Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) ist die Durchblutung der Extremitäten eingeschränkt. Man spricht dann gemeinhin von der Schaufensterkrankheit. Was man aus Sicht des Angiologen dagegen tun kannt, weiß Dr. Lars-Dietrich Köthe.

Schwerpunkt Diabetes und pAVK
Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihrer Erkrankung frühzeitig an Arteriosklerose zu erkranken.Dies betrifft auch die arteriellen Gefäße der unteren Extremität. Als klinische Manifestation zeigt sich die "Schaufensterkrankheit". Das heißt, Patienten müssen wegen belastungsabhängiger Schmerzen aufgrund von Durchblutungsstörungen (Claudicatio) nach einigen Metern stehen bleiben bis wieder genügend Sauerstoff in der Muskulatur vorhanden ist. Dies kann bis zum Ruheschmerz oder gar Absterben von Gewebe führen. Ein weiteres Problem können schlecht heilende Wunden sein.

Das Schwerpunkthema dieser Ausgabe des Diabetes-Forums wird uns aus Sicht unterschiedlicher Fachrichtungen aufbereitet. Der Angiologe Dr. Lars-Dietrich Köthe legt seinen Fokus auf die Diagnostik und nichtoperative Behandlungsoptionen. Dr. Thomas Grube ist Gefäßchirurg und schildert uns operative Eingriffsmöglichkeiten. Dr. Thomas Werner versucht als Diabetologe die Besonderheiten der Erkrankung bei Menschen mit Diabetes darzustellen.

Die pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) wird definiert als eine Einschränkung der Durchblutung der die Extremitäten versorgenden Arterien bzw. seltener der Aorta. Diese kann graduell (durch eine Stenose) oder komplett (Okklusion) sein. Es besteht durch den verminderten Zustrom des sauerstoffbeladenen Blutes ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot im Gebiet hinter der Gefäßenge oder des Gefäßverschlusses.

Dadurch werden die klassischen Symptome der "Schaufensterkrankheit" provoziert. Darunter versteht man die Zunahme der Schmerzen im Bein unter Belastung (gehen, laufen usw.) bei gleichzeitiger Besserung der Schmerzen, wenn der Patient eine Pause macht und die Belastung unterbricht. Weitere Symp-tome können ein Kältegefühl in den Beinen, Missempfindungen, Ruheschmerzen oder auch schlecht heilende Wunden sein.

Ältere Diabetes-Patienten haben ein besonders hohes pAVK-Risiko

Ein Patient mit Diabetes hat ein 3- bis 4-fach erhöhtes Risiko im Laufe seines Lebens eine pAVK zu entwickeln. Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer pAVK steigt mit dem Alter der Patienten mit Diabetes. So haben ca. 29% der Diabetes-Patienten, die über 60 Jahre alt sind eine pAVK. Patienten mit Diabetes und einer pAVK haben ein deutlich erhöhtes Risiko innerhalb der nachfolgenden 5 Jahre durch einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu versterben oder geschädigt zu werden. Zusätzlich erhöht sich das Risiko einer Amputation einer Gliedmaße deutlich.

Daraus wird ersichtlich, dass die rechtzeitige Diagnose einer pAVK insbesondere bei Patienten mit Diabetes von großer Wichtigkeit ist. Das Wissen um das Vorliegen einer pAVK ermöglicht es uns, gemeinsam wirkungsvolle Strategien einzusetzen das Leben der Patienten zu verlängern und sie vor schädigenden Ereignissen zu schützen.

In Studien konnte gezeigt werden, dass durch eine Verbesserung der Blutzuckerstoffwechsellage, durch eine Verbesserung der Blutdruckkontrolle und entsprechende Medikation das Risiko für ein Fortschreiten der pAVK, ebenso wie das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Amputationen reduziert werden konnten.

Korrelation mit sensibler Polyneuropathie erschwert Diagnose

Die Diagnose bei Patienten mit langjährigem Diabetes wird oft erschwert, da zeitgleich eine sensible Polyneuropathie vorliegt. Diese verhindert, dass der Patient die klassischen Schmerzsymptome verspürt. Daher kommt es bei Patienten mit Diabetes mellitus häufiger vor, dass die pAVK erst durch das Vorliegen einer Fußwunde offenbar wird (diabetisches Fußsyndrom).

Auch wenn das diabetische Fußsyndrom in über 50% eine rein neuropathische Komponente hat, muss bei Vorliegen einer Wunde an den Beinen oder Füßen immer eine Gefäßdiagnostik durchgeführt werden. Sollte bei Vorliegen eines diabetischen Fußsydndroms eine Durchblutungsstörung festgestellt werden, muss wenn möglich, eine Wiederherstellung der Durchblutung durch eine Erweiterung der Gefäße (Angiographie mit Ballondilatation) erfolgen, um das Amputationsrisiko zu minimieren und die Wunde zur Abheilung bringen zu können.

