Mit welchen Medikamenten läßt sich ein Typ-2-Diabetes am besten und sichersten behandeln? Dr. Gerhard-W. Schmeisl zeigt auf, für wen welche Wirkstoffe sich am besten eigenen.
In der Therapie des Typ-2-Diabetes gilt aufgrund zahlreicher Studien ACCORD, ADVANCE, VADT) nicht mehr das Motto: je niedriger desto besser (z. B. HbA1c-Wert), denn in diesen Studien hat sich gerade bei Patienten die bereits Gefäßveränderungen hatten die Komplikationsrate durch makrovaskulären Schäden im Rahmen einer sehr strengen Blutzuckereinstellung nicht verringert, sondern dramatisch verschlechtert.
Nach wie vor gilt in der Therapie: Die Therapie sollte so früh wie möglich beginnen und es sollten aktuell nur noch Medikamente angesetzt werden, deren Sicherheit gut dokumentiert ist. In Bezug auf den Typ-2-Diabetes bedeutet dies: Weniger Hypoglykämien unter gleichzeitiger Vermeidung einer Gewichtszunahme, besser noch dem Erreichen einer Gewichtsabnahme.
Da der Zusammenhang zwischen einer guten HbA1c-Einstellung und einer deutlichen Reduktion von mikro-und makrovaskulären Komplikationen eindeutig belegt ist (UKPDS, DCCT) gilt auch diese Maxime nach wie vor, jedoch unter Vermeidung der oben genannten Prämissen wie Hypoglykämie und einer weiteren Gewichtzunahme.
Auch zeigte sich, je jünger die Patienten sind, umso eher lohnt sich eine intensivere Einstellung in Bezug auf die makrovaskulären Komplikationen, je älter die Patienten sind und wenn bereits Folgeschäden vorhanden sind, desto vorsichtiger muss die Blutzucker-einstellung erfolgen.
Erkrankungshäufigkeit und Risiken
Nach aktuellen Schätzungen liegt die Diabeteserkrankungshäufigkeit in Deutschland bei über 7 %, im Alter von über 70 Jahren ist sogar jeder 5. daran erkrankt. Im Vergleich zu einer statistischen Untersuchung von 1998 zeigt sich bis heute ein Anstieg der Diabetesprävalenz von 5,2 auf 7,2 %, insbesondere durch die Zunahme des metabolischen Syndroms, verbunden mit Bewegungsmangel, vor allem im Kindes-und Jugendalter, bei gleichzeitigem Anstieg der Lebenserwartung durch die insgesamt bessere Ernährung und die medizinische Versorgung (Impfungen etc.).
Der Diabetes ist jedoch durch das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen wie Augen,- Nieren- und Nervenerkrankungen proprotional mit einer zunehmend schlechteren Blutzucker-einstellung einer der häufigsten Ursachen für Erblindung, Amputation und Niereninsuffizienz. Gleichzeitig steigt mit der Zunahme des Gewichts und den damit verbundenen Begleiterkrankungen wie Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck etc. das Risiko für kardiovaskuläre aber auch für Krebs-Erkrankungen.
Glücklicherweise kam es in den letzten Jahren zu zahlreichen Neuentwicklungen in der Therapie des Typ-2-Diabetes, die nicht mehr automatisch mit einer Gewichtszunahme und einer gesteigerten Hypoglykämie verbunden sind, sondern die erstmals seit Jahrzehnten eine Gewichtsabnahme oder Gewichts- Konstanthaltung bei deutlich niedrigerem Hypoglykämie-Risiko ermöglichen.
Was muss eine moderne Therapie des Typ-2-Diabetes berücksichtigen?
Die Therapiemöglichkeiten sind heute deutlich besser, wobei jeweils die individuelle Lebenssituation berücksichtigt werden muss. Das wichtigste Ziel sollte sein – zumindest für die betreuenden Ärzte, Diabetesberater und Diabetes-assistenten – die Lebensqualität der Betroffenen bezogen auf ihre reale Lebenssituation und die diabetesbezogenen Komplikationen zu verbessern.
