Jedes siebte Kind in Deutschland ist zu dick. Das zeigt die neue Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS), die das Robert Koch-Institut im März in Berlin vorgestellt hat. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) fordert hier die Politik weiter zum Handeln auf.

Übergewicht und Adipositas bei Heranwachsenden in Deutschland haben sich auf hohem Niveau stabilisiert. Das bestätigen die Daten aus der zweiten Folgeerhebung der Studie (KiGGS Welle 2, 2014 bis 2017), die erneut das Gewicht von Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren untersucht hat.

Über 15,4 Prozent sind übergewichtig, rund 6 Prozent sogar adipös

Dabei zeigte sich: Über 15,4 Prozent der jungen Menschen sind übergewichtig, rund 5,9 Prozent sogar adipös. Zwar gibt es hier keine Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, erklären die Studienautoren, doch steigt die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas an, sobald die Kids älter werden. Bei den 3- bis 6-jährigen Mädchen liegt der Anteil übergewichtiger Kinder noch bei 10,8 % und bei den Jungen bei 7,3 %. Im Jugendalter klettert dieser Wert aber auf 16,2 % bei den 14- bis 17-jährigen Mädchen bzw. auf 18,5 % bei den gleichaltrigen Jungen.

Adipositas haben 3,2 % der 3- bis 6-jährigen Mädchen und 1,0 % der Jungen dieser Altersgruppe. Auch diese Zahlen steigen im Lebensverlauf weiter an: auf 7,7 % bei den 14- bis 17-jährigen Mädchen bzw. auf 9,2 % bei den Jungen (siehe Tabellen).

Ein sozialer Aspekt macht Ernährungsexperten dabei schon seit längerem Sorgen: Mädchen und Jungen aus benachteiligten Familien bringen nach wie vor sehr viel häufiger Übergewicht und Adipositas als Gleichaltrige mit hohem sozialen Status mit. Heranwachsende aus bildungsfernen Schichten sind rund viermal so häufig von Adipositas betroffen als sozial besser gestellte Kids, so die KiGGS-Studie.

Hänseleien und Mobbing mindern Lebensqualität

Die Prävention der übermäßigen Gewichtszunahme bei Kindern und Jugendlichen ist politisch hochrelevant: Kinder mit Übergewicht und Adipositas haben im Vergleich zu normalgewichtigen Gleichaltrigen häufiger Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie erhöhten Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen und Störungen des Glukosestoffwechsels.

Darüber hinaus ist ein hoher Body Mass Index (BMI) im Kindes- und Jugendalter mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Erwachsenenalter verbunden. Übergewicht und Adipositas bei jungen Menschen reduzieren zudem die Lebensqualität erheblich und erhöhen das Risiko für Mobbing.

Fakten politisch umsetzen!

Die Ergebnisse der KiGGS-Studie liefern wichtige Ausgangspunkte für die Politik, um etwa gezielt Aktivitäten zur Förderung der Kindergesundheit planen zu können. Ein Beispiel für die praktische Umsetzung früherer Erkenntnisse aus der Erhebung ist die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen zum Kinderuntersuchungsprogramm, die im Präventionsgesetz verankert wurden.

Die Langzeitstudie ist Bestandteil des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut. KiGGS beobachtet die gesundheitliche Situation der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen und begleitet sie bis ins Erwachsenenalter. Die Datenerhebungen erfolgen in Wellen, was Aussagen zu Trends in der gesundheitlichen Versorgung ermöglicht.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen als "komplexes und multidimensionales Problem". Maßnahmen zu individuellen Verhaltensänderungen helfen demnach nur begrenzt. "Vielmehr sollten verhältnispräventive Ansätze, die bei der Veränderung des zunehmend Übergewicht und Adipositas begünstigenden Lebensumfeldes ansetzen, durchgeführt und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden", schreiben die Autoren. Dafür macht sich auch die DDG seit langem stark.

Ungesunde Lebensmittel höher besteuern

Für die Fachgesellschaft längst überfällig ist z.B. ein gestuftes Mehrwertsteuersystem für Lebensmittel. Ungesunde Produkte mit hohem Anteil an Zucker, Fett und Salz als auch süße Softdrinks sollten mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegt werden – gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse hingegen von der Mehrwertsteuer befreit (wir berichteten). Für sinnvoll hält die DDG auch eine zusätzliche Besteuerung von Softdrinks mit 28 Prozent Mehrwertsteuer.

Neue Softdrinks-Abgabe in England

Großbritannien macht es da vor: Seit April wird dort auf Softdrinks eine Herstellerabgabe erhoben. Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), der auch die DDG angehört, fordert eine ähnliche Regelung für Deutschland. "Wir dürfen nicht weiter zusehen, wie durch überzuckerte Produkte die Gesundheit unserer Kinder gefährdet wird. Und das gilt nicht nur für Softdrinks", sagt der Kinder-und Jugendarzt PD Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.

Die britische Softdrink-Abgabe liegt bei 18 Pence (20 Cent) pro Liter, wenn das Getränk 5 g oder mehr Zucker pro 100 ml enthält. Ab 8 g Zucker steigt sie auf 28 Pence (32 Cent). Nach Angaben der Deutschen Diabetes Gesellschaft wirkt diese Maßnahme schon im Vorfeld: Mehrere Hersteller senkten deutlich den Zuckergehalt in ihren Produkten.

Dass eine Abgabe auch den Konsum bremst, zeigt das Beispiel aus Berkeley (Kalifornien), wo es diese Abgabe bereits gibt, erklärt die DDG. Der Absatz von Softdrinks sank dort um bis zu 21 %. In Deutschland liegt der Konsum von Softdrinks hingegen weiter auf hohem Niveau, kritisiert die Gesellschaft.



Autorin: Angela Monecke
Redaktion Diabetes-Forum, Kirchheim-Verlag
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2018; 30 (5) Seite 6-7