Für seine Forschung, durch die der Fettstoffwechsel im Fettgewebe besser verstanden werden soll, wurde Dr. Sebastian Brachs, Leiter des Forschungslabors der Medizinischen Klinik für Endokrinologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, mit der Menarini Projektförderung 2022 der DDG ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 26. Mai im Rahmen des 56. Diabetes Kongresses statt.

Vita des Preisträgers


Dr. rer. nat. Sebastian Brachs ist Forschungslaborleiter an der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er absolvierte sein Diplomstudium in Biologie mit dem Schwerpunkt Zoologie/Parasitologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Anschließend promovierte er an der FAU in der Molekularen Immunologie.

Seine Dissertation trägt den Titel „Untersuchungen zu Funktion des murinen Proteins EFhd2/Swiprosin-1 in der B-Zellentwicklung und Immunantwort in vivo“. Nach der Promotion arbeitete er für ein Jahr als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Molekularen Immunologie der FAU, bevor er 2013 als Postdoktorand in der Endokrinologie an der Charité anfing.

2016 übernahm Herr Dr. Brachs die Position des Forschungslaborleiters im Labor von Prof. Joachim Spranger. Seit Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn konnte er nicht nur an zahlreichen Veröffentlichungen mitwirken, sondern auch seine eigenen Forschungsprojekte erfolgreich publizieren.

Über 30 verschiedene G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) stehen mit der Entwicklung von Adipositas und Diabetes mellitus in Verbindung.[1] Die Erforschung des GLP-1 Rezeptors, der zu den GPCRs zählt, führte bereits zu der Entwicklung von GLP-1-Rezeptor-Analoga. Die Möglichkeit, weitere GPCRs als therapeutischen Ansatz für die Behandlung von starkem Übergewicht und Typ-2-Diabetes zu nutzen, treibt Wissenschaftler:innen weltweit dazu an, die Funktionen der Rezeptoren zu entschlüsseln.

Hierzu gehört auch Dr. rer. nat. Sebastian Brachs des Forschungslabors der Medizinischen Klinik für Endokrinologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Seine Forschung, durch die der Fettstoffwechsel im Fettgewebe besser verstanden werden soll, wurde nun mit der Menarini Projektförderung 2022 ausgezeichnet. Der mit 15.000 € dotierte Förderpreis wird von der Berlin-Chemie AG gestiftet und unabhängig von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) an herausragende Forschungsprojekte mit großer Relevanz für die Diabetes mellitus-Forschung vergeben. Die Preisverleihung fand am 26. Mai im Rahmen des 56. Diabetes Kongresses der DDG statt.

Adipositas und Diabetes – das Duo infernale

In Deutschland ist jeder zweite Erwachsene übergewichtig, jeder vierte sogar adipös – mit steigender Tendenz. Adipositas belastet das Gesundheitssystem wie kaum eine andere Krankheit.[2] Hinzu kommt, dass Adipositas unter anderem ein wichtiger Faktor bei der Diabetesentstehung ist und Betroffene sechs – bis zehnmal so häufig Typ-2-Diabetes wie Normalgewichtige entwickeln. Es ist somit augenscheinlich, dass die Anzahl der Diabetesneuerkrankungen nicht sinken wird, solange die Zunahme der Anzahl adipöser Menschen nicht gebremst werden kann.[3] Im Kampf gegen Übergewicht und somit für die Typ-2-Diabetes-Prävention, ist es von großer Wichtigkeit die Vorgänge im Fettstoffwechsel und dessen Veränderungen bei Adipositas zu verstehen. An genau diesem Punkt setzt das Projekt des Berliner Forschers Dr. Sebastian Brachs an.

Das Geheimnis der schlanken Knockout-Maus

Die Arbeitsgruppe der Charité befasst sich mit dem Fettstoffwechsel und metabolischen Erkrankungen wie Adipositas oder Diabetes mellitus. Dafür arbeiten sie mit speziellen, genetisch veränderten Mäusen (Knockout-Mäuse), bei deren Charakterisierung Brachs ein interessantes Erscheinungsbild entdeckte. Trotz fettiger, Adipositas-fördernder Nahrung nahmen diese Mäuse nicht an Körperfett zu, sondern erhielten ihre schlanke, gesunde Körperform. Was diesen Nagetieren zu ihrem erstaunlichen Erscheinungsbild verhilft, ist der globale Verlust eines G-Protein-gekoppelten Rezeptors, dem sogenannten Gpr146 Rezeptor. Dieser wird normalerweise in der Leber sowie im Fettgewebe stark exprimiert und liegt leicht zugänglich in Membranen vor.[4,5]

Die Berliner Arbeitsgruppe und andere Wissenschaftler:innen haben sich zum Ziel gesetzt, den Gpr146-Bindungspartner zu identifiezieren, den sogenannten Liganden. Trotz großer Bemühungen von Brachs und Kollegen:innen konnte das Rätsel um den Liganden jedoch noch nicht gelöst werden, weshalb Forscher:innen von einem Orphan-Rezeptor, also einem verwaisten Rezeptor sprechen. Inzwischen vermutet Brachs sogar, dass ein Gpr146-Ligand möglicherweise nicht existiert.

Allerdings konnte Brachs bereits vielversprechende Ergebnisse durch die Untersuchung der Gpr146-defizienten Mäuse und von isolierten Adipozyten gewinnen. Hierbei konnte er nicht nur sehen, dass die Mäuse trotz fettreicher Nahrung vor der Verfettung, sondern auch vor Folgeeffekten, die typischerweise durch Fettfutter und Adipositas auftreten, geschützt waren. Zusätzlich wiesen die Mäuse weniger Entzündungsreaktionen im Fettgewebe auf. Dies ist besonders interessant, da Adipositas und Typ-2-Diabetes durch solche inflammatorischen Prozesse begünstigt werden.6 Darüber hinaus beobachtete die Arbeitsgruppe in humanen Daten, dass die Expression des GPR146 Rezeptors im Fettgewebe negativ mit dem BMI korrelierte.

Auf der Basis der bisherigen Forschungsergebnisse stellt Brachs die Hypothese auf, dass der Gpr146 Rezeptor eine Schlüsselfunktion im Fettstoffwechsel einnimmt. Er vermutet weiter, dass der Rezeptor die Aufnahme und Freisetzung von freien Fettsäuren in und aus dem Fettgewebe moduliert. Die genaue Rolle des Gpr146 Rezeptors in Adipozyten und bei der Entstehung von Übergewicht soll künftig herausgearbeitet werden, indem der Fettstoffwechsel in Gpr146-defizienten Mäusen im Vergleich zu Wildtyp Mäusen eingehend beleuchtet wird.

Gpr146 Rezeptor – der Schlüssel zur Adipositas-Protektion?

Starke Gewichtszunahme und damit einhergehende inflammatorische Prozesse im Fettgewebe begünstigen die Manifestation von Typ-2-Diabetes. Diese Entzündungsprozesse, die durch metabolischen Stress in Adipozyten entstehen, scheinen bei der Entstehung von Adipositas eine entscheidende Rolle zu spielen.[6]

Sie durch Arzneimittel gezielt zu beeinflussen könnte eine wichtige Stellschraube in der Adipositas- und Diabetes-Prävention sein. Ein Beispiel für die Bedeutung eines GPCR in der Behandlung von Diabetes ist der GLP-1 Rezeptor. Die Erforschung des Rezeptors, und dessen Liganden, führte zu der Entwicklung sehr wirksamer Medikamente (GLP-1-Rezeptor-Analoga) die inzwischen nicht nur als Antidiabetikum sondern auch als Antiadipositum zum Einsatz kommen.[7]

Nun stellt sich die Frage, ob der leicht zugängliche und dadurch therapeutisch vielversprechende Gpr146 Rezeptor ein Ansatzpunkt für die Entwicklung eines neuen Arzneimittels für die Adipositas- und Diabetes-Prävention darstellen könnte. Hierzu ist es nötig ein detaillierteres Verständnis über den Gpr146 Rezeptor und dessen Funktion zu gewinnen. Auch die Identifizierung eines möglichen Gpr146-Liganden könnte bei der Entwicklung eines Medikaments, welches an den Gpr146 Rezeptor binden und somit Einfluss auf den Fettstoffwechsel nehmen könnte, helfen.

Die Untersuchungen von Brachs und der Arbeitsgruppe der Charité könnten in der Zukunft entscheidende Ergebnisse in der Erforschung des Gpr146 Rezeptors und dessen Aufgaben liefern.


Quellen
1. Guido S et al. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2018; 32(2):201-213
2. Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG). Presseinformation. 29.07.2021
3. mls. aerzteblatt.de. 02.03.2021
4. Yu H et al. Cell 2019; 179(6):1276-1288
5. Han F et al. Cell Res 2020;30(4):363-365
6. Zatterale F et al. Front Physiol. 2020; 29(10):1607
7. Geissel W. CME 2021; 18(7-8):11

Quelle: Pressemeldung der Berlin-Chemie AG | Redaktion