Die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie des Typ-2-Diabetes lassen heutzutage zahlreiche neuere Therapieoptionen zu, wobei wir uns primär an der nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) und den Leitlinien der DDG als oberstem Konzept in Deutschland orientieren. Aufgrund von evidenzbasierten Outcome-Daten ist dieses sehr differenzierte bzw. auch differente Vorgehen wie es von verschiedenen Interessengruppen in Deutschland praktiziert wird auch durchaus möglich.
Zu fordern sind aber nach wie vor vernünftige Endpunktstudien, die der Komplexität der Erkrankung des Typ-2-Diabetes bzw. des metabolischen Syndroms gerecht werden und langfristig das Risiko für Komplikationen des Typ-2-Diabetes vermindern.
Bei der Therapie älterer Patienten sollte der Sicherheitsaspekt unter gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität eindeutig im Vordergrund stehen. Da heutzutage auch viele ältere Patienten noch am Straßenverkehr teilnehmen und Auto fahren, ist auch die Hypoglykämie-Wahrscheinlichkeit und das Risiko beim Führen von Fahrzeugen unbedingt zu berücksichtigen. Die Auswahl der Antidiabetika muss sich danach richten, um schwere Hypoglykämien mit der akuten Gefahr eines Unfalls und auch kardiovaskulärer Ereignisse zu vermeiden.
Deshalb sollte jede neue Therapie, aber auch jede Änderung einer einschneidenden Therapie bei Typ-2-Diabetikern mit einer Schulung und ausführlichem Training verbunden sein. Im Rahmen dieser Schulung nebst der entsprechenden Nutzen-und Risikoabwägung sollten auch gemeinsame Therapieziele festgelegt werden unter Beachtung der bereits vorhandenen Begleiterkrankungen bzw. vorhandenen Folgeschäden.
Nicht-medikamentöse Therapie-Ansätze
Von den in Deutschland aktuell etwa 6 – 7 Millionen Menschen mit Diabetes sind etwa 90 % Typ-2-Diabetiker, jährlich kommen etwa 270 000 – 300 000 Neuerkrankungen hinzu. Lebensstiländerungen spielen bis heute in der Therapie des übergewichtigen Typ-2-Diabetes die entscheidende Rolle, da er sich in der Mehrzahl der Fälle aus dem metabolischen Syndrom entwickelt hat.
Neuere Studien allerdings zeigen auch, dass Hormone und auch eine gewisse genetische Anlage eine viel stärkere Rolle spielen können. So zeigte sich auch in einer bundesweiten Studie basierend auf dem Tübinger-Lebensstil-Interventionsprogramm (TULIP), dass manche Patienten nicht oder weniger gut als andere auf Lebensstiländerungen reagieren. Genetische Aspekte, die die Insulinresistenz betreffen, aber auch defekte Hormone des Bauchfetts (viscerales Fett) wie z. B. Leptin, Adiponektin und Fetuin A spielen dabei eine Rolle.
Eine moderne medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes muss die Gewichtsentwicklung und das Hypoglykämie-Risiko von Anfang an berücksichtigen. Dies unterstreicht auch wieder die Komplexität des Krankheitsbildes Diabetes Typ 2, dessen genaue Ursachen wir z.T. ja immer noch nicht abschließend verstehen.
Aktuelle Informationen zu einigen Medikamenten der Therapie des Typ-2-Diabetes
Metformin
Die wesentlichen Vorteile sind neben der reduzierten Mortalität (in der UKPD-Studie), das fehlende Hypoglykämierisiko, die Gewichtsabnahme sowie positive Einflüsse auf das Lipid-Profil. Metformin ist nicht nur bei adipösen Diabetiker Typ 2 (und auch Typ 1) effektiv, sondern auch bei rein adipösen Patienten und es scheint die Krebssterblichkeit bei Menschen mit Diabetes zu senken.
Kontraindikationen sind immer noch Zustände mit ausgeprägten Hypoxien, schweren Leber -Erkrankungen und Situationen, die eine metabolische Azidose begünstigen (z. B. Fasten, Operationen, Intensivstation, Schock etc.)
Kontrastmittel und Metformin
Patienten mit Diabetes Typ 2 kommen relativ häufig in eine Situation, in der sie mittels eines Katheters unter Verwendung von Kontrastmitteln untersucht werden müssen (z. B. Herzkatheter bei Verdacht auf Coronarstenosen, Katheterisierung bei Verdacht auf Stenosen der Beinarterien, z. B. bei pAVK).
