In Deutschland ist die Versorgung von Diabetespatienten auf einem guten Niveau. Wie aber sieht es in anderen Ländern oder gar anderen Kontinenten aus? Diabetesberaterin und VDBD-Mitglied Sonja Vogel wagte einen mutigen Schritt und initiierte ein Diabetesprojekt fern ihres bekannten Wirkungskreises in Afrika. Im Rückblick berichtet sie von ihrem außergewöhnlichen Engagement.

Seit 2003 arbeite ich als Diabetesberaterin DDG in Kliniken und Praxen. Auch freiberufliche Aktivitäten zählen über Jahre immer wieder zu meinen Aufgaben. Nach etlichen Jahren Diabetesberatung kam ich immer mal wieder an den Punkt, wo ich mich fragte, wozu das Alles? Ich denke, dies erleben wir alle einmal früher oder später und doch können wir einfach nicht anders.

Auf Eigeninitiative nach Togo

Wir lieben unsere Patienten, auch wenn sie uns buchstäblich manchmal den letzten Nerv rauben. Und trotzdem, ein kleiner Dank am Rande tut uns allen hin und wieder gut! Diesen Dank erlebte ich auf meiner Reise nach Togo, einem kleinen Staat in Westafrika, am Golf von Guinea gelegen, an Ghana im Westen grenzend, im Osten an Benin und im Norden an Burkina Faso. Hauptstadt und Regierungssitz ist Lomé. Amtssprache ist Französisch.

Meine Kollegin Jannika Ernst, ebenfalls Diabetesberaterin in der DKD in Wiesbaden, war bereits vor einigen Jahren dort und unterstütze damals die Organisation DCWA (Diabetescare West Africa). Ein Abendessen und zwei Gläser Rotwein später stand unsere Entscheidung fest. Wir fliegen nach Togo ohne Organisation im Rücken, sondern aus Eigeninitiative.

Unsere Idee war es, gespendete Insuline und orale Antidiabetika, die hier achtlos weggeworfen werden, wenn der Patient sie nicht mehr benötigt, mit nach Togo zu nehmen.

Unterstützung von einem deutschsprachigen Arzt

"Tolle Idee", jetzt brauchten wir nur noch einen Arzt. Über das Internet fand ich tatsächlich einen deutschsprachigen Togolesen Dr. Kokou Sodjéhoun (www.docteur-sodjehoun.ch), der in Togo eine kleine Poliklinik betreibt. Seine Frau Elisabeth, eine gebürtige Schweizerin, vermittelte mir eine Kontaktadresse zu einem Diabetologen, der in Lomé eine Klinik leitet.

Er war zunächst begeistert von unserem Vorhaben, bis er uns aus bislang unerklärlichen Gründen eine Absage erteilte. Nicht dass ich gänzlich in Panik verfiel, aber die Flüge waren gebucht, das Hotel reserviert, Medikamente und Messgeräte im Gepäck und kein Arzt, der uns vor Ort unterstützt.

Also kontaktierte ich erneut Dr. Sodjéhoun und seine Ehefrau Elisabeth und erzählte ihnen von unserer Misere. Keine zwei Tage später bekamen wir eine Einladung, doch in ihrer Klinik mitzuarbeiten. Sie seien eher auf Epilepsiepatienten spezialisiert, aber Sie würden sich riesig freuen uns zu unterstützen!

Unkonventionelle Methode zur Insulinkühlung

Am 25. Oktober 2018 flogen wir über Paris nach Lomé und am 28. Oktober 2018 ging es weiter nach Sanguera. Der Empfang war herzlich und wir waren beeindruckt von der kleinen Poliklinik. Ich erfuhr, dass Dr. Kokou in den 80iger Jahren in Marburg gelebt und dort auch Deutsch gelernt hatte. Ich erzählte ihm, dass Marburg meine Heimatstadt ist. Damit war das Eis gebrochen und wir genossen sein vollstes Vertrauen.

Am folgenden Tag nahm er uns mit in sein Heimatdorf Afania, wo er alle zwei Monate seine Patienten vor Ort behandelt. Unsere Aufgabe war es Patienten den Blutzucker zu messen und diejenigen herauszufischen, die auffällige Werte aufwiesen. Mit Unterstützung von Kokou und Elisabeth teilten wir Medikamente aus, erklärten Insulintherapien, und wie man das Insulin am besten kühlt, nämlich es in Alufolie zu wickeln, in ein feuchtes Handtuch zu rollen und es in der Erde zu vergraben.

Viele Togolesen haben Typ-2-Diabetes

Verwundert waren wir über den hohen Anteil an Diabetes mellitus Typ 2 in Togo. Laut einer Statistik der WHO von 2016 leben insgesamt 7.350.000 Menschen in Togo. Davon leiden fast 5,0 Prozent der Bevölkerung an Diabetes. Gut 23 Prozent sind übergewichtig und sogar 6,4 Prozent sind adipös.

Ein Grund mag das Nationalgericht "Foufou" sein - ein fester Brei, gewonnen aus der extrem stärkehaltigen Yams oder Maniokwurzel. Gern wird er noch durch Kochbananen und Wasser ergänzt. Auch Pâte gehört auf Togos Speisekarte, wie die Kartoffel auf den Teller der Deutschen. Pâte besteht zu 100 Prozent aus Mais und Wasser. Dabei gibt es eine nicht fermentierte (Ewokumé) und eine fermentierte Variante (Amakumé). Füllt den Bauch, macht satt und Bewegung gleich null.

OADs und Insuline sind Mangelware

Zwar sind internationale Diabetes-Guidelines teilweise verfügbar und implementiert, jedoch existiert kein operativer politischer Plan zur Reduzierung des Übergewichts und der Fettleibigkeit. Es gibt aber durchaus private Institutionen, die genau dort ansetzen wollen. Tatsächlich sind in den Grundversorgungseinrichtungen oftmals Blutzuckermesssysteme vorhanden, jedoch keine oralen Antidiabetika oder auch Insuline. Von einer Möglichkeit zur Bestimmung des HbA1c oder einem oralen Glucostoleranz-Test ganz zu schweigen.

Am vorletzten Tag unserer Reise packten wir noch einmal fleißig mit an. Bei Dr. Sodjéhoun erwarteten uns wieder zahlreiche Familien, um sich von uns den Blutzucker und auch den Blutdruck messen zu lassen. Natürlich gab es wie immer nach dem Piecks ein Bonbon, deshalb hielten die Kleinsten den Finger auch gern zweimal hin.

Diabetesberaterin Sonja Vogel bei der Arbeit in Togo.

Wir verabschiedeten uns von Kokou und seiner Frau und versprachen in Kontakt zu bleiben. Wir überließen ihm all unsere noch übriggebliebenen Mitbringsel in Form Blutzuckermessgeräten, Insulinen und OADs. Ein großer Dank galt auch den fleißigen Krankenschwestern Bella und Aude, die immer an unserer Seite waren.

Mein Fazit

Ich bin so unglaublich stolz und dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Wir haben wunderbare Menschen getroffen und ein tolles Land kennen gelernt. Absolut zu kurz kam die Beratung der Patienten bezüglich der kohlenhydratreichen Ernährung.

Mein Anliegen ist es, Kokou mit seiner Klinik weiter mit Medikation und Hilfsmitteln zu versorgen, die mir hier im Rahmen meiner Arbeit gespendet werden. Ich möchte gern in ein paar Jahren wieder nach Togo, vielleicht gemeinsam mit weiteren tollen Kolleginnen/Kollegen, die ebenfalls Lust haben über den nationalen Tellerrand zu blicken.



Autorin: Sonja Vogel
Diabetesberaterin DDG
E-Mail: info@vdbd.de

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (4) Seite 40-41