In einer Machbarkeitsstudie der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) zeigte sich, dass Online-Therapien als Alternative zur Präsenztherapie sowohl von den Patienten als auch von den Therapeuten positiv bewertet wird.

Wie alle Ärzte können und wollen auch Psychotherapeuten ihre Patienten in der Corona-Pandemie nicht allein lassen. Gleichzeitig sollen persönliche Kontakte jedoch minimiert werden, um Patienten wie Behandler vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen. Als Lösung für dieses Dilemma bieten sich Videokonsultationen an, für die Therapeut und Patient über einen Online-Videodienst zusammengeschaltet werden.

Bisherige, meist internationale Erfahrungen mit diesem Therapiemodus seien durchaus positiv, teilt die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) mit. Auch eine deutsche Machbarkeitsstudie zeigt nun, dass Patienten und Therapeuten mit der Videokonsultation mehrheitlich zufrieden sind.

Räumliche Distanz spielte schnell keine Rolle mehr

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte PROVIDE-Projekt wurde schon 2016, also lange vor dem Corona-Ausbruch initiiert. „Damals stellte sich die Frage, ob Videokonsultationen dazu beitragen können, die Breitenversorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen zu verbessern“, sagt Dr. med. M.Sc. Psych. Markus Haun von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik des Universitätsklinikums Heidelberg, der das PROVIDE-Projekt leitet.

Im Rahmen des Projekts erhalten Patienten, die wegen Depressionen oder Angststörungen ihren Hausarzt aufsuchen, das Angebot, die psychotherapeutische Behandlung in der vertrauten Hausarztpraxis wahrzunehmen – durch Zuschaltung eines mit der Praxis kooperierenden Therapeuten. So soll ein niederschwelliges Angebot geschaffen werden, das dem Patienten zusätzliche Wege und die Umstellung auf fremde Räumlichkeiten erspart.

In studienbegleitenden Interviews gaben alle 20 befragten Patienten an, die therapeutische Beziehung sei positiv und hilfreich. Nur fünf von ihnen werteten die fehlende persönliche Interaktion als Nachteil, andere empfanden es dagegen sogar als einfacher oder angenehmer, sich im Gespräch über Video zu öffnen. Auch die Therapeuten sahen die Videokonsultationen als praxistauglich und gut durchführbar an, jedoch auch als anstrengender als den Kontakt von Angesicht zu Angesicht.

„Trotz anfänglicher Skepsis hatten die drei Studientherapeuten letztlich keine Probleme damit, eine tragfähige therapeutische Beziehung mit ihren Patienten aufzubauen“, resümiert Haun. Auch für viele Patienten habe die räumliche Distanz bereits nach kurzer Zeit keine Rolle mehr gespielt und es habe sich sogar ein Gefühl der Präsenz eingestellt.

Eine wichtige Alternative zur Präsenztherapie

Über die Wirksamkeit der videobasierten Therapie erlaubt die PROVIDE-Studie selbst keine Aussage. „In anderen Studien, die die per Video durchgeführte Psychotherapie mit der klassischen Therapie von Angesicht zu Angesicht vergleichen, konnten jedoch keine statistisch bedeutsamen Unterschiede gefunden werden“, sagt Haun und verweist auf aktuelle Übersichtsarbeiten zum Thema. Therapieerfolg und Symptomreduktion seien hier durchaus vergleichbar.

Die größte Schwierigkeit bei der Online-Therapie scheint somit technischer Natur zu sein: Übereinstimmend empfanden Patienten wie Therapeuten Störungen der Bild- und Tonübertragung als wesentlichen Nachteil; die Stabilität der Internetverbindung war daher auch Gegenstand der meisten Verbesserungsvorschläge.

„Insgesamt ist aber bereits jetzt eine hohe Bildqualität bei vergleichsweise stabiler Konnektivität möglich“, so Haun – und es sei anzunehmen, dass die Verbindungsqualität durch den Breitbandausbau und die fortschreitende technologische Entwicklung noch zunehme. Der Heidelberger Mediziner ist daher überzeugt, dass Videokonsultationen auch nach der Corona-Pandemie eine wichtige Alternative zur Präsenztherapie bleiben werden. Gerade in der Routineversorgung von mobilitätseingeschränkten Patienten oder Menschen in ländlichen Gebieten biete sich der Einsatz der neuen Technik auch außerhalb von Krisenzeiten an.

Auch Professor Dr. med. Harald Gündel, Mediensprecher der DGPM aus Ulm, sieht Vorteile der Videotherapie: „Gerade unter besonderen Rahmenbedingungen und bei speziellen Behandlungskonstellationen gibt uns die digitale Konsultation die Möglichkeit, Patienten auch über größere Distanzen hinweg zu betreuen – sei es, weil der entsprechende Experte nicht am Wohnort des Patienten sitzt oder weil der Patient Probleme hat, das Haus zu verlassen.“

Die unmittelbare Begegnung von Arzt und Patient ist für die Psychotherapie dennoch von zentraler Bedeutung, die Videosprechstunde könnte in Zukunft aber häufiger eingesetzt werden, um eine umfassende psychotherapeutische Betreuung zu gewährleisten. Im PROVIDE-Projekt läuft derzeit eine große Wirksamkeitsstudie, welche prüft, ob auch multimorbide, körperlich schwer erkrankte Patienten, die sich mit Depression und/oder Angst direkt in der Hausarztpraxis vorstellen, im Rahmen von Videokonsultationen mit Psychotherapeuten einen besseren Zugang zur Psychotherapie bekommen, als in der üblichen Versorgung.


Literatur:


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM)