Die Diagnose eines Typ-1-Diabetes trifft viele Betroffene unerwartet. Vorhandene Warnsignale werden dabei häufig nicht erkannt. Tatsächlich entwickelt sich die Erkrankung jedoch über Jahre hinweg in einem klar definierten Prozess mit mehreren Stadien.

Dr. med. Jantje Weiskorn, Kinderdiabetologin aus Hannover, stellte in einem Fachvortrag auf dem VDBD-Symposium während der Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) im Herbst letzten Jahres die Chancen und Vorteile der Früherkennung von Typ-1-Diabetes vor. Mit einer Prävalenz von 1:250 bis 1:300 handelt es sich um die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindesalter. Die Wahrscheinlichkeit steigt auf 1:10, wenn ein Verwandter ersten Grades betroffen ist.

Die Pathogenese des Typ-1-Diabetes

Am Beginn des Typ-1-Diabetes steht ein genetisches Risiko. Kinder mit dieser genetischen Prädisposition sind zunächst gesund, bis autoimmunologische Trigger, wie beispielsweise Virusinfektionen, eine Immunreaktion auslösen. Dies führt zur Bildung diabetesspezifischer Autoantikörper und Zerstörung der insulinproduzierenden Beta-Zellen des Pankreas. Über zwei Stadien hinweg, gekennzeichnet durch multiple Autoantikörper und normalen Blutzuckerwerten (Stadium 1) bzw. einer Glukosetoleranzstörung (Stadium 2) kommt es letztlich zur klinischen Manifestation des Diabetes (Stadium 3).

Durch das frühe Erkennen dieser Stadien können gezielte Maßnahmen ergriffen werden. Screening-Programme und Präventionsstudien bieten hier vielversprechende Ansätze, um die Krankheitsprogression zu beeinflussen.

Vorteile der Früherkennung

Kinder, die an Früherkennungsprogrammen teilnehmen, profitieren erheblich. Studien zeigen, dass die Manifestation des Diabetes bei früh erkannten Fällen mit deutlich weniger Komplikationen einhergeht:

  • Reduziertes Risiko für eine diabetische Ketoazidose (DKA)
  • Weniger akute Stoffwechselentgleisungen
  • Geringeres Risiko für Hypoglykämien
  • Mildere initiale Symptomatik

Die Früherkennung entlastet nicht nur die medizinische Versorgung, sondern verbessert auch die langfristige Stoffwechselkontrolle und Lebensqualität der Betroffenen.

12. VDBD-Tagung

Samstag, den 20. September 2025

Früh buchen lohnt sich bis 30. Juni 2025. Buchen können Sie über den nachfolgenden Link:
https://www.vdbd-akademie.de/seminar/details/12-vdbd-tagung/

Screening-Programme zur Früherkennung

Bereits nach der Geburt setzt die Freder1k-Studie an, um das genetische Risiko für Typ-1-Diabetes zu bestimmen. Bei einem Risiko über 10 % erhalten Familien gezielte Informationen und Präventionsangebote.

Die Fr1da-Studie (inkl. Fr1dolin- und Fr1da-Plus) richtet sich an Kinder zwischen 2 und 10 Jahren, die sich bereits in den Stadien 1 oder 2 befinden. Ziel ist es, die Progression zu verlangsamen oder aufzuhalten. Diese Screening-Programme werden aktuell in Bayern, Niedersachsen, Hamburg und Sachsen angeboten. Auch EDENT1FI, eine internationale Forschungsplattform in 12 Ländern, strebt eine systematische Implementierung von Früherkennungsscreenings an.

Primärpräventionsstudien

Drei wesentliche Primärpräventionsstudien untersuchen, wie der Autoimmunprozess verhindert werden kann:

1. POInT-Studie:
Evaluierte, ob orales Insulin das Immunsystem trainieren und schützen kann. Diese Studie ist abgeschlossen.
2. SINT1A-Studie:
Testet ein Probiotikum aus der Muttermilch zur Stabilisierung des Darmmikrobioms und Beeinflussung des Autoimmunprozesses.
3. AVAnT1A-Studie:
Untersucht eine Impfstrategie gegen Virusinfektionen, die als Trigger für den Autoimmunprozess gelten.

Sekundär- und Tertiärprävention

Für Kinder mit bestehender Autoimmunreaktion, aber noch ohne manifeste Erkrankung, wurde die Insulin-Interventionsstudie entwickelt. Hier erhalten Kinder über ein Jahr täglich orales Insulin, um die Immunreaktion auf Insulin zu modulieren.

Befindet sich ein Kind bereits in Stadium 3, ist das Ziel, die Remissionsphase zu verlängern und eine stabile glykämische Kontrolle zu erzielen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das C-Peptid, das für eine verringerte Hypoglykämieanfälligkeit sorgt.

Das Medikament Teplizumab (Tzield) ist seit 2022 in den USA zur Behandlung von Typ-1-Diabetes im Stadium 2 zugelassen. Es verzögert den Übergang in Stadium 3 im Median um 2,7 Jahre, indem es autoreaktive T-Zellen unterdrückt. In der PROTECT-Studie wurde es auch bei neu diagnostizierten Kindern und Jugendlichen (8-17 Jahre) in Stadium 3 untersucht. Darüber hinaus werden immunmodulatorische Medikamente wie Antithymozytenglobulin (ATG), Verapamil und Frexalimab erforscht, um die Progression des Typ-1-Diabetes zu verlangsamen oder zu stoppen.

Fazit: Früherkennung als Chance

Je früher ein Typ-1-Diabetes erkannt wird, desto besser lassen sich Komplikationen vermeiden und der Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Die Fortschritte in der Früherkennung und Prävention bieten neue Perspektiven für Betroffene und ihre Familien. Sie zeigen, dass Typ-1-Diabetes nicht mehr zwangsläufig als unabwendbares Schicksal hingenommen werden muss, sondern dass innovative Ansätze eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität ermöglichen.


Autorin:
© privat
Ria Grosse, VDBD
Referentin der Geschäftsführung
Redakteurin Online/Print


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (2) Seite x-x