Der Trend ist alarmierend: Ohne entschiedenes Handeln könnte die Zahl der Diabetespatienten in den nächsten 20 Jahren auf bis zu 12 Millionen Menschen in Deutschland steigen [1]. Diese aktuellen Hochrechnungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) waren Ausgangspunkt einer intensiven Diskussion beim Dialogforum „Diabetes 2030“.

Bereits zum vierten Mal hatte Novo Nordisk Vertreter aus Politik, Selbstverwaltung, Wissenschaft, Krankenkassen, Praxis und den Patientenorganisationen am 21. und 22. Februar 2019 in die dänische Botschaft nach Berlin eingeladen. Rund 100 Teilnehmer diskutierten über den Stand der Nationalen Diabetesstrategie, die zunehmende Bedeutung von patientenberichteten Endpunkten in Wissenschaft und Praxis sowie einen neuen Ansatz zur Klassifizierung des Typ-2-Diabetes in verschiedene Phänotypen.

„Diabetes mellitus ist bereits heute der Mortalitätstreiber Nummer eins“, so Tagungspräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Diethelm Tschöpe, Klinikdirektor im Bad Oeynhausener Herz- und Diabeteszentrum NRW, UK RUB, und Vorsitzender der Stiftung Der herzkranke Diabetiker. Deshalb sei es wichtig, dass die Risiken und Folgen des Diabetes in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen würden. Ebenso bestünde die Notwendigkeit, die Versorgung weiter zu optimieren, insbesondere durch eine stärkere Orientierung an den individuellen Bedürfnissen und Merkmalen der Patienten.

Nationale Diabetesstrategie: Die Politik hat sich auf den Weg gemacht

„Im Koalitionsvertrag 2018 haben wir uns verpflichtet, gezielt Volkskrankheiten zu bekämpfen. Dabei steht Diabetes ganz oben auf der politischen Agenda“, so Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Angesichts der Häufigkeit des Diabetes und der damit einhergehenden immensen Belastungen für die Betroffenen und das Gesundheitssystem habe man die Nationale Diabetesstrategie politisch verankert. Ziel sei es, die Prävention, Früherkennung, frühzeitige Behandlung sowie die Vermeidung von Folgeerkrankungen weiterzuentwickeln.

Prof. Dirk Müller-Wieland, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), betonte, dass er dies sehr begrüße. Angesichts der Dringlichkeit wäre es aber wünschenswert, wenn parallel dazu und zeitnah unter der Ägide des BMG alle relevanten Akteure aus Wissenschaft, Ärzteschaft, Krankenkassen und Industrie von Anfang an zusammenkämen, um gemeinsam Lösungsstrategien für die wichtigsten Probleme zu erarbeiten.

Für Tschöpe zählen hierzu insbesondere auch die wissenschaftlichen Fachgesellschaften, der Bundesverband Niedergelassener Diabetologen sowie die Patientenorganisationen. So können politische Entscheidungen frühzeitig auf ihre Praxistauglichkeit geprüft werden und wichtige Rückkopplungen erfolgen.

Aufklärung: Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung

Parallel zur Nationalen Diabetesstrategie messe das Bundesministerium für Gesundheit der Prävention und Bekämpfung des Diabetes bereits heute einen hohen Stellenwert bei, so Stroppe. Das BMG unterstütze internationale Bestrebungen, bspw. der Vereinten Nationen, die vorzeitige Sterblichkeit aufgrund von nicht-übertragbaren Krankheiten – und somit auch aufgrund von Diabetes – bis 2030 um ein Drittel zu reduzieren.

Stroppe betonte, erste mögliche Bestandteile einer Nationalen Diabetesstrategie würden bereits umgesetzt – und zwar vornehmlich in zwei Feldern: Datenerhebung und Aufklärung. So führe das RKI sämtliche verfügbaren präventions- und versorgungsrelevanten Daten zusammen und werte diese aus. Sie sollen dann der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern als eine belastbare Grundlage zur Verfügung stehen, um die Diabetesprävention und -versorgung weiterzuentwickeln.