Stadieneinteilung nach Fontaine

Die pAVK wird im deutschsprachigen Raum nach Fontaine eingeteilt. Dabei unterscheidet man ein symptomloses Stadium, ein belastungsabhängiges Stadium, ein belastungsunabhängiges Stadium und ein Stadium bei dem Wunden aufgetreten sind (siehe Tab. 1). Bei Patienten mit diabetischer, sensibler Neuropathie können wie bereits erwähnt oftmals die Stadien II und III nicht wahrgenommen werden und erst im Stadium IV zeigt sich das Ausmaß der Erkrankung.

Daher gibt es Vorgaben von den Fachgesellschaften, welche Patienten gezielt auf eine pAVK untersucht werden sollen. Grundsätzlich gilt, dass Menschen über 65 Jahre auf das Vorliegen einer pAVK untersucht werden sollten. Bei Patienten mit Diabetes ist das Alter auf 50 Jahre herabgesetzt. Das bedeutet, dass alle Patienten mit Diabetes mellitus ab 50 Jahre (unabhängig ob Typ 1 oder Typ 2) auf das Vorliegen einer pAVK untersucht werden sollten.

Verschleierung durch diabetische Polyneuropathie

Um eine pAVK festzustellen, ist die erste Maßnahme eine Anamnese zu erheben, bei der die typischen Symptome erfragt werden. Gefolgt von einer körperlichen Untersuchung. Bei der körperlichen Untersuchung werden das Bein und der Fuß bezüglich seiner Temperatur bewertet. Auch hierbei kann eine diabetische Polyneuropathie eine bestehende pAVK verschleiern, da in späteren Stadien der Polyneuropathie auch das autonome Nervensystem geschädigt ist, welches die kleinsten Gefäße in der Endstrombahn steuert. Dadurch kann der Fuß warm und rosig erscheinen, obwohl eine pAVK vorliegt.

Eine weitere Untersuchung ist das Fühlen der Fußpulse. Dabei sucht der Arzt zwei Arterien des Unterschenkels auf und fühlt, ob er mit den Fingern einen Puls tasten kann. Diese Untersuchung ist sehr wichtig und gehört zu jeder körperlichen Untersuchung dazu. Allerdings gibt sie nur Hinweise auf das Vorliegen einer pAVK. Durch diese Untersuchung kann eine pAVK weder diagnostiziert, noch verworfen werden.

Verschlussdruckmessung und ABI-Bestimmung

Zur Untersuchung auf eine pAVK ist die "Verschlussdruckmessung am Unterschenkel" und die "ABI-Bestimmung" (Ankle-Brachial-Index = Knöchel-Arm-Index) das wichtigste Instrument. Durch diese Untersuchung, die auch durch medizinisches Assistenzpersonal professionell durchgeführt werden kann, kann eine pAVK relativ sicher nachgewiesen werden.

Prinzip der Untersuchung ist die Messung des Blutdruckes an den Armen (A. brachialis) und die Messung des Blutdruckes an den Unterschenkeln in den Unterschenkelgefäßen (A. tibialis anterior und A. tibialis posterior). Diese beiden Werte werden zueinander ins Verhältnis gesetzt und geben Auskunft über die Durchblutungssituation im Bein (siehe Abb. 1). Aus dem Quotienten lassen sich Rückschlüsse auf das Ausmaß der Durchblutungsstörung ziehen.

Zu beachten ist, dass die aktuellen Leitlinien zum Screening auf das Vorliegen einer pAVK die Verwendung des niedrigsten, gemessenen Drucks an den Unterschenkelarterien empfehlen. Auch lässt sich eine Mediasklerose, wie sie bei Patienten mit Diabetes oftmals vorliegt, diagnostizieren. Wichtig ist die Differenzierung zur "kritischen Ischämie", da das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tod und Amputation durch die Diagnose "kritische Ischämie" deutlich steigt. Die kritische Ischämie ist bei der ABI-Bestimmung durch einen Quotienten von < 0,5 definiert (siehe Tab. 2).

Goldstandard: Duplexsonographie

Sollte bei der ABI-Bestimmung ein Wert < 0,9 bestimmt werden oder auffallende Flussprofile abgeleitet werden, muss eine weiterführende Diagnostik erfolgen. Der Goldstandard ist die "farbkodierte Duplexsonographie" (FKDS). Dabei handelt es sich initial um eine herkömmliche Ultraschalluntersuchung, die aber durch physikalische Hilfsmittel den Blutstrom im Gefäß darstellen und in einer weiteren Funktion auch die Flussgeschwindigkeit des Blutes messen kann.

