Für aufwendige Untersuchungen des Augenhintergrundes zur Diagnose diabetischer Netzhautschäden fehlt vor allem in Entwicklungsländern häufig das Geld. Als kostengünstige Alternative lassen sich solche Untersuchungen auch mit dem Smartphone und einem speziellen Adapter durchführen. Ein Forschungsteam der Universität Bonn hat nun in einer Studie solche Adapter und deren Anwendungsmöglichkeiten verglichen.

Um Schäden an der Netzhaut möglichst früh erkennen und behandeln zu können, sollte bei Menschen mit Diabetes eine regelmäßige Untersuchung des Augenhintergrundes erfolgen. Für die breite Anwendung in Entwicklungsländern sind konventionelle Retinopathie-Screeningverfahren aus strukturellen und finanziellen Gründen jedoch nicht geeignet. Im Jahr 2019 starteten die Augenklinik am Universitäts­klinikum Bonn und die Sankara Eye Foundation in Bangalore daher ein Pilotprojekt zur Einführung eines kostengünstigen smartphonebasierten Retinopathie-Screenings in Indien.

Bildverarbeitungsalgorithmen gleichen Nachteile aus

„Die Bildqualität konventioneller Geräte zur Untersuchung des Augenhintergrundes ist Smartphone-basierten Lösungen im Allgemeinen überlegen“, erklärt Dr. Maximilian Wintergerst in einer Presse­mitteilung der Universität Bonn Jedoch seien Aufnahmen mit dem Fotoapparat des Mobiltelefons bei Netzhautveränderungen im Zusammenhang mit einer diabetischen Retinopathie vielversprechend, da automatische Bildverarbeitungsalgorithmen Weitwinkelaufnahmen ermöglichen und so den Nachteil eines relativ kleinen Blickfeldes teilweise ausgleichen.

In einer früheren Studie führte Dr. Wintergerst Untersuchungen zusammen mit Kollaborationspartnern an der Sankara Augenklinik in Bangalore (Indien) durch. Dabei zeigte sich, dass sich mit dem Smartphone ein Großteil der Netzhautveränderungen durch diabetische Retinopathie erkennen ließen.

Die Adapter wiegen wenige Gramm bis zu einem Kilogramm

In der aktuellen Studie verglich Wintergerst nun mit weiteren Wissenschaftlern insgesamt elf als Medizinprodukte zertifizierte Adapter, die für Untersuchungen mit dem Smartphone gedacht sind. Sie werden vor der Kameralinse befestigt und verfügen über Speziallinsen, die die Aufnahme der Netzhaut ermöglichen. Die Forschenden durchsuchten Datenbanken und stellten die Ergebnisse in einer Literaturrecherche zusammen.

Sie verglichen die Adapter etwa hinsichtlich der damit erstellten Bilder, Anschaffungskosten, Gewicht, Software, Anwendungsbereich und Smartphone-Kompatibilität. „Ziel ist es, einen systematischen Überblick über smartphonebasierte Möglichkeiten zu geben“, so Dr. Wintergerst. „Die Studie zeigt Potential, Limitationen und mögliche zukünftige Entwicklungen der Technik auf und kann dabei helfen, für den jeweiligen Anwendungsbereich den geeigneten Adapter zu finden.“

Smartphones mit geeigneter Optik werden inzwischen nicht nur im Einsatz bei diabetischer Retinopathie erprobt, sondern auch beim Glaukom (Grüner Star), in der Notfallmedizin und in der Pädiatrie. „Kinder sind gegenüber Smartphones in der Regel aufgeschlossener als gegenüber größeren Geräten zur Messung des Augenhintergrundes“, berichtet Dr. Wintergerst. Auch in der Lehre lässt sich die Smartphone-basierte Variante einsetzen, da sie leichter handhabbar und im Gegensatz zu herkömmlichen Geräten die dargestellten Bilder für Lehrende und Studierende gleichermaßen sichtbar sind.

Perspektiven für die Telemedizin in ärmeren Regionen

„Die Smartphone-basierte Augenhintergrunduntersuchung eröffnet auch neue Möglichkeiten in der Telemedizin“, fügt Prof. Dr. Robert Finger, Co-Autor der Studie, hinzu. Einfache Augen-Untersuchungen ließen sich zum Beispiel an Hilfspersonal vor Ort delegieren. Augenärzte könnten dann telemedizinisch mithilfe der so gewonnenen Daten die Diagnose stellen. Zusätzlich ist die Kombination mit künstlicher Intelligenz ein vielversprechender Ansatz, dem die Bonner Wissenschaftler in Kollaboration mit der Informatik der Universität Bonn nachgehen.

Prof. Dr. Frank Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik und ebenfalls Co-Autor der Studie, ergänzt: „Die Smartphone-basierte Fundusfotografie könnte vor allem in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zur Verbesserung der augenärztlichen Versorgung beitragen.“


Förderung und Veröffentlichung der Studie:

Die Studie wurde im Fachmagazin „Der Ophthalmologe“ publiziert. Neben der Universität Bonn wurde sie u.a. von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung, dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der Deutschen Ophthalmologische Gesellschaft gefördert.


Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn | Redaktion