Mit Blick auf die Chancen, die die Diabetesprävention bietet, liege ein weiterer Schwerpunkt auf der Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung und besonderer Risikogruppen. Dies solle über geeignete Maßnahmen der Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit erfolgen. Initiativen für eine gesunde Ernährung und mehr Bewegung – wie auch im Präventionsgesetz gefordert und beschrieben – spielten ebenfalls eine wichtige Rolle. Zielsetzung sei es unter anderem, das Auftreten von Adipositas als einen zentralen Risikofaktor für Typ-2-Diabetes möglichst zu verhindern.

PROs: Mehr Fokus auf die Individualität der Menschen mit Diabetes

In zweiten Teil der Veranstaltung wurden Ansätze diskutiert, um die Bedürfnisse und Wahrnehmungen des Patienten zukünftig stärker in Forschung und Praxis zu berücksichtigen. Das subjektive Erleben einer Therapie werde durch klinische Maßstäbe wie Symptome, Morbidität oder Mortalität häufig nicht erfasst, könne aber für den Patienten und seine Therapietreue erheblich sein, betonte Professor Dr. Jürgen Wasem, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen und zweiter Kongresspräsident.

Eine Erfassung kann über sogenannte patientenberichtete Endpunkte (Patient Reported Outcomes, PROs) erfolgen. Dazu arbeiten die DDG gemeinsam mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und anderen Institutionen seit einiger Zeit daran, validierte Instrumente zur Messung von PROs im Diabetesbereich zu entwickeln, berichteten Dr. Thomas Kaiser, Leiter des Ressorts Arzneimittelbewertung des IQWiG und Müller-Wieland.

PROs spielen perspektivisch auch im Nutzenbewertungsprozess des AMNOG eine zunehmende Rolle und sollten daher in klinischen Studien bereits mit abgebildet werden – eine Entwicklung, die Novo Nordisk gemäß Dr. Matthias Axel Schweitzer, Director Clinical, Medical und Regulatory bei Novo Nordisk Deutschland, durchgängig begrüße.

Typ-2-Diabetes: heterogene Erkrankung mit unterschiedlichen Ausprägungsformen

Anlass zu weiterer Diskussion boten die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten ANDIS-Studie (All New Diabetics In Skane) [2]. In die Studie wurden 16.000 Patienten mit einem neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes aufgenommen und über 10 Jahre nachverfolgt. „Die Ergebnisse sprechen dafür, dass es sich beim Typ-2-Diabetes um eine sehr heterogene Erkrankung mit unterschiedlichen Ausprägungsformen handelt“, so Professor Dr. Baptist Gallwitz, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik IV am Universitätsklinikum Tübingen und Past-Präsident der DDG.

Als reine Beobachtungsstudie biete diese zwar noch keine therapeutischen Handlungsempfehlungen, jedoch gute Ansatzpunkte für weitere sektorenübergreifende Forschung. Ergänzend regte Kaiser eine Auswertung der vorliegenden Endpunktstudien an, bei der die Ergebnisse für die in der ANDIS-Studie gebildeten Gruppen untersucht werden könnten. Dies sollte unter Mitwirkung der Industrie durch Bereitstellung von Daten stattfinden.

„Diabetes 2030“ bot somit auch in diesem Jahr reichlich Stoff für Diskussionen und einen konstruktiven Austausch unterschiedlicher Perspektiven. Deutlich wurde, dass es noch viel zu tun gibt, um die Versorgung wissensbasiert zu verbessern. Hierfür werden die Expertise und die Kompetenz aller beteiligten Akteure benötigt.


Referenzen
1 Tönnies T et al. Diabet Med. 2019; https://doi.org/10.1111/dme.13902 (zuletzt abgerufen am 18.03.2019)
2 Ahlqvist E et al. Lancet Diabetes Endocrinol. 2018; 6: 361-9


Quelle: Presse-Information von Novo Nordisk