Universitäre Wissenschaftsprojekte und ein Start-up im Rampenlicht: Vier innovative Digital-Projekte sind am 27. Januar 2022 mit dem bytes4diabetes-Award 2022 ausgezeichnet worden. Zum dritten Mal wurde der Award von der Berlin-Chemie AG gemeinsam mit führenden Diabetesexperten des Zukunftsboards Digitalisierung (zd) ausgeschrieben, um digitale Projekte, die Menschen mit Diabetes unterstützen, zu fördern. Die Verleihung fand im Rahmen eines Satellitensymposiums der Berlin-Chemie AG im Vorfeld des virtuellen DiaTec-Kongresses statt.
1. Platz: Neue Routine für mehr Sicherheit – SmartDiabetesCare
Im Universitätsklinikum Essen hat das Team rund um PD Dr. med. Susanne Reger-Tan, Leiterin des Diabeteszentrums am Universitätsklinikum Essen, das Projekt SmartDiabetesCare entwickelt. Ein systematisches Diabetesscreening, das in den Prozess der stationären Aufnahme implementiert worden ist und HbA1c, Glukosespiegel und diabetesspezifische ICD-Codes abfragt. Bei auffälligen Screeningbefunden wird ein Algorithmus-getriggerter Alarm (eAlert) an das Diabetesteam gesendet, das dann zeitnah intervenieren kann. Der Patient/die Patientin erhält einen Sensor zur kontinuierlichen Glukosemessung sowie ein Klinik-Smartphone. Die durch den Patienten/die Patientin oder durch das Klinikpersonal per Scan abgerufenen Glukosewerte werden sofort an das Diabetesteam weitergeleitet, das bei drohenden Hypoglykämien primarpräventiv Gegenmaßnahmen einleiten kann (integrierter Hypoglykämiealarm).
Der große Vorteil von SmartDiabetesCare liegt darin, dass sehr niederschwellig Hochrisiko-Patientinnen und -Patienten identifiziert, kontaktlos Glukosewerte gemessen und medizinisches Personal sowie Patienten deutlich entlastet werden können. Auch ein bisher unbekannter Diabetes kann durch das Screening im Rahmen der stationären Aufnahme identifiziert und einer Behandlung zugeführt werden.
1. Platz: diafyt – Mit Künstlicher Intelligenz Glukose kontrollieren
Gut kontrollierte Glukosewerte können das Risiko für Diabeteskomplikationen und - folgeerkrankungen verringern.(1) Viele Patientinnen und Patienten, insbesondere mit Typ-1-Diabetes, sind hierfür auf die intensivierte konventionelle Insulintherapie angewiesen. Das Start-up diafyt hat eine Smartphone-App entwickelt, deren selbstlernende Künstliche Intelligenz (KI) die korrekte Insulindosis berechnet. Die diafyt App liest per NFC (Near Field Communication) Glukosesensoren aus, die aufgenommene Kohlenhydratmenge wird manuell eingegeben. Daraus berechnet der Algorithmus der App den individuellen Insulinbedarf. Die KI ist selbstlernend, so werden die Vorschläge für die Insulindosierung mit der Zeit immer individueller. Dies soll das Risiko von Über- und Unterzuckerungen verringern und zu einem guten HbA1c beitragen.
Nach eigenen Angaben hat das von Thomas Wuttke, Leipzig, ins Leben gerufene Start-up als Erstes eine funktionierende KI zur Insulindosisbestimmung entwickelt, klinisch getestet, eine Medizingerätezulassung erreicht und in Europa auf den Markt gebracht. Bereits 300 Patientinnen und Patienten wenden die KI von diafyt an, besonders bei schwer einstellbaren Patientinnen und Patienten seien die Ergebnisse sehr erfolgversprechend, so der Entwickler. diafyt ist für die Nutzung mit Insulinpumpen geeignet, die Software funktioniere sehr ähnlich wie die in einem AID-System und könnte in Zukunft auch hierfür die Grundlage bilden.
Platz 2: DIA-KARLOTTA – Diabetes-Wissen spielerisch lernen und testen
Mit DIA-KARLOTTA hat das Team der Kinderdiabetesambulanz des Universitätsklinikums Aachen um Dr. med. Angeliki Pappa ein Lernquiz entwickelt, das gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes können in der Ambulanz beim Warten auf ihren nächsten Termin ihr Diabetes-Wissen spielerisch erweitern und sich so gleichzeitig von Langeweile oder Sorgen ablenken. Dabei steht den Kindern und Jugendlichen die Spielfigur „KARLOTTA“ zur Seite. Der Name ist ein Akronym und steht für „Kids + Adolescents Research Learning On Tablet Teaching Aachen“.
Gemeinsam mit der Spielfigur, einem kleinen Vogel, können im Wartebereich der Ambulanz verschiedene virtuelle Welten entdeckt und durch das Beantworten von diabetesspezifischen Fragen Punkte gesammelt werden. Das Projekt verknüpft dabei bekannte Inhalte aus Schulungsprogrammen für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes mit einem spielerischen und altersgerechten Ansatz. DIA-KARLOTTA soll Kinder und Jugendliche dazu motivieren, sich aktiv mit Schulungsinhalten auseinanderzusetzen und so ein besseres Verständnis für ihre Erkrankung zu entwickeln.
Sonderpreis: Prediabetes Clusters – punktgenaue Prävention
Forscherinnen und Forscher der Endokrinologie/Diabetologie des Universitätsklinikums Tübingen um Professor Robert Wagner evaluieren im Rahmen des Projekts „Prediabetes Clusters“ aktuell den eigens entwickelten Algorithmus. Dieser soll eine schnelle und einfache Identifikation von Personen mit hohem Risiko für Typ-2-Diabetes und hohem Risiko für eine rasche Entwicklung von Folgeerkrankungen ermöglichen. Allein aufgrund der Blutglukosewerte, auf denen die Diagnose eines Prädiabetes derzeit basiert (2), ließ sich die spätere Entwicklung eines Typ-2-Diabetes laut den Studiendaten von Wagner et al. nicht vorhersagen (2). Auch Übergewicht bedeutete den Daten zufolge kein per se erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes. Erst wenn die Kombination verschiedener Parameter, wie etwa Insulinsensitivität oder Körperfettverteilung, betrachtet wurde, ermöglichte das eine klarere Einschätzung des Diabetesrisikos (2). Der Algorithmus ist auch dazu in der Lage, einen aufwändigeren Variablensatz für die Clustereinteilung anzuwenden.
Die Entdeckung der Prädiabetes- Subtypen (Clusters) ermöglicht somit, ein Risiko für Typ-2-Diabetes sowie die Neigung zu spezifischen diabetischen Folgeerkrankungen schon früh zu erkennen: Drei der sechs Cluster wiesen ein moderates bis hohes Risiko für Diabetes auf. Bei einer Gruppe zeigte sich ein höheres Risiko für eine Nierenschädigung bei moderatem Diabetesrisiko (2).
Der Publikumspreis geht an...
Auch in diesem Jahr hatten die Zuschauer der Preisverleihung wieder die Gelegenheit, darüber abzustimmen, welches der acht Finalistenprojekte mit dem Publikumspreis ausgezeichnet werden sollte. Die Entscheidung fiel auf DIA-KARLOTTA.
Quelle: Berlin-Chemie AG | Redaktion
