Mit dem Einfluss von Proteinen und Fetten auf die postprandialen Glukoseverläufe beschäftigt sich das neue Diabetes-Schulungs- und Behandlungsprogramm „Proteine und Fette beim Bolen beachten“, kurz „ProFet“. Damit ergänzt ProFet andere Schulungsprogramme für Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes, die in erster Linie die Wirkung der Kohlenhydrate in den Blick nehmen.

ProFet richtet sich an Menschen mit einer Insulinpumpentherapie oder intensivierten Insulintherapie, welche zuvor bereits umfangreiche Kenntnisse zur Therapie des Diabetes erworben und bereits an mindestens einer anderen Diabetes-Schulung teilgenommen haben. ProFet ist als Gruppenschulung mit vier Schulungseinheiten à 90 bis 120 Minuten und einer Gruppengröße von vier bis zehn Teilnehmern konzipiert.

ProFet als Aufbau-Schulung

Die Autoren empfehlen, dass zwischen den jeweiligen Schulungseinheiten drei oder vier Wochen liegen. Dieser Abstand lässt ausreichend Zeit für Basalraten- und Mahlzeitentest. Die Materialien bestehen aus Schulungsfolien, Curriculum und Arbeitsblättern (jeweils digital), welche sich sowohl für Gruppen- als auch für Einzelschulungen eignen. Ergänzend wird ein gedrucktes Patientenbuch (inklusive Arbeitsblättern) erscheinen. Sämtliche Materialien sind erschienen im Kirchheim-Verlag und können erworben werden unter: www.kirchheim-shop.de.

Ziele der ProFet-Schulung


  • Nährwerte von Mahlzeiten kennen lernen bzw. wiederholen
  • Apps zu Nährwerten nutzen
  • Mahlzeitentest durchführen
  • Basalrate und KE-Faktoren überprüfen
  • Bei Insulinpumpentherapie den dualen/verzögerten Bolus nutzen
  • Kostformen mit variablem Kohlenhydratanteil testen

DDG-Praxisempfehlungen zur Schulung von fett- und eiweißreichen Lebensmitteln

ProFet ist nach Kenntnis der Autoren das erste publizierte Schulungsprogramm zum Thema Proteine und Fette beim Bolen und folgt damit dem Expertenkonsensus nationaler und internationaler Gremien. Der Ausschuss Ernährung der DDG empfiehlt in den im Oktober 2020 veröffentlichen (Praxis-)„Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit Typ-1-Diabetes mellitus“, dass Betroffene in der Lage sein sollten, die Auswirkungen von Fetten und Eiweißen auf die Glukosewerte einzuschätzen.

Weiter schreiben die Experten: „Es sind Glukoseanstiege nach fett- und eiweißreichen Lebensmitteln festzustellen, allerdings muss die Menge der Insulindosierung individuell ermittelt und geschult werden.“ (Rubin D et al. Empfehlungen zur Ernährung… Diabetologie und Stoffwechsel 2020; 15 (Suppl 1): S120–S138).

Ähnlich schreibt die Expertengruppe um die US-Amerikanerin C. Smart unter dem Titel „Insulin Dosing for Fat and Protein“ im vergangenen Jahr in „Diabetes Care“: „Zusammenfassend hängt eine optimale postprandiale Glykämie von der Anpassung des Insulins an die gesamte Zusammensetzung der Mahlzeit ab.“ Insulin werde für Nahrungsfett benötigt, wobei die Dosisanpassung von der Fettmenge und der individuellen Empfindlichkeit abhänge.

Weiterhin empfehlen die Experten für die Anpassung des Insulins an unterschiedliche Fettmengen einen Ausgangspunkt zu wählen, welcher individuell angepasst werde. Darüber hinaus schlagen sie weitere Forschung vor, um die Umsetzung der routinemäßigen Fett- und Proteindosierung in die klinische Praxis zu klären (C. Smart et al., Diabetes Care 2020;43:13–15).

Fett-Protein-Einheiten (FPE) und FPE-Faktor

ProFet greift auf die bekannte Begriffsdefinition der FPE zurück (siehe Schaukasten). Im Gegensatz zur Erstbeschreiberin, der polnischen Diabetologin Pankowska, wird in der ProFet-Schulung empfohlen, den FPE-Faktor (zunächst) niedriger zu wählen als den KE-Faktor. Die ProFet-Autoren gehen davon aus, dass das basale Insulin oder der Kohlenhydrat-Bolus bei Mischkost bereits Proteine und Fette mit abdeckt.

Zu Beginn der Profet-Schulung sollten daher Basalraten- sowie Mahlzeitentest mit reinen Kohlenhydratmahlzeiten erfolgen. Die ProFet-Autoren empfehlen die Beurteilung von Mahlzeiten mit unterschiedlicher Nährstoffzusammensetzung und Menge sowie die schrittweise Anpassung der KE- und FPE-Faktoren. Zur Dokumentation der Mahlzeitentest steht ein Arbeitsblatt zur Verfügung (siehe Kasten sowie Abb. 1).

Berechnung der FPE (nach Pankowska)


Eine FPE entspricht hundert Kilokalorien aus Fett und Eiweiß. Es gibt zwei Rechenwege, welche zum identischen Ergebnis führen.

Rechenweg 1
1. Je 11g Fett ergeben eine FPE.
2. Je 25g Protein ergeben eine FPE.
3. Beide Zahlen addieren -> Gesamt-FPE-Menge

Als Formel:
Fett (g)
11
+ Protein (g)
25
= Anzahl FPE

Rechenweg 2
Kalorien gesamt – KH (g) x 4
100
= Anzahl FPE

Die Arbeitsblätter, hier ein Beispiel für einen Mahlzeitentest.

Je größer die Protein- und Fettmenge, desto langsamer und verzögerter ist deren Wirkung auf die Glukoseverläufe. Bei Insulinpumpentherapie empfiehlt es sich daher, für die FPE einen verzögerten Bolus abzugeben. Bei intensivierter Insulintherapie kann der Mahlzeitenbolus aufgeteilt und die Verwendung von unterschiedlich lang wirkenden Insulinsorten und/oder unterschiedlichen Injektionszeitpunkten getestet werden. Weitergehende Kenntnisse zum Thema sowie zur ProFet-Schulung werden vermittelt in Train-The-Trainer-Seminaren (siehe Kasten).

Virtuelle Seminare


ProFet-Train-The-Trainer
Buchbar bei Med Info GmbH
Tel: 07321-94691-20
Mail: k.stiglitz@med-info-gmbh.de
(Termine und weitere Informationen unter www.profet.de).

Digitale Helfer und Nährwertangaben

Die Internetseite www.profet.de bietet einen kostenlosen FPE-Rechner sowie Informationen rund um das Thema FPE, wie z.B. einen Überblick über aktuell verfügbare Apps mit FPE-Rechner. Die Smartphone-Apps DiaBook und DiaCarbs bieten die Möglichkeit, FPE zu berechnen, und enthalten für mehr als 50.000 Lebensmittel mit Nährwertangaben wie Kalorien, Kohlenhydrate, Proteine, Fette, KE und FPE.

Fazit

Erfahrungsberichte und klinische Studien belegen den Einfluss von Proteinen und Fetten auf die postprandialen Glukoseverläufe. Experten bestätigen die Limitationen der Insulindosisberechnung bei alleiniger Berücksichtigung der Kohlenhydrate und empfehlen, Patienten zu Proteinen und Fetten zu schulen. Mit ProFet ist erstmals ein Schulungs- und Behandlungsprogramm einschließlich Train-The-Trainer-Seminar zum Thema verfügbar.


Autor:
Dr. med. Winfried Keuthage
Autor von „ProFet“, „DiaBook“ und „DiaCarbs“
MedicalCenter am Clemenshospital
Düesbergweg 128, 48153 Münster