Nach der aktuellen „Nationalen Versorgungsleitlinie“ (NVL) ist das Pausieren der Metformin-Therapie vor einer geplanten Kontrastmittelgabe gelockert – eine Unterbrechung der Therapie ab dem Untersuchungstag wird als ausreichend angesehen. Die erneute Gabe ist möglich, wenn keine Hinweise mehr auf eine Funktionseinschränkung der Nieren bestehen. Auch Notfall-Operationen können unter Metformin vorgenommen werden – sie stellen keine absolute Kontraindikationen mehr dar.
Niereninsuffizienz und Metformin
Seit Dezember 2014 wurde laut Fach-Informationen zu Glucophage (Metformin, Fa. Merck) der Einsatz bei Nierensinsuffizienz geändert. Ab jetzt ist der Einsatz von Metformin auch bei Diabetikern mit einer mäßig eingeschränkten Nierenfunktion (Stad.3 = Kreatinin-Clearance von 45 – 59 ml/Min oder GFR von 45 – 59 ml/Min/1,73 m²) möglich – eine Dosisreduktion ist aber erforderlich z. B. 500 – 850 mg 1x bis max. 1000 mg tägl. (dann 2x 500 mg). Eine engmaschige Überwachung der Nierenfunktion ist ebenfalls erforderlich (alle 3-6 Monate). Formal gilt dies bisher nur für das Präparat Glucophage/Merck, nicht für andere Biguanide.
Nach wie vor ist es bei Patienten mit einer ausgeprägten Herzinsuffizienz (NYHA III oder IV) kontraindiziert. Bei Patienten mit leichter Herzinsuffizienz (NYHA I-II) ist wegen nachgewiesener positiver Effekte der Einsatz aber durchaus sinnvoll und sollte deshalb den Betroffenen nicht vorenthalten werden!
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Sulfonylharnstoffe
Die Sulfonylharnstoffe wurden bekannterweise bereits in den 1930iger Jahren als Bakteriostatika entdeckt, wobei als Nebenwirkung eine leichte Hypoglykämie beobachtet wurde. Sie haben über Jahrzehnte bis heute die Therapie des Typ-2-Diabetes dominiert, wenn auch zahlreiche unerwünschte Nebeneffekte bis hin zu schweren Hypoglykämien, gehäuften cardiovaskulären Komplikationen diskutiert und insbesondere eine Gewichtszunahme zu verzeichnen ist. Des Weiteren zeigte sich früh eine Tachyphylaxie, was sich im „Spätversagen“ der Substanzen manchmal schon relativ früh in der Therapie des Typ-2-Diabetes zeigte.
Die Sulfonylharnstoffe waren bei der Therapie des relativ schlanken Typ-2-Diabetikers durchaus sinnvoll. Auf Grund der Hypoglykämieneigung (Beta-trope Substanzen!) und der damit oft verbundenen erhöhten Nahrungsaufnahme ist und war dies für übergewichtige Patienten jedoch nicht sehr sinnvoll, da dies zu einer weiteren Gewichtzunahme der Typ-2-Diabetiker führt. Zahlreiche Studien (ACCORD, ADVANCE, VADT) haben bekannterweise gezeigt, dass Hypoglykämien eine sehr negative Rolle insbesondere bezüglich des weiteren kardiovaskulären Verlaufs bei Patienten mit Typ-2-Diabetes spielen.
Gerade unter diesem Aspekt ist die Therapie mit Sulfonylharnstoffen heute mehr oder weniger obsolet, obwohl sie in der nationalen Versorgungsleitlinie immer noch empfohlen wird.
Wenn eine Therapie mit Sulfonylharnstoffen heute noch durchgeführt wird, sollte sie nur noch mit einem Sulfonylharnstoff der 3-.Generation wie z. B. Glimepirid in einer niedrigen Dosierung z. B. 1 mg morgens durchgeführt werden.
Prof. Dr. H. Mehnert, der Nestor der Diabetologie in Deutschland hatte dies in einem seiner letzten Fachartikel ebenfalls betont und quasi gefragt, ob heutzutage noch ein Arzt seiner eigenen Frau oder seinen Eltern einen Sulfonylharnstoff guten Gewissens verschreiben würde?! – Die Antwort, denke ich, ist klar! Alle Sulfonylharnstoffe sind im Vergleich mit Metformin mit einer erhöhten cardiovaskulären Mortalität assoziiert, Unterschiede zwischen den einzelnen Sulfonylharnstoffen scheint es diesbezüglich nicht zu geben.
