Die Menschen werden immer älter, und es gibt immer mehr Diabetespatienten, insbesondere im hohen Alter. Das ist nichts Neues. Auch nicht, dass es an Pflegekräften mit spezifischem Diabeteskenntnissen mangelt. Eine neue Weiterbildung hat jetzt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) gestartet.
Die Kompetenz im Umgang mit der Stoffwechselerkrankung stärken. Das ist erklärtes Ziel der DDG, die ab 2018 Kompaktkurse "Basisqualifikation Diabetes Pflege" anbietet. Der erste Schritt ist die Schulung entsprechender Trainer, die beim Diabetes Kongress im Mai in Hamburg startete. Laut Diabetes Gesellschaft erkranken jedes Jahr etwa 270.000 Menschen in Deutschland neu an Typ-2-Diabetes. Jeder Vierte, der in einem Pflegeheim lebt, ist Diabetiker. Rund 500.000 Heimbewohner sind schätzungsweise von der chronischen Erkrankung betroffen.
Hinzu kommt, dass sich jährlich etwa 2 Millionen Menschen wegen anderer Krankheiten im Krankenhaus behandeln lassen, die aber auch Diabetes haben. Entsprechend hoch sind auch die Zahlen in der ambulanten Pflege.
15 Prozent der über 70-Jährigen haben Diabetes
Dr. Jürgen Wernecke aus Hamburg betonte, dass sich die Diabetes-Zahlen in den letzten 10 Jahren verdoppelt hätten. Deutschland sei mit einem Anteil von 10 Prozent an Diabetikern in der Bevölkerung (15 Prozent bei den über 70-Jährigen) aber anscheinend noch gut gestellt, erklärte er. Schaut man allerdings genauer hin, sind die Daten verheerend: 40.000 Amputationen und 2.000 Erblindungen pro Jahr durch Dia-betes produzieren Kosten von jährlich circa 35 Milliarden Euro.
Jeder 10. Euro der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) wird für Diabetes ausgegeben. Der Hauptanteil fällt dabei auf die älteren Diabetespatienten mit, bei denen die Diabetes-Häufigkeit auf über 20 Prozent ansteigt.
Für Pfleger aller Fachrichtungen
Der neue Kompaktkurs der DDG richtet sich an Pfleger aller Fachrichtungen in Kliniken, in Seniorenheimen sowie an das Personal der ambulanten Pflege. Die Fortbildung umfasst 16 Stunden. "Der 2-tägige Kurs soll zielgerichtet Wissen über Therapie, Folgen und Begleiterscheinungen des Diabetes vermitteln, damit der Pflegeprozess optimal abläuft", so Wernecke, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Geriatrie der DDG.
Dabei spielten unterschiedliche Faktoren eine Rolle, wie die Erhebung des diabetesspezifischen Pflegebedarfs, die Einleitung, Umsetzung und Überwachung von Veränderungsanforderungen, das Entlassungsmanagement sowie die Unterstützung der interdisziplinären Zusammenarbeit. "Wichtig ist zudem die Kompetenz, diabetesbedingte Notfallsituationen sofort identifizieren und adäquat handeln zu können", ergänzte er.
Oberstes Therapieziel in Altenheimen ist es, Unterzuckerungen zu vermeiden, andernfalls drohen den Patienten gefährliche Stürze, Herzrhythmusstörungen und das Fortschreiten einer Demenz (siehe Kasten unten).
Auf funktionelle Einschränkungen achten
Wie sich Therapie und Prognose dieser Patienten entwickeln, hängt stark von ihren funktionellen Einschränkungen ab. Unter Ärzten und Pflegekräften ist dieses Wissen jedoch noch nicht ausreichend angekommen: So wusste bei einer Untersuchung in Pflegeheimen kaum jemand von den unterschiedlichen Therapiezielen von Diabetespatienten. Und nur bei weniger als der Hälfte der Altenpflegekräfte war bekannt, was man bei einer lebensgefährlichen Hypoglykämie machen muss. Ältere, insbesondere funktionseingeschränkte Menschen mit Diabetes, sollten z.B: höhere Blutzuckertherapieziele haben als jüngere Menschen mit Diabetes.
Das mangelnde Fachwissen trifft auf eine schnell ansteigende Zahl an pflegebedürftigen älteren Menschen mit Diabetes: Laut Statistischem Bundesamt rechnet man mit einer Verdopplung der Pflegebedürftigen innerhalb der nächsten 40 Jahre. Schon jetzt werden knapp 3 Millionen Pflegebedürftige versorgt, von ihnen circa 70 Prozent noch zu Hause, etwa 1,4 Millionen durch Angehörige und knapp 700.000 durch einen Pflegedienst.
Weitere knapp 800.000 pflegebedürftige Patienten werden mittlerweile in stationären Heimen versorgt. Bis 2020 gibt es zudem rund 50.000 fehlende Ärzte im ambulanten Bereich. Die Pflegefachkraft sei schon heute die knappste Ressource der Europäischen Gemeinschaft – mit momentan 250.000 fehlenden examinierten Vollzeitpflegekräften, kritisierte Wernecke.
Pflegekräfte besser ausbilden
Mittelfristig ließe sich sich dieses Problem vielleicht mindern, indem man die Berufsattraktivität steigert und ausländische Kräfte hinzu gewinnt, erklärte er. Kurzfristig könne man jedoch nur die vorhandenen Pflegekräfte besser ausbilden und den Mangel mit Qualität abmildern.
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (6) Seite 6-7