tablette) kommt es bei älteren Patienten nahezu immer zu Veränderungen der Schilddrüsenparameter. Dabei kann Amiodaron in unterschiedliche Weise eine Überfunktion der Schilddrüse auslösen. Bei der Amiodaron induzierten Thyreoiditis Typ 1 liegt bei den älteren Patienten entweder eine Autonomie oder eine Immunthyreopathie vor so dass es wie bei der Gabe eines jodhaltigen Kontrastmittels durch die vermehrte Jodaufnahme zu einer Hyperthyreose kommt.

Bei der Amiodaron-induzierten Thyreoiditis Typ 2 wird ein Zerfall der Thyreozyten ausgelöst. Durch diesen Vorgang wird vermehrt unkontrolliert Schilddrüsenhormon in die Blutbahn abgegeben. Die daraus resultierende Hyperthyreose spricht verständlicherweise nicht auf Thyreostatika an und lässt sich nur durch Hemmung der Umwandlung von fT4 in fT3 mit z. B. Propanolol beeinflussen. Sie gleicht pathophysiologisch deshalb der Thyreoiditis de Quervain und kann auch wie diese langfristig zu einer Hypothyreose führen. Die Häufigkeit der durch Amiodaron ausgelösten Schilddrüsenprobleme rechtfertigt den sehr kritischen Umgang mit diesem Arzneistoff insbesondere bei älteren Patienten. Sollte eine Behandlung mit Amiodaron im Senium unumgänglich sein empfiehlt es sich aus unserer Sicht frühzeitig einen Endokrinologen in die Behandlung mit einzubeziehen.

Auf welche Risiken ist bei der Substitution mit L-Thyroxin bei älteren Patienten zu achten?

Thyroxin steigert den Sauerstoffbedarf des Herzens, so dass bei älteren Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit oder Herzrhythmusstörungen die initiale Dosis sehr niedrig (z. B. 12,5 µg/d) und die Intervalle zur Steigerung der Dosis ausreichend lang sein sollten. Wir empfehlen Laborkontrollen erst nach 4 bis 6 Wochen, da Änderungen des basalen TSH-Wertes nicht vor Ablauf dieses Zeitraumes zu erwarten sind.

Auf welche Komorbiditäten ist bei älteren Patienten mit einer Schilddrüsenerkrankung zu denken?

Eine Hyperthyreose steigert bekanntermaßen den Knochenabbau. So führt bereits eine subklinische Hyperthyreose bei älteren Frauen 4-mal häufiger zu einer Hüftfraktur als bei einem altersgleichen euthyreoten Kontrollkollektiv. Deshalb empfehlen wir auch bei einer subklinischen Hyperthyreose im Alter eine frühzeitige ablative Behandlung wie z. B. durch die Radiojodtherapie.

Auf die Komorbidität zwischen Herzerkrankung und Hyperthyreose und Schilddrüsenhormonsubstitution wurde bereits hingewiesen.

Bei depressiven Verstimmungen oder kognitiven Einschränkungen im Alter sollte in der Diagnostik der basale TSH-Wert nie fehlen da sich hinter disen Symptomen immer auch eine Hypothyreose verbergen kann.

Alle Formen einer Gastritis können die Resorption von L-Thyroxin verändern. Deshalb sollte bei älteren Patienten mit einem hohen täglichen Bedarf an L-Thyroxin auch an diese Ursache gedacht werden.

Was gibt es bei älteren Diabetikern und der Substitution von L-Thyroxin zu beachten?

Es gilt zu erinnern, dass jeder dritte Typ-1-Diabetiker im Laufe seines Lebens eine Autoimmunthyreopathie entwickelt. Bei einer Hyperthyreose steigt der Insulinbedarf. Das Umgekehrte kann bei einer Hypothyreose beobachtet werden. Bei Typ-1-Diabetikern, bei denen eine Autoimmunthyreopathie nachgewiesen wurde, entwickelt sich häufig auch im Zusammenhang eines autoimmunen polyglandulären Syndroms eine atrophische Gastritis mit konsekutiven Vitamin-B 12-Mangel und/oder eine primäre Nebenniereninsullizienz.

Deshalb sollte bei älteren Typ-1-Diabetikern mit den Symptomen einer peripheren Polyneuropathie auch an einen Vitamin-B 12-Mangel gedacht werden, und hinter zunehmender körperlicher Schwäche kann auch ein Morbus Addison stecken. Der ACTH-Test kann in diesem Fall schnell zur Klärung beitragen und den Patienten eine langjährige körperliche Odyssee und gegebenenfalls auch den Rollstuhl oder die Bettlägerigkeit ersparen.

Schwerpunkt Geriatrie / Schilddrüse


Autor: Prof. Dr. Reinhard Zick
Kardinal-von-Galen-Straße 49
49809 Lingen

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (11) Seite 22-24