So hat der Arzt die Möglichkeit zu lokalisieren, wo im Gefäß Engstellen (Stenosen) oder gar Verschlüsse aufgetreten sind und ist in der Lage die weitere Therapie zu planen. In der heutigen Zeit stehen zusätzlich Computertomographien (Angio-CT) und Magnetresonanztomographien (Angio -MRT) zur Gefäßdiagnostik zur Verfügung, werden aber nur in seltenen Ausnahmefällen benötigt oder dienen bei komplizierten Durchblutungsstörungen der Operationsvorbereitung.

In den meisten Fällen kann durch den Ultraschall eine sichere Diagnose gestellt und das weitere Vorgehen festgelegt werden. Bei Patienten mit pAVK finden sich oftmals Engstellen und/oder Verschlüsse in mehreren Gefäßetagen. Bei Patienten mit pAVK und Diabetes sind häufiger die Gefäße des Unterschenkels betroffen.

Aufspüren von Engstellen oder Verschlüssen per Angiographie

Sollte eine Verbesserung der Durchblutung nötig sein, z.B. bei einem diabetischen Fußsyndrom mit pAVK, ist die Angiographie (Darstellung der Gefäße durch Kontrastmittel und Röntgenstrahlen) in Interventionsbereitschaft Mittel der Wahl. Dabei wird über einen Schlauch (Schleuse) in der Arterie Kontrastmittel in die Hauptschlagader des betroffenen Beines gegeben und unter Röntgenkontrolle der Abstrom des Kontrastmittels in den Arterien verfolgt. Auf diesem Weg können Engstellen oder Verschlüsse gut dargestellt und das weitere Vorgehen geplant werden.

Über den in der Arterie liegenden Schlauch können im Folgenden verschiedene Drähte, Katheter und aufblasbare Ballons in die Arterie eingebracht werden. Mit diesen kann versucht werden, Engstellen mit einem Ballon aufzudehnen, Verschlüsse wieder zu eröffnen oder einen Stent (Metallröhrchen) zu platzieren. In den meisten Fällen gelingt es, eine Verbesserung der Durchblutung zu erreichen.

Dieses Vorgehen birgt insbesondere die Gefahr der Blutungskomplikation und der Verschlechterung der Nierenfunktion durch das Kontrastmittel. Daher werden Patienten mit einer schlechten Nierenfunktion auch vor einer Angiographie durch die Gabe von intravenösen Infusionen auf eine Angiographie vorbereitet. Metformin muss vor und nach einer Angiographie pausiert werden (24 bis 48 Stunden), da eine kontrastmittelinduzierte Verschlechterung der Nierenfunktion in Kombination mit der Metformin- Einnahme zu einer diabetesunabhängigen, schwerwiegenden Stoffwechselentgleisung führen kann.

Patienten mit Diabetes und einer pAVK sollten unabhängig von der Notwendigkeit einer Verbesserung der Durchblutung eine optimale medikamentöse Therapie erhalten, die weniger der Verbesserung der Durchblutung nützt, als vielmehr dafür sorgen soll, dass das Risiko für nachfolgende Herz-Kreislauferkrankungen minimiert wird. Zu diesen Medikamenten gehören ein Thrombozytenaggregationshemmer (z.B. ASS) und ein Statin (z.B. Simvastatin). Zusätzlich ist eine gute Stoffwechselkontrolle mit einem individuell angepassten HbA1c Zielwert wichtig, da dieses auch den Progress der pAVK beeinflussen kann.

Kardiologe ebenfalls gefragt

Da die pAVK Ausdruck einer den ganzen Körper betreffenden Gefäßerkrankung ist, muss nach der Erstdiagnose der pAVK auch eine kardiologische Diagnostik erfolgen, um eine eventuell zeitgleich bestehende Erkrankung der Herzkranzgefäße erkennen und behandeln zu können. Der Patient muss daher einem Kardiologen zugeführt werden und eine Ergometrie (Belastungs – EKG) oder eine Stressechokardiographie erhalten.

Die pAVK ist in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt ein noch unterbehandeltes Krankheitsbild. Da insbesondere die Kombination zwischen pAVK und Diabetes unsere Patienten vital bedroht, sollten alle, die an Therapie und Schulung von Diabetespatienten beteiligt sind für dieses Thema sensibilisiert werden.

Schwerpunkt: Diabetes und pAVK


Autor: Dr. Lars-Dietrich Köthe
Diabeteszentrum Bad Lauterberg
Kirchberg 21
37431 Bad Lauterberg
Telefon: 05524 811

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (11) Seite 10-13