Britische Forscher haben mit Hilfe neuer Messmethoden eine womöglich bahnbrechende Entdeckung gemacht: Viele Typ-1-Diabetiker produzieren Jahre nach Erkrankungsbeginn noch in geringem Maße körpereigenes Insulin.

Die Bauchspeicheldrüse von Typ-Diabetikern kann auch nach einer langen Erkrankungsdauer noch kleine Mengen Insulin produzieren, wie britische Forscher entdeckt haben. Damit widerlegen sie die gemeinhin verbreitete These, dass sämtliche insulinproduzierende Betazellen innerhalb weniger Jahre nach der Manifestation der Stoffwechselstörung zerstört werden.

Die Wissenschaftler der Exeter Medical School konzipierten eine Studie mit 74 Typ-1-Diabetikern. In deren Rahmen untersuchten sie mit Hilfe neuer Messtechniken, ob bei den Probanden nach einer Mahlzeit körpereigenes Insulin produziert wird - als Indikator für eine noch vorhandene Betazellaktivität.

Funktionierende Betazellen selbst nach jahrelanger Diabetesdauer

Erstaunlicherweise konnte so bei drei Viertel der Teilnehmer (73 Prozent) eine niedrige Insulinproduktion nachgewiesen werden; unabhängig von der Diabetesdauer. Dies weist darauf hin, dass viele Typ-1-Diabetiker auch nach Jahren mit der Autoimmunerkrankung noch über funktionierende Betazellen verfügen, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität Exeter.

„Es ist eine äußerst interessante Entdeckung, dass die meisten Patienten mit Typ-1-Diabetes noch kleine Mengen Insulin produzieren können - selbst, wenn sie bereits seit 50 Jahren erkrankt sind“, kommentiert der Studienleiter Dr. Richard Oram (Universität Exeter) die Ergebnisse.

„Die Tatsache, dass die Insulinausschüttung nach einer Mahlzeit ansteigt, zeigt, dass die verbliebenen Betazellen noch immer auf normale Weise funktionieren. Entweder scheinen diese Zellen resistent gegen den Angriff des fehlgeleiteten Immunsystems zu sein oder sie können sich regenerieren.“

Neue Messmethoden macheten die Entdeckung möglich

Diese neuen Erkenntnisse sind erst durch den Einsatz neuer Technologien möglich geworden, fügt Dr. Oram hinzu. So sei das Forscherteam in der Lage gewesen, auch sehr geringe Insulinlevel nachzuweisen. Diese waren zuvor nicht messbar, was zu der nun entkräfteten Hypothese führte, dass Typ-1-Diabetiker nach einer gewissen Erkrankungsdauer gar kein Insulin mehr produzieren.

Die Ergebnisse dieser Studie könnten einen wichtiger Schritt bei der Entwicklung neuer Therapieoptionen für den Typ-1-Diabetes sein. „Indem wir nun die Unterschiede untersuchen zwischen den Patienten, die noch geringe Mengen Insulin produzieren und denen, bei denen keines mehr nachweisbar ist, könnte wir womöglich herausfinden, wie man Betazellen bei Typ-1-Diabetikern generell erhält oder regeneriert. Dies könnte ein Meilenstein bei der Entwicklung einer regenerativen Therapie bei Typ-1-Diabetes darstellen.“

Weniger Folgekomplikationen?

„Der nächste Schritt wird eine weitaus größer angelegte Studie sein, bei der das Hauptaugenmerk auf das Erbgut und das Immunsystem der Patienten gelegt wird, die noch geringfügig Insulin produzieren. Zudem soll dabei die Frage geklärt werden, ob bei diesen Patienten weniger Folgekomplikationen auftreten als bei solchen, deren Bauchspeicheldrüse gar kein Insulin mehr produziert“, so Dr. Oram abschließend.



von Gregor Hess
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