Manchmal ist einfach alles zu viel. Der Alltag, die Arbeit und dazu auch noch den Diabetes managen. Eine gewisse Überforderung stellt sich im Alltag der Betroffenen ein und die Frage, wer kann einen Support leisten, um die Befindlichkeit zu verbessern?

Grübeln und schlechter Schlaf beispielsweise sind wichtige Anzeichen für eine Überforderung und sollten als Thema sehr ernst genommen werden.

Psychische Belastungen zu erkennen und die Initiative zu vermitteln diese aktiv angehen zu wollen, ist ein empfindliches und ernstzunehmendes Thema in der Schulung und im Praxisalltag. Ein speziell entwickelter Fragebogen für diabetesbezogene Probleme und Belastungen, der sogenannte PAID-5-Fragebogen ("Problem Areas in Diabetes), gilt als eine gute Beurteilungsmöglichkeit in der diabetologischen Praxis. Der Kurztest setzt sich aus den Fragen 3,6,12,16 und 19 zusammen. Der lange PAID-Test lässt sich im Internet abrufen, Info dazu siehe am Ende des Beitrag). Beim Vorliegen solcher Belastungsmerkmale besteht zeitgleich auch eine Barriere für ein erfolgreiches Diabetes-Selbstmanagement mit verschlechterten HbA1c-Werten. Die kürzeste Nachfrage zur Belastungsstörung beinhaltet die Frage 12 zum Kontext Zukunftssorgen und Sorgen über mögliche Folgeerkrankungen durch Diabetes. Das Diabetesteam in der Arztpraxis kann Patienten außerdem die Weiterleitung zu einem Psycho-Diabetologen vorschlagen.

Psychologische Themen nicht vergessen

Der Mental Health Inventory (MHI-5) (vgl. Anhang 3) ist ein Selbsttest. Die psychische Gesundheit wird vielschichtig beeinflusst durch hohe Anforderungsprofile (selbst oder fremd), Überforderungen durch Therapiemanagement oder auch anderen sozialen Ereignissen, bis hin zur Beziehungsebene. Wenn die erwartete Umsetzung beim Essen und Trinken nicht funktionieren will, kann eine gezielte Unterstützung durch Schulungen ein Teil der Lösung sein. Das therapeutische Team für Diabetes kann im Gespräch Raum für diese bedrückenden Themen geben. Die Erkundung von ortsnahen Anlaufstellen, welche eine psychologische Beratung anbieten, begrenzt sich leider noch immer durch ein fehlendes Angebot von Psychologen. Den Betroffenen jedoch hilft ein Gespräch mit Außenstehenden, um einen Blick auf die Lage zu klären oder ein Problem mit neuer Energie anzugehen. Auch im ärztlichen Gespräch sollte das Thema Überforderung oder schlechte Stimmung ab und an angesprochen werden.

Wirkungsvolle Hilfen: Apps und Selbsthilfegruppen

Jeder Mensch geht unterschiedlich mit erdrückenden Themen wie Angst vor Folgeerkrankungen oder Hypoglykämien um. Auch der Aufwand der Behandlung und die Einschränkungen des täglichen Lebens gehören zu den Belastungsmerkmalen. Der Umgang mit Diabetes Typ F (Diabetes in der Familie und den Angehörigen) kann heute als Schulungsbaustein durch das Konzept DiaLife in der Praxis angeboten werden. Nur wenn eine psychologischen Beratung thematisiert und initiiert wird, können Sorgen und Bedenken bearbeitet werden, sonst leider nicht. Selbsthilfegruppen zu erkunden, die regional im Lokalanzeiger beworben werden, können Gespräche für Alltags-Tipps oder Lösungen ermöglichen, wenn auch nicht fachlich fundiert. Heutzutage können auch technische Supports in Form von APPs beziehungsweise DiGAs (Digitale Gesundheitsanwendungen) dazu verwendet werden, eine gute Begleitung im Alltag zu sichern. Ein kostenfreier Online-Kurs auf Rezept bei Stress und Burnout namens "Hello better" hat viel zu bieten. Dieser Kurs ist wissenschaftlich anerkannt und wird als hilfreicher Umgang mit Stress und Burnout beschrieben. Man lernt den Umgang mit kritischen Situationen und Überlegungen und sein Leben nachhaltig zu verändern. Ein digitaler Begleiter wird wie folgt beschrieben:

Ein Online-Kurs ist für dich geeignet, wenn …

  • du dich im Alltag gestresst, erschöpft und überlastet fühlst
  • du eine starke Distanz oder Gleichgültigkeit in Bezug auf deine Arbeit verspürst
  • berufliche oder private Sorgen deine Lebensqualität einschränken
  • du kannst dich immer weniger konzentrieren und deine Leistungsfähigkeit abnimmt
  • deine Stimmung häufig gedrückt ist und du dich zunehmend zurückziehst
  • du Schlafprobleme hast und dich auch tagsüber sehr müde fühlst

Sein eigener Coach zu werden durch eine digitale psychologische Unterstützung hört sich doch beim aktuellen Mangel an Psychologen vielversprechend an. Nur wer einen bedrückenden Lebensumstand thematisiert oder darauf angesprochen wird, kann auch gezielt unterstützt werden und Hilfe erhalten.

Selbsttest zur psychischen Gesundheit

Ob eine psychische Störung vorliegt, kann mit dem Mental-Health-Inventory-(MHI-5)-Selbsttest geprüft werden. Allerdings nicht spezifisch bei Diabetes. Beeinträchtigungen in der Psyche können erhebliche negative Folgen für die Gesundheit und Lebensqualität zur Folge haben und sollten daher in jedem Fall ernst genommen werden. Psychologische Screening-Tests bieten eine erste Anlaufstelle bei der Einschätzung des psychischen Zustands. Die Tests ersetzen keine fachliche Diagnose, können allerdings Hinweise liefern, ob das Aufsuchen von professioneller Hilfe sinnvoll ist. Der Mental Health Inventory (MHI-5) ist eine Subskala des RAND-36-Fragebogens zur allgemeinen Gesundheit (siehe Quellenangabe). Je höher das Testergebnis des MHI-5 ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer oder mehrerer psychischer Störungen. Der Test gehört zum Standardverfahren für die Erfassung der allgemeinen psychischen Gesundheit in epidemiologischen Studien. Die nachfolgende MHI-5-Version wurde aus der Arbeit von Bullinger, Kirchberger und Ware entnommen (siehe Quellenangabe).


Quellen:
Hays, RD (1994). The Medical Outcomes Study (MOS) Measures of Patient Adherence. Retrieved April 19, 2004, from the RAND Corporation web site:www.rand.org/content/dam/rand/www/external/health/surveys_tools/mos/mos_adherence_survey.pdf
Bullinger, M., Kirchberger, I., & Ware, J. (1995). Der SF-36 Health Survey, Übersetzung und psychometrische Testung eines krankheitsübergreifenden Instruments zur Erfassung der gesundheitsbez. Lebensqualität. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften, 3(1), 2


Autorin:
Dr. Nicola Haller
Vorstandsvorsitzende des Verbands der
Diabetes-Beratungs- und Schulungs-
berufe in Deutschland (VDBD)

stellv. Vorsitzende diabetesDE –
Deutsche Diabetes-Hilfe


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (3) Seite x-x