Zwei Studien des Bremer Leibniz-Instituts BIPS zeigen erstmals: Schlechte Luftqualität erhöht bei Kindern Blutdruck und Diabetes-Risikomarker. Mithilfe kausaler Inferenz konnten direkte Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aus Beobachtungsdaten nachgewiesen werden.

Zwei aktuelle Untersuchungen des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen zeigen erstmals einen kausalen Zusammenhang zwischen Luftqualität und gesundheitlichen Risikomarkern im Kindesalter. Erhöhte Feinstaub- und Rußbelastungen beeinflussen demnach direkt den Blutdruck sowie biochemische Marker des Glukosestoffwechsels. Der Nachweis gelang mithilfe von Methoden der kausalen Inferenz, die Effekte hypothetischer Interventionen simulieren und somit kausale Rückschlüsse aus Beobachtungsdaten ermöglichen.

Zwar deuten zahlreiche Beobachtungsstudien seit Jahren auf einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung, Entzündungsvorgängen und metabolischen Veränderungen hin, doch der Kausalitätsnachweis blieb bislang aus. Randomisierte kontrollierte Studien, die als Goldstandard gelten, sind in der Umweltforschung ethisch und praktisch nicht durchführbar. Daher nutzte das Forschungsteam um Dr. Rajini Nagrani, Leiterin der Fachgruppe Molekulare Epidemiologie, und Dr. Maike Wolters aus der Fachgruppe Verhalten und Gesundheit, ein innovatives Studiendesign.

Reduktion der Feinstaubkonzentration verbessert Blutdruck und der Glukosestoffwechsel

Basierend auf der europäischen IDEFICS/I.Family-Kohorte, die seit 2007 Daten zu Lebensstil und Gesundheit von über 16.000 Kindern in acht Ländern erfasst, wurde der Ansatz einer Target Trial Emulation angewendet. „In unserer Studie folgten wir einem Prinzip namens Target Trial Emulation. Zunächst spezifizierten wir eine ideale randomisierte Studie, die unsere Forschungsfrage beantworten könnte. In einem zweiten Schritt ahmten wir diese ideale Studie so genau wie möglich anhand von Beobachtungsdaten einer großen Kinderkohorte nach. Dadurch lässt sich der mögliche kausale Effekt abschätzen, ohne Kinder tatsächlich einem Risiko auszusetzen“, erklärt Dr. Claudia Börnhorst, Statistikerin am BIPS.

Die Ergebnisse bestätigen: Eine Reduktion der Feinstaubkonzentration (PM2.5) und von Rußpartikeln korreliert mit signifikanten Verbesserungen des Blutdrucks und der Glukosestoffwechsel-Parameter. Damit liefert die Analyse erstmals Belege für einen direkten, kausalen Einfluss von Luftverschmutzung auf metabolische und kardiovaskuläre Risiken im Kindesalter. Nach Einschätzung der Forschenden könnten die Einhaltung der WHO-Grenzwerte für PM2.5 und eine Berücksichtigung zusätzlicher Grenzwerte für Ruß wesentlich dazu beitragen, Prävalenzen von Hypertonie und Frühmarkern des Typ-2-Diabetes zu senken.

Saubere Umwelt als zentraler Faktor für langfristige Prävention chronischer Erkrankungen

„Unsere Studie liefert wichtige wissenschaftliche Belege dafür, dass Luftreinhaltung sowohl den Stoffwechsel als auch das kardiovaskuläre System schützt. Eine saubere Umwelt ist damit ein zentraler Faktor für die langfristige Prävention chronischer Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck – und das bereits im Kindesalter“, betont Rajini Nagrani. Maike Wolters ergänzt: „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse Verantwortliche in der Politik motivieren, die Einhaltung der empfohlenen Grenzwerte für Luftschadstoffe sicherzustellen.“

Die zugrunde liegende IDEFICS/I.Family-Kohorte zählt zu den umfangreichsten europäischen Langzeitstudien zur Kinder- und Jugendgesundheit. Zwischen 2007 und 2014 wurden über 16.000 Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren wiederholt untersucht. Erhoben wurden unter anderem Ernährungs- und Bewegungsdaten, anthropometrische Messungen sowie Blut- und Urinparameter. Die Längsschnittdaten bieten eine einzigartige Grundlage zur Analyse der Wechselwirkungen zwischen Umweltfaktoren und biologischen Gesundheitsmarkern.

Ziel des BIPS ist es, Ursachen von Gesundheitsstörungen zu identifizieren und wissenschaftlich fundierte Strategien zur Krankheitsprävention zu entwickeln. Durch die Kombination von methodischer Innovation und gesellschaftlicher Relevanz trägt das BIPS zur Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebensumwelten und zur evidenzbasierten Politikberatung bei.

Originalpublikationen:
Rajini Nagrani, Maike Wolters, Christoph Buck, Danielle Vienneau, Kees deHoogh, Stefaan De Henauw, Lauren Lissner, Dénes Molnár, Luis Moreno, Marika Dello Russo, Valeria Pala, Wolfgang Ahrens, Vanessa Didelez, Claudia Börnhorst,Effect of long-term air pollution reduction on insulin resistance and fasting glucose in children: A causal analysis,Environmental Research,2025,122920, ISSN 0013-9351.DOI: 10.1016/j.envres.2025.122920

Maike Wolters, Rajini Nagrani, Nour Naaouf, Stefaan De Henauw, Lauren Lissner, Luis A Moreno, Dénes Molnár, Paola Russo, Tanja Vrijkotte, Wolfgang Ahrens, Claudia Börnhorst on behalf of the IDEFICS/I.Family consortium: Effects of ambient air pollutants and environmental greenness on the incidence of pre /hypertension in children and adolescents. European Journal of Preventive Cardiology 2025, zwaf600. DOI: 10.1093/eurjpc/zwaf600

von Redaktion diabetologie-online
mit Materialien des http://Leibniz-InstitutsfürPräventionsforschungundEpidemiologie–BIPS