Glinide
Glinide werden fast ausschließlich hepatisch eliminiert, weshalb sie auch bei (mäßiger) Niereninsuffizienz eingesetzt werden können – dies ist aktuell noch ihre „Niesche“ – ansonsten spielen sie mengenmäßig in der Therapie des Typ-2-Diabetes keine Rolle mehr. Wegen ihres Ausscheidungsmodus sind sie aber bei einer schweren Leberinsuffizienz kontraindiziert.
Glitazon
Pioglitazon ist gegenwärtig noch das einzige zugelassene Glitazon in Deutschland. Ein erhöhtes Risiko für Knochenfrakturen und evtl. eine erhöhte Blasenkarzinom –Inzidenz, sowie eine erhöhte Inzidenz von Herzinfarkten haben dazu geführt, dass bereits 2010 Glitazone von der Verordnungsfähigkeit der GKV ausgeschlossen wurden.
GLP-1-Analoga
Das Lixisenatide (Lyxumia) ist bereits wieder vom deutschen Markt verschwunden – neu dagegen ist das Dulaglutide (Trulicity). Trulicity wurde schon vor etwa 1 Jahr in den USA zugelassen und ist auch seit Dezember 2014 in der Europäischen Union und somit auch in Deutschland erhältlich. Das Trulicity bewirkt, wie auch die vorherigen GLP-1-Agonisten, eine deutliche Senkung der HbA1c-Werte, eine gleichzeitige Gewichtabnahme und hat kein eigenes Hypoglykämie-Risiko.
Die längere Wirkung des Dulaglutide kommt durch die Kombination von 2 GLP 1 Molekülen mit dem Teil eines „Immunglobulins“ zustande, wodurch es möglich wird, dass diese Substanz sehr langsam und gleichmäßig ins Blut abgegeben wird. Dulaglutide wird mit einem sofort gebrauchsfertigen Pen, bei dem die Nadel (5mm) nicht zu sehen ist, im Bereich des Bauches oder des Oberschenkels injiziert - in der Regel in einer Dosis von 1,5 mg. Der Start mit einer reduzierten Dosis von 0,75 mg ist grundsätzlich (Monotherapie) möglich.
Ergänzung zur bisherigen Therapie
Das Trulicity kann als Ergänzung zur bisherigen Therapie mit oralen Antidiabetika sowohl mit Metformin als auch mit SGLT-2 Hemmern, aber auch mit Insulin kombiniert werden. Als Nebenwirkung kann es wie bei den anderen GLP-1-Analoga auch zu vermehrt Übelkeit, Brechreiz kommen, wobei diese Symptome in der Regel nach Aufsättigung abklingen und schließlich völlig verschwinden.
Die einmalige Gabe eines GLP 1 Analogons in dieser Form hat entscheidende Vorteile in der Therapie des Typ-2-Diabetikers – eine gute Blutzuckereinstellung bei gleichzeitiger Gewichtsabnahme und fehlender Unterzuckerungsgefahr ist so möglich. Der Einsatz besonders bei stark übergewichtigen Typ-2-Diabetikern ist daher sehr sinnvoll, manchmal sogar notwendig.
Fixkombination GLP-1 Analogon mit Basalinsulin (Xultophy)
Der Typ-2-Diabetes ist eine fortschreitende Erkrankung bei dem trotz Lebensstiländerung und der Einnahme von oralen Antidiabetika über die Jahre hinweg eine Verschlechterung der Blutzuckereinstellung zu erwarten ist – Ursache ist ein fortschreitender Untergang der insulinproduzierenden Betazellen (bei Diagnose sind meist nur noch 50 % vorhanden). In diesen Fällen ist eine Anpassung der Therapie insbesondere auch die Gabe eines Insulins erforderlich.
Durch die Kombination des Basalinsulins degludec (Tresiba) und dem GLP1 Analogon Liraglutide (Victoza) in einem Pen zur einmal täglichen Gabe, konnte eine deutlich bessere HBA1c-Senkung bei gleichzeitiger Gewichtsneutralität oder sogar Gewichtreduktion erreicht werden, als nur bei alleiniger Therapie mit einem Insulin. Bei der alleinigen Insulintherapie ist immer die Gefahr einer Gewichtszunahme gegeben, in der Kombination mit einem GLP-1-Analogon, wie in diesem Fall, kann dies meist vermieden werden.
Deutliche Blutzuckersenkung
Wie aus den klinischen Anwendungen ersichtlich, kann gerade unter Beibehaltung von Metformin und der zusätzlichen Gabe von Xultophy eine deutliche Blutzuckersenkung bei gleichzeitiger Gewichtsreduktion erreicht werden. Die Häufigkeit von Unterzuckerungen war unter dieser Kombinationstherapie mit Metformin vergleichbar mit der unter Insulin alleine.
Wenn alle diese Maßnahmen im Rahmen der Eskalation einer Therapie nicht ausreichen und sich die Blutzuckerwerte trotzdem deutlich verschlechtern ist oft eine Insulintherapie nicht mehr zu umgehen (siehe auch Schwerpunktthema Oktober 2015).
Xultophy wird in Dosisschritten, in der Regel beginnend mit 10 Dosisschritten 1x täglich injiziert. Dabei sind in einem Fertigpen maximal 50 IE Insulin degludec (Tresiba) und 1,8 mg Liraglutide (Victoza) enthalten.
1 Dosisschritt = 1 IE Degludec und 0,036 mg Liraglutide (= GLP1 Analogon)
Bei jeder Injektion wird eine kleine Menge Insulin und gleichzeitig eine kleine Menge GLP 1 Analogon gespritzt.
Beispiel: 10 Dosisschritte bedeuten also: 10X 1 IE Tresiba (10 IE) und 10 x 0,036 mg Victoza (0,36 mg)
Zusammenfassung der GLP 1- Analoga
Neue GLP 1 Analoga (= von Darmhormonen abgeleitete Medikamente) helfen insbesondere übergewichtigen Typ-2-Diabetikern dabei, eine bessere Blutzuckereinstellung bei gleichzeitiger Gewichtsabnahme und ohne oder wesentliche Unterzuckerungsgefahr zu erreichen – in der Kombination mit Insulin bei fortgeschrittener Erkrankung. Basis jeder Therapie sollte jedoch weiterhin eine niedrig kalorische Ernährung mit weniger Kohlenhydraten (mehr pflanzliche Fette) und regelmäßiger (= täglicher!) Bewegung sein!
GLP-1 Analogon zur Gewichtsreduktion?!
Liraglutide 3mg (bisheriges Victoza) 1x täglich zu verabreichen, wurde bereits im Dezember 2014 von den Amerikanischen Arzneimittelbehörden (FDA) als „Saxenda“ zur Behandlung von krankhaftem Übergewicht (= Adipositas) zugelassen – mittlerweile ist dieses Medikamente auch in der EU erhältlich. Ob und wann es in Deutschland zu erhalten ist steht wohl noch nicht fest.
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Insulintherapie
Nach den Leitlinien der Deutschen Diabetesgesellschaft ist eine Insulintherapie des Typ-2-Diabetikers zu jeder Zeit im Stufenschema möglich bzw. sinnvoll (s.Tab.) entweder in Kombination mit oralen Antidiabetika oder auch aktuell mit inkretinbasierten Medikamenten. Eine rechtzeitige (manchmal auch frühzeitige) Insulintherapie trägt dabei auch der Tatsache Rechnung, dass zum Zeitpunkt der Diagnose bereits mehr als die Hälfte der β-Zellen zerstört wurden (Apoptose).
Die Auswahl des Insulins bzw. des Insulinschemas, das verwendet wird, sollte sich primär an pathogenetischen Gesichtspunkten (↑Nüchtern- BZ, ↑postprandiale Werte) insbesondere aber an den Bedürfnissen und Wünschen (Möglichkeiten) des Patienten orientieren. Die Kombination mit oralen Antidiabetika bzw. auch Inkretinanaloga hilft dabei oft Insulin einzusparen – damit sinken meist auch das Risiko für eine Gewichtszunahme und die Hypoglykämie- Wahrscheinlichkeit – ein wichtiges Therapieziel!
