Bei Menschen mit Diabetes, die mit Insulin behandelt werden, besteht die Gefahr der Überdosierung. Um schwere Hypoglykämien zu vermeiden, arbeiten Forschende aus China nun an neuen Insulinen, die ihre Wirkung abhängig von der tatsächlichen Höhe des Blutzuckerspiegels entfalten.

Vor allem Patientinnen und Patienten mit Typ-1-Diabetes leben mit ständigem Risiko von Über- und Unterzuckerungen, heißt es dazu in einer Pressemitteilung der Gesellschaft Deutscher Chemiker. Eine genauer gesteuerte Insulin-Freisetzung könnte helfen, ihren Blutzuckerspiegel besser zu regulieren. In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellt ein Forschungsteam jetzt eine neuartige durch Glukose schaltbare Insulin-Formulierung vor. Als Träger fungierende Lipid-Nanopartikel setzen je nach Zuckerspiegel mehr oder weniger Insulin frei.

In unserem Körper wird der Insulin-Spiegel im Plasma hauptsächlich von Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse gesteuert und folgt den Schwankungen des Blutzuckerspiegels. Menschen mit Diabetes Typ 1 können kein oder nur sehr wenig Insulin produzieren und benötigen mehrmals täglich Injektionen eines schnell wirkenden und ein bis zwei Injektionen eines über längere Zeit wirkenden Insulins, um ihren Blutzuckerspiegel auf einem normalen Niveau zu halten. Alternativ tragen sie eine Insulin-Pumpe, die für eine kontinuierliche Infusion sorgt. Die Insulinformulierungen können nicht auf Änderungen des Blutzuckerspiegels reagieren, sodass der Blutzuckerspiegel nicht genau gesteuert werden kann. Wird Insulin überdosiert, eine Mahlzeit ausgelassen oder bei starker körperlicher Anstrengung zu wenig Kohlenhydrat zugeführt, steigt das Risiko einer akuten lebensgefährlichen Unterzuckerung.

Auf Glukose ansprechende Insulin-Formulierungen, die die Funktion von Beta-Zellen nachahmen, könnten die Insulin-Therapie verbessern. Verschiedene Ansätze mit Insulin-„Transportern“ aus Polymeren mit eingebauter Glukoseoxidase als Glukose-Detektor leiden jedoch unter zwei Problemen, heißt es in der Pressemitteilung: Das Molekulargewicht der Polymerträger ist nicht einheitlich und Glukoseoxidase ist giftig, wenn sie im Organismus freigesetzt wird.

Das chinesische Team um Jinqiang Wang und Zhen Gu von der Zhejiang-Universität, dem Zhejiang-Krebskrankenhaus und der Universität von Hong Kong wählte jetzt einen anderen Ansatz, der auf biokompatiblen Nanopartikeln aus Lipiden mit einheitlichen chemischen Strukturen als Trägern basiert. Lipid-Nanopartikel wurden klinisch bereits breit für den Wirkstoff-Transport eingesetzt.

Ein Teil der Lipide wurde so modifiziert, dass die Oberflächen der durch Selbstaggregation entstehenden Nanopartikel viele positive Ladungen tragen. Insulinmoleküle mit negativer Ladung binden dann elektrostatisch an die Nanopartikel und werden bei normalem Zuckerspiegel langsam freigesetzt. Bei hohem Zuckerspiegel gehen bestimmte Lipide der Nanopartikel chemische Bindungen mit der Glukose ein, verringern dabei die positive Ladung der Oberfläche und beschleunigen die Freisetzung des Insulins erheblich. In Diabetes-Mäusen konnte der Blutzuckerspiegel so über sechs Stunden im Normbereich gehalten werden. Nach Glukoseinjektion sank der Blutzuckerspiegel der behandelten Diabetes-Mäuse genauso rasch auf ein normales Niveau wie bei gesunden Mäusen.

Zukünftig könnte eine Kombination der Glukose-responsiven Insulinformulierung mit einem Abgabegerät, das über einen tragbaren elektronischen Zuckerdetektor gesteuert wird, die Regelung des Blutzuckerspiegels von Menschen mit Diabetes deutlich verbessern, hoffen die Forschenden. Zhen Gu ist als Qiushi Distinguished Chair Professor sowie Dekan am College of Pharmaceutical Sciences der Zhejiang University (China) tätig. Seine Forschungen konzentrieren sich auf das Design bioinspirierter Materialien für einen auf physiologische Signale reagierenden Wirkstofftransport zur Behandlung verschiedener Krankheiten, wie Krebs oder auch Diabetes.


Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker | Redaktion