Diabetes ist ein Risikofaktor für das Entstehen einer Polyneuropathie. Daneben gibt es allerdings weitere Auslöser für die Erkrankung des Nervensystems. Vor allem Luftverschmutzung führt zu einem erhöhten Risiko, wie Forschende des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) in Kooperation mit dem Helmholtz Zentrum München herausgefunden haben.

Typ-2-Diabetes gehört zu den häufigsten Ursachen für eine Polyneuropathie. Es gibt jedoch zahlreiche Hinweise aus präklinischen, klinischen und epidemiologischen Studien, die darauf hindeuten, dass Entzündungen und oxidativer Stress ebenfalls auslösende Mechanismen darstellen. Auch eine endotheliale Dysfunktion oder Mikroangiopathie gelten als Effektorwege, die metabolische und altersbedingte Schädigungen mit neuropathischen Schäden verbinden. Das meldet das Deutsche Diabetes Zentrum (DDZ) in Düsseldorf.

„Angesichts der Tatsache, dass eben diese Mechanismen auch durch Umweltrisikofaktoren ausgelöst werden, war der Mangel an Daten zu Umweltbelastungen als potenziellen Determinanten einer DSPN überraschend“, sagt Prof. Dr. Christian Herder vom DDZ, der gemeinsam mit seiner Münchener Kollegin Prof. Dr. Annette Peters vom Helmholtz Zentrum die Studie koordinierte. Ziel der Forschungsgruppe war es daher, umweltbedingte Langzeitbelastungen und das Auftreten von DSPN zu untersuchen, gleichzeitig auftretende Expositionen zu bewerten und die These zu überprüfen, ob das DSPN-Risiko bei Menschen mit Adipositas höher ist als bei Menschen ohne Adipositas. Dazu wurden die vier Umweltfaktoren „niedrige Umgebungstemperatur“, „geringer Grünanteil“, „hoher Straßenlärm“ und „hohe Luftverschmutzung“ in der KORAF4/FF4-Studie* bei 423 Personen im Alter von 62 bis 81 Jahren ohne DSPN untersucht.

Adipositas begünstigt Ausprägung einer DSPN

Die sensomotorische Polyneuropathie zeichnet sich durch Empfindungs- und Bewegungsstörungen sowie Schmerzen aus, die zumeist in den unteren Extremitäten beginnen und deren Symptomatik im Laufe der Zeit zunimmt. Bei Menschen mit Diabetes kann sie zum diabetischen Fußsyndrom bis hin zur Amputation führen. Es gibt zunehmend Hinweise, dass auch Menschen mit Adipositas oder verwandten Komorbiditäten ohne die Diagnose Diabetes bereits eine anfällige Untergruppe der Bevölkerung darstellen: „Bei den Probanden der KORA-Studie, die eine DSPN entwickelten, konnte dies ebenfalls gezeigt werden“, erklärt Herder. „Sie waren durch höheres Alter, einen höheren BMI und Taillenumfang sowie einen höheren Anteil kardiovaskulärer Erkrankungen gekennzeichnet als Menschen, die keine DSPN entwickelten.“

Luftverschmutzung als Risikofaktor Nummer eins

Unter den gemessenen Umweltfaktoren der Studie zeigten Luftverschmutzung und insbesondere ultrafeine Partikel die stärkste Assoziation mit der Entwicklung einer DSPN. Da Umweltrisikofaktoren jedoch nicht getrennt wirken, sondern gegenseitige Abhängigkeiten aufweisen, sollten sie auch gemeinsam betrachtet werden. „Nur so kann die Bewertung der gemeinsamen Auswirkungen ein umfassenderes Bild des Krankheitsrisikos bieten“, meint auch Experte Herder.

Die gemeinsame Analyse aller Expositionen zeige demnach additive Effekte mit einem 1,4-fach erhöhten DSPN-Risiko, basierend auf einer niedrigeren Lufttemperatur in der warmen Jahreszeit, weniger Grün in der Nähe der Wohnorte der Teilnehmer und höheren Geräuschpegeln und ultrafeinen Partikelkonzentrationen – unabhängig davon, ob es Menschen mit oder ohne Adipositas betraf. Menschen mit Adipositas schienen jedoch anfälliger für die meisten Expositionen zu sein, was zu einem zweifach erhöhten DSPN-Risiko führte, wenn alle vier Risikofaktoren in einem gemeinsamen Modell bewertet wurden.

Auswirkungen der Ergebnisse

Die Studie fügt die sensomotorische Neuropathie der wachsenden Liste an Krankheiten hinzu, deren Auftreten durch Umweltrisikofaktoren, insbesondere durch Luftverschmutzung, erhöht wird. Dies unterstreicht die Notwendigkeit koordinierter gesellschaftlicher und politischer Interventionen, um Umweltgefahren für alle zu reduzieren und einen ganzheitlicheren Ansatz zur Krankheitsprävention zu verfolgen, indem Lebensstil, sozioökonomische und Umweltfaktoren gleichzeitig angegangen werden, folgern die Forschenden. „In dieser Gleichung stellt vor allem die Adipositas den veränderbaren Risikofaktor dar. Daher kommt der Prävention und Behandlung dieser Erkrankung mit all ihren Begleiterscheinungen in Deutschland eine immense Bedeutung zu, die nicht nur Aufgabe der Behandler, sondern auch der Politik sein muss“, fordert auch Prof. Michael Roden, Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf sowie Direktor des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ).


Quelle: Deutsches Diabetes Zentrum (DDZ) | Redaktion