Zahlreiche moderne Therapien stehen heute Patienten mit Durchblutungsstörungen zur Verfügung. Doch immer noch kommen diese neuen Verfahren zu wenig zur Anwendung. „Unnötige Amputationen - vor allem bei Diabetikern - sind die Folge“, kritisierte Kongresspräsident Prof. Dr. med. Dierk Scheinert auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) in Leipzig. Er fordert: „Durchblutungsstörungen müssen in Deutschland besser behandelt werden.“ Betroffene Patienten sollten sich umfassend in darauf spezialisierten Kliniken beraten und behandeln lassen.

Durchblutungsstörungen treten im Rahmen vieler Erkrankungen auf. Vor allem bei Diabetes können sie gefährliche Konsequenzen haben. Prof. Scheinert: „Zu hohe Zuckerwerte im Blut schaden den Blutgefäßen. Sie verengen sich und das Blut kann nicht mehr richtig fließen. Vor allem die Füße werden nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt.“ Wird nicht rechtzeitig etwas dagegen unternommen, stirbt der Fuß langsam ab. Eine Amputation wäre der letzte Ausweg.

Bei Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) - umgangssprachlich „Schaufensterkrankheit“ genannt - können Durchblutungsstörungen sogar lebensbedrohlich werden: Oft kommt es zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Eine Amputation der Beine ist ebenfalls keine Seltenheit.

„Angesichts der vielen modernen Therapien, die es heute für Patienten mit Durchblutungsstörungen gibt, ist die hohe Zahl der Amputationen ein Skandal“, betont Prof. Scheinert. Es sei wichtig, zeitnah die Gefäße wieder zu öffnen und die Minderdurchblutung zu beseitigen. Dafür stehen moderne Stents und auch Bypässe zur Verfügung. Ein Stent ist ein Metallgeflecht, das minimal-invasiv im Gefäß platziert werden kann. Ein Bypass wiederum ist eine Art „Umgehungsstraße“ für das verstopfte Gefäß im Körper.

Maden und Fischhaut unterstützen die Wundheilung

Betroffene Patienten sollten sich zeitnah in darauf spezialisierten Kliniken beraten lassen. So könne eine Amputation in den meisten Fällen verhindert werden, ist Prof. Scheinert überzeugt. Weitere Sitzungen auf der DGA-Jahrestagung zur Wundbehandlung und zur besonderen Gefährdung von Menschen mit Diabetes mellitus rundeten dieses Thema ab. „Wundbehandlung mal ganz anders“ - war der Titel einer Session, die sich mit Maden, Fischhaut, Cold-Plasma, Ultraschall und Eigenfett-Transplantation in der Wundtherapie beschäftigte.

Ein wichtiges Thema bei der DGA-Tagung sei auch der „der hochbetagte Gefäßpatient“ gewesen, so Dr. Katja Mühlberg, Oberärztin in der Klinik für Angiologie des Universitätsklinikums Leipzig und Mitglied des Tagungspräsidiums: „Es wurden Möglichkeiten, aber auch Grenzen der medikamentösen und interventionellen Therapieoptionen unter Beachtung der Frailty unserer Patienten sowie unter besonderer Beachtung der psychischen Besonderheiten unserer älteren Patienten beleuchtet.“

Anliegen dieser Tagung ist nach Angaben von Dr. Katja Mühlberg auch gewesen, die zum Teil stiefmütterlich behandelte Lymphologie in den Fokus zu rücken: „Es konnte gezeigt werden, wie wesentlich eine lymphologische Therapie für den Erfolg einer arteriellen Rekanalisation, für den langfristigen Behandlungserfolg eines neuropathischen Fußes, für ein suffizientes Abheilen chronischer Wunden oder für eine effektive Mikrozirkulation ist.“

Gerade die komplexe physikalische Entstauungstherapie spielt für die Betroffenen eine herausragende Rolle. Sitzungen und Workshops behandelten dieses Thema. Voraussetzung zur richtigen Therapie ist die Klassifikation und genaue Einteilung der Beinschwellung mit der Differenzierung Lymphödem-Lipödem.

Experten halten Liposuktion nicht in allen Fällen für sinnvoll

Die Teilnehmer der DGA-Tagung diskutierten kontrovers über die Bestrebungen des Bundesgesundheitsministers Spahn, die Liposuktion allen Lipödem-Patientinnen als gesetzliche Kassenleistung anbieten zu können.

Dr. Katja Mühlberg: „Problematisch bei dieser Erkrankung - und Auslöser der Diskussionen - ist jedoch die Tatsache, dass 75 bis 80 Prozent der Betroffenen eine zusätzliche, manchmal aber auch alleinige Adipositas haben, die nicht mit Liposuktion behandelt werden sollte, sondern eines Wandels des Lebensstils bedarf.“

Die Diagnose Lipödem werde zu oft „missbraucht“, um ungeliebte Fettpolster per Schönheitschirurg loszuwerden. Diese Herangehensweise schade dabei aber den tatsächlich betroffenen Frauen mit ausgeprägtem Lipödem, für die eine Liposuktion die einzige Lösung ihrer Beschwerden verspricht.

Erneut war auch die Diagnostik und Therapie der venösen Thromboembolie ein Schwerpunkt der Tagung. Neue Empfehlungen zur Lungenarterienembolie wurden ebenso heiß diskutiert wie die venöse Katheterbehandlung nach stattgehabter akuter und chronischer tiefer Beinvenenthrombose.

„Alte Zöpfe abschneiden“ - Patienten unter bestimmten Voraussetzungen ambulant behandeln, ist auch der Verweis auf den Weltthrombosetag, der vom Aktionsbündnis Thrombose organisiert wird und erneut am 11. Oktober unter Schirmherrschaft von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Berlin stattfand.



Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA)