Weltweit steigt die Prävalenz des Diabetes mellitus stetig an. Eine der häufigsten und schwerwiegendsten Folgeerkrankungen der Stoffwechselstörung ist eine diabetische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN), die etwa jeden dritten Patienten mit Diabetes betrifft, berichtet Wörwag Pharma in einer Pressemeldung. Empfehlungen für Screening, Diagnose und Management dieser Folgeerkrankung gibt im Folgenden ein Gremium internationaler Experten.

Internationaler Experten-Konsens

„Trotz ihrer gravierenden Auswirkungen auf Morbidität, Mortalität und Lebensqualität wird die diabetische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN) in der Praxis immer noch unzureichend diagnostiziert und behandelt“, beklagt Prof. Dr. med. Dan Ziegler vom Institut für klinische Diabetologie, Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, Deutschland. Unter seiner Leitung habe daher ein internationales Gremium aus 15 Neuropathie-Experten ein Konsensus-Papier mit Empfehlungen entwickelt, die Screening, Diagnose und Management der DSPN in der klinischen Praxis erleichtern sollen. Diese Empfehlungen wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Diabetes Research and Clinical Practice“, dem offiziellen Journal der Internationalen Diabetes Federation (IDF), publiziert. Informationen rund um den Experten-Konsens stehen im Internet unter www.woerwagpharma.com/consensus-conference zur Verfügung.

Schmerzhafte und schmerzfreie DSPN

In der Pressemeldung heißt es weiter: Schmerzen, Parästhesien und Taubheit in den Füßen oder Beinen sind typische Symptome einer DSPN. Durch diese Symptome, aber auch durch Folgekomplikationen wie Fußulzera, beeinträchtigt die Nervenschädigung die Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich. 13 - 26 % der Diabetes-Patienten leiden unter neuropathischen Schmerzen, die als brennend, stechend oder einschießend beschrieben werden. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen verläuft die DSPN hingegen asymptomatisch. Sowohl die schmerzhafte als auch die schmerzlose DSPN sind Prädiktoren für Morbidität und ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Trotz dieser gravierenden Auswirkungen wird die DSPN immer noch unzureichend diagnostiziert und behandelt, erklären die Autoren um Ziegler. Aus diesem Grund haben sich die Neuropathie-Experten aus der EU, dem Vereinigten Königreich, Ost-Europa, Russland, dem mittleren Osten und den USA anlässlich des Welt-Diabetestags 2020 digital getroffen, um Konsensus-Empfehlungen und Algorithmen für das Screening, die Diagnose und das Management der DSPN in der klinischen Praxis zu entwickeln und diese international zu publizieren.

Konsistente Empfehlungen für die Praxis

Nach Meinung der Experten sind Leitlinien wichtig, um die Qualität der medizinischen Versorgung sicher zu stellen. Die bisher existierenden Leitlinien seien allerdings auf die Behandlung der schmerzhaften DSPN oder auf neuropathische Schmerzen im Allgemeinen fokussiert. Außerdem seien die Empfehlungen der Fachgesellschaften zur Pharmakotherapie nicht konsistent. Dies könne zu Verwirrung führen und die Glaubwürdigkeit reduzieren, so die Mediziner.

Der Pressemeldung zufolge untersuchte das Expertengremium in einem strukturierten Prozess klinische Studien und aktuelle Leitlinien. Zudem sei die persönliche Erfahrung der Experten aus ihrer eigenen klinischen Praxis mit eingeflossen. In einem anerkannten Kommunikations-Verfahren, dem Delphi-Prozess, erzielten die Experten schließlich einen Konsens zu den relevanten Fragestellungen für die klinische Praxis, so die Meldung.

Kleine und große Nervenfasern prüfen

Die Experten verweisen darauf, dass die Nervenschädigung meist schon in frühen Stadien des Diabetes gleichzeitig an den kleinen (small fibers) und an den großen Nervenfasern (large fibers) auftrete. Daher sei es wichtig, beide Nervenfasertypen durch geeignete Tests zu untersuchen: die großen Nervenfasern beispielsweise durch Überprüfung des Vibrationsempfindens und die kleinen Fasern über das Schmerzempfinden. Jeder bilateral lokalisierte abnorme Befund im Screening-Test deute auf eine DSPN hin und sollte eine erweiterte Diagnostik nach sich ziehen, betonen die Experten. Wichtig sei außerdem die Anwendung validierter Scores und Fragebögen, um neuropathische Symptome und Defizite zu erfassen und zu bewerten, sowie eine gründliche Differenzialdiagnose.

Drei Grundsteine der Therapie

Beim Management der DSPN verweisen die Experten auf drei Grundsteine:

  1. Die kausale Therapie beinhaltet eine optimale Diabetesbehandlung inklusive einer Lebensstil-Modifikation sowie eine multifaktorielle kardiovaskuläre Risikointervention. In der DCCT/EDIC-Studie wurde für Patienten mit Typ-1-Diabetes nachgewiesen, dass eine intensive Insulintherapie essenziell ist, um einer DSPN vorzubeugen oder ihre Progression aufzuhalten. Für Patienten mit Typ-2-Diabetes gibt es bisher noch keine überzeugende Evidenz, dass eine optimierte Blutzuckereinstellung der Progression der DSPN entgegenwirkt. Trotzdem gilt es als unbestritten, dass diese sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes angestrebt werden sollte.
  2. Um in die multifaktorielle Pathogenese der DSPN einzugreifen, empfehlen die Experten außerdem eine pathogenetisch orientierte Pharmakotherapie. Diese hat zum Ziel, nicht nur die Symptome, sondern auch die neuropathischen Prozesse positiv zu beeinflussen. Für die klinische Anwendung stehen in Deutschland das Antioxidans α-Liponsäure und das fettlösliche Thiamin-Derivat Benfotiamin zur Verfügung. Beide Substanzen konnten in klinischen Studien Symptome der DSPN verbessern und haben auch in der Langzeittherapie ein gutes Sicherheitsprofil.
  3. Den dritten Therapieansatz bildet die symptomatische Behandlung neuropathischer Schmerzen durch eine analgetische Pharmakotherapie mit Antidepressiva, Antikonvulsiva, Opioiden, Capsaicin-Pflaster und Kombinationen, falls erforderlich. Auch nicht-pharmakologische Optionen, wie psychologische Unterstützung, Physiotherapie, transkutane elektrische Nervenstimulation und Akupunktur sollten trotz der relativ geringen Evidenzlage in Betracht gezogen werden, so die Experten.

Mehr Informationen

Die detaillierten Empfehlungen und Algorithmen zu Screening, Diagnose und Therapie der DSPN für die klinische Praxis und weitere Informationen zur Konsensus-Konferenz sind auf www.woerwagpharma.com/consensus-conference nachzulesen.

Die Konsensus-Konferenz wurde von Wörwag Pharma unterstützt. Das Unternehmen aus Böblingen ist Spezialist für die diabetische Neuropathie und engagiert sich weltweit für die Prävention, Früherkennung und Therapie der diabetischen Folgeerkrankung.


Quelle:
Ziegler D, Tesfaye S, Spallone V, Gurieva I, Al Kaabi J, Mankovsky B, Martinka E, Radulian G, Nguyen TK, Stirban AO, Tankova T, Varkonyi T, Freeman R, Kempler P, Boulton AJM. Screening, diagnosis and management of diabetic sensorimotor polyneuropathy in clinical practice: International expert consensus recommendations. Diabetes Res Clin Pract. 2021 Sep 18:109063. doi: 10.1016/j.diabres.2021.109063 . Epub ahead of print.

Quelle: Wörwag Pharma GmbH & Co. KG | Redaktion