Die DIGIT-HF-Studie liefert erstmals klare Evidenz: Das Herzglykosid Digitoxin, ein Wirkstoff aus rotem Fingerhut, senkt Sterblichkeit und Klinikeinweisungen bei Herzinsuffizienz. Damit könnte das altbekannte Präparat zur festen Therapiesäule werden.
Mit der DIGIT-HF-Studie liegt erstmals ein eindeutiger wissenschaftlicher Nachweis für die Wirksamkeit des Herzglykosids Digitoxin bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz vor. Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben über zehn Jahre hinweg mehr als 1.200 Betroffene mit HFrEF-Diagnose (Heart Failure with Reduced Ejection Fraction) untersucht. Das Ergebnis: Digitoxin verbessert Überleben und senkt Hospitalisierungsraten. Die Ergebnisse wurden im New England Journal of Medicine veröffentlicht und auf dem ESC-Kongress in Madrid vorgestellt.
Historische Substanz, erstmals klar belegt
Digitalis-Präparate, gewonnen aus den Blättern des roten Fingerhuts, werden seit mehr als 200 Jahren zur Behandlung der Herzschwäche eingesetzt. Doch ein methodisch belastbarer Wirknachweis fehlte bislang. „Es ist aber in Deutschland weiterhin das am häufigsten verwendete Digitalispräparat – bisher allerdings ohne einen wissenschaftlich erwiesenen Wirknachweis“, stellt Professor Dr. Udo Bavendiek (im Bild oben links), Oberarzt an der MHH, klar.
Das Forscherteam um Professor Dr. Johann Bauersachs (im Bild oben rechts) und Professor Bavendiek konnte nun erstmals in einer großangelegten, multizentrischen Studie zeigen, dass Digitoxin die Prognose von Patientinnen und Patienten mit reduzierter Auswurffraktion verbessert. „In der DIGIT-HF-Studie haben wir Patientinnen und Patienten untersucht, bei denen die üblichen Therapien ausgereizt sind“, sagt Bauersachs. „Dass wir bei diesen sehr gut vorbehandelten Studienteilnehmenden mit der Digitoxin-Zusatzbehandlung eine so deutliche Verbesserung erzielen konnten, hat uns selbst überrascht.“
Zusatznutzen auch bei eingeschränkter Nierenfunktion
Im Gegensatz zu Digoxin, das überwiegend renal eliminiert wird und bei eingeschränkter Nierenfunktion problematisch sein kann, wird Digitoxin zusätzlich über Leber und Darm ausgeschieden. „Bei Digitoxin liegt der Fall jedoch anders“, erklärt Bavendiek. Dies ermöglicht einen sicheren Einsatz auch bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz – einer häufigen Begleiterkrankung bei HFrEF.
Die Studie widerlegt zudem langjährige Sicherheitsbedenken. „Richtig dosiert ist Digitoxin eine sichere Therapie bei Herzinsuffizienz und eignet sich auch zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern, wenn Beta-Blocker allein nicht ausreichen“, so Bavendiek.
Klinische Relevanz und ökonomischer Vorteil
Neben etablierten Standardtherapien – Beta-Blocker, RAAS-Inhibitoren, Diuretika, SGLT-2-Hemmer sowie implantierbare Defibrillatoren – könnte Digitoxin künftig eine zusätzliche Behandlungsoption darstellen. Besonders hervorzuheben ist der ökonomische Aspekt: Digitoxin ist ein kostengünstiges Generikum. Die Forscher empfehlen eine niedrigere Dosierung als bisher üblich: 0,07 mg täglich oder weniger, statt 0,1 mg. In dieser Dosierung konnte die DIGIT-HF-Studie eine signifikante Reduktion von Sterblichkeit und Hospitalisierungen ohne Sicherheitsprobleme nachweisen.
Rahmenbedingungen und Förderung
Die DIGIT-HF-Studie wurde von der MHH koordiniert und in Zusammenarbeit mit über 50 Zentren in Deutschland, Österreich und Serbien durchgeführt. Beteiligt waren auch das Institut für Biometrie, das Institut für Klinische Pharmakologie und das Zentrum für Klinische Studien (ZKS). Die Finanzierung erfolgte durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (heute: BMFTR), die Braukmann-Wittenberg-Herz-Stiftung sowie die Deutsche Herzstiftung in Höhe von rund sieben Millionen Euro.
Fazit
Mit DIGIT-HF liegt erstmals eine methodisch robuste Evidenz für die Wirksamkeit von Digitoxin bei HFrEF vor. Das Präparat könnte sich – sicher dosiert und breit verfügbar – als zusätzliche Therapieoption in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz etablieren.
von Redaktion diabetologie-online
mit Materialien der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
