Der 23. Januar 1922 ist der Auftakt einer medizinhistorischen Erfolgsgeschichte. Leonard Thompson aus Kanada war damals 13 Jahre alt, und er war der erste Patient weltweit, dessen Typ-1-Diabetes erfolgreich mit Insulin behandelt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt kam die Diagnose einem Todesurteil gleich. Heute haben Menschen mit Typ-1-Diabetes eine nahezu gleiche Lebenserwartung wie Menschen mit einem gesunden Stoffwechsel.

Dieser Durchbruch in der Diabetesbehandlung eröffnete neue Lebensperspektiven. Die Diagnose Typ-1-Diabetes wandelte sich von einer Garantie zu sterben in eine chronische Erkrankung mit nahezu normaler Lebenserwartung. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die gemeinnützige Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe hatten vor dem Hintergrund dieses Jubiläums zu einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz eingeladen.

Weitere Behandlungserfolge bei anderen Patienten

Nach dem ersten großen Behandlungserfolg bei Leonard Thompson wurden im Februar 1922 weitere sechs Patienten am Toronto General Hospital mit Insulin behandelt - alle mit guten Ergebnissen. Der neue Extrakt und die ersten Erfolge wurden im Mai desselben Jahres erstmals einer breiten medizinischen Öffentlichkeit beim Kongress der Association of American Physicians in Washington präsentiert.

„Wenn wir bedenken, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Diagnose eines Typ-1-Diabetes gleichbedeutend mit dem sicheren Tod war, kann man ermessen, welche Zäsur die Entdeckung und Etablierung der Insulintherapie in der Medizingeschichte darstellt“, sagt Professor Dr. med. Andreas Neu, Präsident der DDG. Er ist Kinderdiabetologe und kommissarischer Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Tübingen.

Der Fortschritt wächst in rasantem Tempo

Weitere große Fortschritte folgten: 1924 kam die erste Insulinspritze auf den Markt, 1934 das erste Verzögerungsinsulin. Die in den 1950-er Jahren übliche Urinzuckerteststreifen wurden in den 1960-er Jahren durch Blutzuckermessstreifen ergänzt. 1983 wurden erstmals tierische Insuline durch Humaninsuline ersetzt und im gleichen Jahr wurde die erste Insulinpumpe vorgestellt.

„Heute nutzen mehr als 60 Prozent aller Kinder und Jugendlichen eine Insulinpumpe, im Kleinkindesalter sind es mehr als 90 Prozent“, erläutert Neu. Auch der Einsatz moderner Technologien zur Glukosebestimmung nehme rasant zu. Die Kombination von Pumpen und Glukosesensoren zu sogenannten „Hybrid-Closed-Loop“-Systemen seien schon nahe an dem, was die Glukoseregulation bei Gesunden ausmache.

Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft

Auf der Pressekonferenz erläutert Neu, welch rasante Entwicklung der medizinische Fortschritt in der Diabetesbehandlung in den vergangenen hundert Jahren durchlaufen hat. Darüber hinaus erörtert er vor welche Herausforderungen die Stoffwechselerkrankung Typ-1-Diabetes-Patienten und Behandelnde in der Gegenwart stellt sowie auch in Zukunft stellen wird.

„Menschen, insbesondere Kinder und Heranwachsende, sind keine Maschinen, die nach festen Algorithmen funktionieren“, betont der Kinderdiabetologe. Die Diabetestherapie verlange den jungen Patientinnen und Patienten sowie ihren Familien auch heute viel ab. „Daher ist neben Medikamenten und Technologien eine lebenslange Begleitung durch multiprofessionelle Behandlungsteams für den Behandlungserfolg und eine hohe Lebensqualität notwendig!“

Zu den multiprofessionellen Behandlungsteams zählen laut Neu sowohl Ärztinnen und Ärzte, Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater, Diabetesberaterinnen und Diabetesberater, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem psychosozialen Bereich wie Pädagogen und Psychologen.


Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft | diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe | Redaktion