Gestationsdiabetes wird oft zu spät erkannt. Neue Leitlinien empfehlen nun ein Screening bereits im ersten Trimenon. Moderne Diagnostik mit Ultraschall und Glukosetoleranztest soll Komplikationen für Mutter und Kind frühzeitig verhindern.

In Deutschland ist etwa jede siebte Schwangere von einem Gestationsdiabetes mellitus (GDM) betroffen. Bislang erfolgte das Screening routinemäßig zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche (SSW). Doch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass dieses Zeitfenster häufig zu spät kommt, um Risiken für Mutter und Kind effektiv zu minimieren. Eine neue Ergänzung zur S2e-Leitlinie „Ersttrimester Diagnostik und Therapie @ 11-13+6 Schwangerschaftswochen“ empfiehlt daher eine frühzeitige Diagnostik bereits zwischen der 11. und 13+6 SSW. Federführend bei der Überarbeitung waren die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) sowie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG).

Gestationsdiabetes entsteht häufig bereits zu Beginn der Schwangerschaft

Laut Professor Dr. med. Constantin von Kaisenberg, Leitlinienbeauftragter der DEGUM und Hauptautor, gehört der Gestationsdiabetes zu den häufigsten Komplikationen während der Schwangerschaft. Er betont, dass es sich dabei nicht um eine Spätkomplikation handelt, sondern dass diese häufig bereits zu Beginn der Schwangerschaft entsteht. Deshalb sei das Amendment der Leitlinie notwendig gewesen. Mit modernen Screeningmethoden, die Risikofaktoren gezielt beleuchten, ergänzt durch Ultraschall und den oralen Glukosetoleranztest (oGTT) in Risikogruppen, könne eine Population identifiziert werden, die von einer frühen Intervention profitiere. Der Wechsel des diagnostischen Zeitpunkts von der 24.–28. SSW auf die 11.–13+6 SSW stelle einen Paradigmenwechsel in der Therapie des GDM dar.

Durch die Integration des Screenings auf Gestationsdiabetes in das etablierte Ersttrimester-Screening wird es möglich, neben Fehlbildungen, Chromosomenstörungen, Präeklampsie und Wachstumsrestriktionen frühzeitig ein weiteres zentrales Risiko – den GDM – zu erkennen. Prof. Dr. von Kaisenberg erklärt dazu, dass Patientinnen sehr von einer frühen Intervention profitieren. Diese umfasse eine Diät, die Anleitung zu körperlicher Aktivität, ein Glukoseselbstmonitoring sowie gegebenenfalls die Gabe von Insulin bereits am Ende des ersten Trimenons.

Er betont zudem, dass in Hochrisikogruppen die Häufigkeit eines extrem großen und schweren Neugeborenen (Makrosomie) halbiert werden könne. Auch Atemprobleme, die bei Neugeborenen von Müttern mit Gestationsdiabetes häufig auftreten, ließen sich durch gezielte Intervention um die Hälfte reduzieren. Besonders im Fokus stehen dabei Schwangere mit Risikofaktoren wie Übergewicht, familiärer Diabetesbelastung oder vorangegangenen Geburtskomplikationen. Für diese Gruppen empfiehlt die Leitlinie, den oGTT bereits zwischen der 11. und 13+6 SSW durchzuführen. Bei diesem Test trinkt die Schwangere eine 75g-Zuckerlösung, woraufhin drei Blutzuckermessungen erfolgen. Ziel ist es herauszufinden, wie gut der Körper der Schwangeren mit der Zuckerbelastung umgehen kann – ein zentraler Indikator für das Vorliegen eines GDM.

Früherkennung senkt gesundheitliches Risiko für Mutter und Kind

Prof. Dr. von Kaisenberg unterstreicht, dass Früherkennung der Schlüssel zur Prävention sei. Studien zeigten, dass bei einer Diagnose und Behandlung vor der 14. SSW das Risiko für Komplikationen wie Kaiserschnitt, Frühgeburt, Schulterdystokie oder Atemnotsyndrom des Neugeborenen deutlich reduziert werde. Auch das Risiko, dass Mutter oder Kind später an einem Typ-2-Diabetes erkranken, werde durch eine frühzeitige Therapie erheblich gesenkt.

Die DEGUM fordert deshalb, die Rolle des Ultraschalls in der Frühschwangerschaft weiter zu stärken und das Screening auf Gestationsdiabetes verbindlich im Ersttrimester-Screening zu verankern. Prof. Dr. von Kaisenberg unterstreicht, dass der Ultraschall nicht nur sicher und schmerzfrei sei, sondern ein sehr aussagefähiges Instrument für die individuelle Betreuung werdender Mütter darstelle – vorausgesetzt, er werde intelligent eingesetzt. Insbesondere im Zusammenspiel mit modernen Labormethoden und robusten Algorithmen ermögliche er eine Pränatalmedizin auf höchstem Niveau – zum Wohle von Mutter und Kind.


von Redaktion diabetologie-online
mit Materialien der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM)