Eine aktuelle, umfangreich angelegten Studie bietet einen bislang unerreichten Blick auf das körperweite Zusammenspiel des Stoffwechsels: Über 24 Stunden wurde ein Stoffwechselprofil mehrerer Organe und Gewebe von Mäusen bei normaler und bei fettreicher Ernährung angefertigt: Heraus kam eine Übersicht, wie die verschiedenen Stoffwechselprozesse im Körper miteinander verzahnt sind und welche Zeitfenster sich für Therapien gegen Adipositas anbieten.

Überall und zu jeder Zeit finden in unserem Körper Stoffwechselvorgänge statt: Nahrung wird zerlegt, Gewebe aufgebaut, Abbauprodukte entsorgt. Doch all diese Vorgänge laufen nicht einfach unkontrolliert durcheinander. Um Wechselwirkungen und Chaos zwischen all den verschiedenen Prozessen zu vermeiden, werden sie durch sogenannte zirkadiane oder 24-Stunden-Rhythmen geordnet.

„Man kann sich das vorstellen wie in einem Orchester“, erklärt Dr. Dominik Lutter, Gruppenleiter am Institut für Diabetes und Adipositas (IDO) des Helmholtz Zentrums München. „Damit das Zusammenspiel harmonisch wird, können die einzelnen Instrumente nicht einfach drauflos spielen, sondern müssen eingetaktet werden. Genauso verhält es sich beim Stoffwechsel und den Takt geben die zirkadianen Rhythmen vor.“

24-h-Stoffwechselprofile von 8 verschiedene Geweben gleichzeitig

Um dieses Zusammenspiel zu beleuchten, haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München in Kooperation mit einem internationalen Kollegenteam anderer Institute über 24 Stunden Stoffwechselprofile von acht verschiedene Geweben gleichzeitig erstellt. Untersucht wurden der Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus (gilt bei Säugetieren als Haupt-Taktgeber für die zirkadianen Rhythmen) sowie den präfrontalen Cortex, Muskeln, Leber, braunes und weißes Fettgewebe, Blutserum und Sperma.

„Um zu verstehen, wie die Ernährung die zeitliche Koordination der Gewebe und den 24-Stunden-Stoffwechsel beeinflusst, haben wir die Daten bei normaler und bei fettreicher Ernährung erhoben“, ergänzt IDO-Wissenschaftler Dr. Kenneth Dyar, gemeinsam mit Dominik Lutter Erstautor der Arbeit. „Es war bekannt, dass fettreiche Nahrung den 24-Stunden-Rhythmus stört und Stoffwechselkrankheiten verursacht. Die zeitliche Betrachtung des Gewebestoffwechsels in unserer Studie gibt uns jetzt Einblicke, wie sich dieser etwa bei Adipositas und Diabetes verändert.“

Zu viele Fett-Kalorien bringen Stoffwechsel aus dem Takt

In der Tat konnten die Forscher beobachten wie das Zuviel an Fett in der Nahrung den Stoffwechsel durcheinander bringt. „In den Muskeln konnten wir beispielsweise bei normaler Ernährung eine sehr geordnete Abfolge der Energiegewinnung aus Fett und Zucker feststellen“, so Kenneth Dyar. „Bei fettreicher Ernährung ging dieses typische Muster hingegen total verloren und der Fettstoffwechsel dominierte. Diese Veränderungen haben auch Auswirkungen auf die Insulinresistenz der Muskelzellen, die als Folge entstehen kann.

Dr. Dominik Lutter und Dr. Kenneth Dyar, Erstautoren der Studie.

Insgesamt bietet die Arbeit, deren Ergebnisse im Fachmagazin „Cell“ publiziert wurden, einen Überblick, wann welcher Stoffwechselprozess im jeweiligen Gewebe abläuft. Neben bisher unbekannten Zusammenhängen erschließen sich laut den Autoren dadurch auch Zeitfenster, wann stoffwechselwirksame Medikamente besonders erfolgsversprechend eingesetzt werden könnten.

„Wenn man bei dem Bild mit dem Orchester bleiben möchte, haben wir nun eine erste Partitur des Stoffwechsels in der Hand und verstehen das filigrane Zusammenspiel der Instrumente“, so Dominik Lutter abschließend. „Im nächsten Schritt möchten wir lernen, wie wir alle im Orchester dazu bringen können, im Einklang zu spielen, wenn wir aus dem Takt geraten sind.“

Die Arbeit entstand unter der Aufsicht von Prof. Dr. Paolo Sassone-Corsi (University of California, Irvine), Dr. Kristin Eckel-Mahan (University of Texas Health Science Center at Houston) sowie Prof. Dr. Jerzy Adamski und Prof. Dr. med. Dr. h.c. Matthias Tschöp vom Helmholtz Zentrum München, was Matthias Tschöp seit August als Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung leitet.



Quelle: Pressemitteilung des Helmholtz Zentrums München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU)