Wer in einem Gesundheitsfachberuf tätig ist, leistet einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung. Diese keineswegs neue Erkenntnis wird durch die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie mehr als eindrücklich unterstrichen und uns allen vor Augen geführt.

Auch der Koalitionsvertrag 2018 betont die gesellschaftliche Bedeutung von Gesundheitsfachkräften und die Notwendigkeit diese Berufe angesichts von Fachkräftemangel attraktiver zu gestalten. So heißt es im Kapitel Gesundheit: "Für die zukünftigen Herausforderungen des Gesundheitswesens ist die Aufgabenverteilung der Gesundheitsberufe neu zu justieren und den Gesundheitsfachberufen mehr Verantwortung zu übertragen."

Seither befasst sich eine Bund-Länder-Kommission unter der Leitung des Bundesgesundheitsministeriums mit der Frage, wie die Ausbildungen und beruflichen Perspektiven von Gesundheitsfachberufen zukunftsfähig gestaltet werden können. Denn qualitativ hochwertige Patientenversorgung im digitalen Zeitalter kann nur sichergestellt werden, wenn Fachkräfte auch bedarfsgerecht ausgebildet werden. Demografischer Wandel, veränderte Versorgungsbedarfe und Digitialisierung führen zu neuen Anforderungen, die in den Berufsausbildungen adressiert werden müssen.

Einbindung der Verbände

In die Diskussion der Bund-Länder-Kommission wurden im Frühsommer 2019 auch Berufsverbände und wissenschaftliche Fachgesellschaften eingebunden, indem sie eingeladen wurden, einen Fragenkatalog zu relevanten Aspekten zu beantworten. Auch der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) nutzte die Gelegenheit, um seine berufspolitischen Ziele einzubringen. Gemeinsam mit der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaft DDG erstellte der Berufsverband der Diabetesfachkräfte eine Stellungnahme.

Darin weisen beide Organisationen darauf hin, dass nicht nur die Berufsgesetze der sogenannten Heilmittelerbringer zur reformieren sind. Angesichts von Fachkräftemangel, demographischem Wandel und der Digitalisierung müssen neue Berufsbilder entstehen können und bestehende Weiterbildungen verrechtlicht werden, um der gewachsenen Komplexität und der geforderten Interprofessionalität des Versorgungsauftrags gerecht werden zu können.

Mit Blick auf die Diabetesberatung fordern VDBD und DDG kurzfristig eine auf Bundesebene geregelte staatliche Anerkennung der Weiterbildung zur Diabetesberaterin, idealerweise in Form eines "Bundes-Weiterbildungsgesetz". Mittelfristig wird die Entwicklung eines Ausbildungsberufes angestrebt, um eine evidenzbasierte Versorgung der verschiedenen Patientengruppen aller Altersklassen zu gewährleisten.

Eckpunkte der Reform

Anfang März 2020, überschattet von den rasanten und dramatischen Entwicklungen der Coronavirus-Pandemie, stellte das Bundesgesundheitsministerium Ergebnisse der Beratungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe als "Eckpunkte für ein Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe" online.

Die Eckpunkte sehen eine Vereinheitlichung der grundlegenden Regeln der Ausbildungen der bundesrechtlich geregelten Gesundheitsfachberufe vor. Dazu gehören Diätassistentin, Ergotherapeutin, Logopädin, Masseurin/medizinische Bademeisterin, MTA Funktionsdiagnostik, Medizinisch-technische Laboratoriumsassistentin, Medizinisch-technische Radiologieassistentin, Orthoptistin, Physiotherapeutin und Podologin.

Nicht einbezogen sind Pflegefachkräfte, Notfallsanitäterinnen und Hebammen, Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Anästhesie- und Operationstechnische Assistentinen, deren Ausbildungen bereits neu geregelt wurden.

Abschaffung des Schulgeldes

Ein wichtiger Eckpunkt besteht sicherlich in dem Vorhaben, das Schulgeld für die Ausbildungen zu diesen Berufszweigen abzuschaffen. Gleichzeitig soll in den Ausbildungsverträgen eine angemessene Ausbildungsvergütung geregelt werden. Bei der Revision der entsprechenden Berufsgesetze sollen zudem Qualitätsanforderungen an Schulleitungen, Lehrkräfte, Ausbildungsstätten und an die Praxisanleitung sowie die Möglichkeit der Teilzeitausbildung aufgenommen werden.

Außerdem sollen die Ausbildungen durchlässig gestaltet werden. Das bedeutet einerseits die Anrechnung einer absolvierten Ausbildung oder eines Ausbildungsteils in einem Gesundheitsfachberuf auf die Ausbildung in einem anderen Gesundheitsfachberuf. Andererseits soll die Option für eine weiterführende Ausbildung, z.B. im Rahmen eines Bachelor-Studiums, ermöglicht werden.

Akademisierung

Die Eckpunkte umfassen auch eine Reihe von Prüfaufträgen. So soll für jeden Beruf gesondert geprüft werden, ob eine akademische Ausbildung in Betracht kommt und falls dies bejaht wird, in welcher Ausprägung, ob teil- oder vollakademisiert. Teilakademisierung würde dazu führen, dass ein akademischer Ausbildungsweg an einer Hochschule parallel zu einer schulischen Ausbildung bestehen würde.

Aus Sicht der Bund-Länder-Kommission könnte eine Teilakademisierung insbesondere für die Physiotherapie- und Ergotherapieausbildungen in Frage kommen. Bei einer Vollakademisierung wird die schulische Ausbildung vollständig durch ein Hochschulstudium ersetzt, wie es im Falle der Hebammen aufgrund des gewachsenen Anforderungsprofils bereits umgesetzt worden ist.

Direktzugang

Geprüft werden soll auch die Einführung eines Direktzugangs, der eine Behandlung von Patienten durch Gesundheitsfachberufe ohne vorherige Konsultation eines Arztes ermöglichen würde. Der Direktzugang wäre mit der Übertragung einer deutlich höheren Verantwortung verbunden und erfordert aus Sicht der Bund-Länder-Kommission neue Kompetenzen, z.B. in der Diagnostik, die über die bisherigen Berufsgesetze hinausgehen.

Die Finanzierungsfragen, die im Laufe der Umsetzung des Gesamkonzepts insbesondere für Schulgeldfreiheit, Ausbildungsvergütung, für Fort- und Weiterbildung von Ausbildern sowie für eine etwaige Akademisierung entstehen, sollen von der Staatssekretärs-Arbeitsgruppe "Wissenschaft und Gesundheit" beraten werden.

Applaus allein reicht nicht

Einen Hoffnungsschimmer enthält das Eckpunktepapier auch für die Diabetesberatung; denn die Bund-Länder-Kommission konstatiert, dass "im Einzelfall die Schaffung eines neuen zu regelnden Berufs zukünftig zur Verbesserung der Versorgung beitragen kann". Ob und für welche Aufgabengebiete und Verantwortungsbereiche dies der Fall sein kann, sei jedoch zuvor zu prüfen.

Das Bundesgesundheitsministerium bezeichnet die Eckpunkte als einen wichtigen Schritt für die im Koalitionsvertrag verankerte Neuordnung und Stärkung der Gesundheitsfachberufe. Es wäre eine enorme Errungenschaft inmitten der vielen negativen Folgen der gegenwärtigen Pandemie, wenn dem symbolischen Applaus politische Taten folgen würden, damit die Gesundheitsfachberufe inhaltlich attraktiver werden und ihre wichtige Tätigkeit adäquat monetär vergütet wird.


Autorin:
Dr. Gottlobe Fabisch
Geschäftsführerin des Verbands der
Diabetes-Beratungs- und Schulungs-
berufe in Deutschland (VDBD)
Habersaathstr. 31, 10115 Berlin
Tel.: 030/847122490
E-Mail: info@vdbd.de
Website: www.vdbd.de


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2020; 32 (5) Seite 44-45