Insulin degludec (Tresiba)
Eine sicher gerade auch für Typ-2-Diabetiker sinnvolle Therapieoption war das neue Tresiba (Insulin degludec), das ein sehr flaches Wirkprofil ermöglichte und so das Risiko für Hypoglykämien reduzieren half – besonders auch für nächtliche Hypoglykämien. Es hat eine im Vergleich zum Insulin glargin (Lantus/ bzw. Abasaglar) doppelt so lange Halbwertzeit und eine Wirkdauer von mehr als 42 Stunden.
Auch die täglich einmalige Gabe zu völlig unterschiedlichen Zeiten machte es gerade für Typ-2-Diabetiker sehr nützlich und sinnvoll. Leider ist es schon wieder vom deutschen Markt verschwunden (nur noch im Kombipräparat Xultophy enthalten).
Neuere Insuline mit höherer Insulinkonzentration (U200, U300) – Insulin Glargin U300 (Toujeo), Humalog/Liprolog U200
Seit kurzem ist das Insulin Glargin (bisher Lantus) in einer höheren Konzentration U300 als Toujeo mit 300 Einheiten Insulin pro ml im Handel. Aufgrund der Studien und ersten klinischen Anwendungen scheint Toujeo, das mit einem Fertigpen zur Vermeidung von Verwechslungen erhältlich ist, ein geringeres Hypoglykämie-Risiko gegenüber Lantus zu haben. Außerdem scheint es ein stabileres Wirkprofil zu haben – unter Lantus gibt es relativ oft innerhalb ein und desselben Individuums tageszeitliche Schwankungen der Insulinwirkung, so dass ein und dieselbe Dosis oft unterschiedlich wirkt.
Ansonsten zeigen die bisherigen Untersuchungen keinen wesentlichen Unterschied zum bisherigen Glargin. Im Alltag wird sich zeigen, ob die höhere Konzentration von Glargin im Vergleich zum bisherigen Lantus für eine Verbesserung der Blutzuckereinstellung sorgt und auch zu einer Reduktion des tatsächlichen Hypoglykämie-Risikos insbesondere bei Typ-2-Diabetikern führt.
Für Diabetiker, die hohe Insulindosen benötigen gibt es jetzt als Kurzzeit-Analoginsulin Humalog U200 bzw. Liprolog U200. Heißt: In 1 ml sind nicht wie bisher 100IE Insulin, sondern 200IE. Es gibt das Insulin ausschließlich in Fertigpens – die zu spritzenden Einheiten werden direkt am Pen eingestellt – es darf nicht umgerechnet werden! Das zu spitzende Volumen (= Menge) hat sich dadurch halbiert. Dies soll zu einer besseren Resorption und Aufnahme ins Gewebe führen.
Biosimilar Insulin Glargin (Abasaglar)
Im September 2014 erhielt Abasaglar die europäische Zulassung, die auf einem umfangreichen Studienprogramm bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes beruht. Mit Abasaglar ist das erste „Biosimilar Insulin“ in Deutschland auf dem Markt.
Bei diesem „High-Tech-Produkt“ handelt es sich um das Insulin Glargin (bisher von der Firma Sanofi Aventis als Lantus vertrieben), das in einem aufwendigen Prozess anders hergestellt wird und am Ende vergleichbare Eigenschaften wie das ursprüngliche Insulin Lantus – es ist davon nicht zu unterscheiden. Die Produktion dieses ersten Biosimilar-Insulins wurde möglich, da der „Patentschutz“ für das bisherige Glargin (= Lantus) abgelaufen ist.
Fazit
Die medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes ist mittlerweile sehr komplex geworden. Positiverweise stehen uns für die verschiedenen Krankheits-Phasen des Typ-2-Diabetes auch adäquate Therapien zur Verfügung, die vor allem eine Gewichtszunahme und schwere Hypoglykämien vermeiden helfen. Begleiterkrankungen, aber auch sich ständig ändernde Lebensumstände machen eine stetige Anpassung gerade bei Älteren notwendig. Auch wenn die Therapien teurer geworden sind, sie sind sicherer und damit auch besser.
Individualität zu berücksichtigen, ist Programm für alle Health-Care-Professionals!
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (11) Seite 43-48
