Was wir essen, wie viel davon und in welcher Geschwindigkeit, als auch in welcher Stimmung wir uns grade befinden, trägt dazu bei, ob Essen und Trinken die Gesundheit fördern oder nicht. Gesundes Essen zu pauschalisieren, funktioniert nicht.

Jeder Mensch erfüllt andere Voraussetzungen dafür, welche Nahrungsmittel und Nährstoffe besonders wohltuend für ihn sind und welche er eher vermeiden sollte. So sind die Anforderungen an Essen und Trinken in der Schwangerschaft anders konzipiert als beispielsweise beim Gewichtsmanagement. Um die Energieversorgung des Fötus sicherzustellen, werden in der Schwangerschaft durchaus Zwischenmahlzeiten empfohlen. Liegt der Schwerpunkt jedoch auf einer Gewichtsreduktion, empfiehlt es sich maximal drei Mahlzeiten täglich zu essen. Eine Leistungssportlerin benötigt hohe Mengen Kohlenhydrate, um ihre stark beanspruchen Muskeln mit reichlich Energie zu versorgen. Ist das Bewegungsverhalten im Vergleich zur Leistungssportlerin reduziert, so ist die Verwertung der Kohlenhydrate nicht mehr gewährleistet. Eine Glykogenspeicherung ist dabei häufig gestört und die hohe Blutglukose wird in der Leber zu ektopen Fett umgewandelt. Die nicht alkoholische Fettleber sowie eine Verstärkung der Insulinresistenz sind die Folgen. Somit ist es äußerst schwierig, eine passende Antwort auf die Frage: Gesund Essen – was heißt das überhaupt zu finden.

Individualität trifft auf medizinische Empfehlungen

Steht eine Optimierung der Diabeteserkrankung im Vordergrund, gilt mit Sicherheit folgende Empfehlung: Gesundes Essen und Trinken bei Diabetes sollte postprandiale Blutzuckerspitzen vermeiden. Lebensmittel gelten dann als besonders geeignet, wenn diese den Blutzucker zwei Stunden nach der Mahlzeit unter 150 mg/dl halten. Durch die postprandiale Blutzuckermessung kann dies jederzeit überprüft werden. Hierbei kommt es nicht nur auf die Auswahl der Nahrung an, sondern auch auf die jeweilige Portionsgröße.

Praxistipps zur Lebensmittelauswahl

Bei Getränken ist die Evidenz hoch, dass Kaffee ein Risiko für Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes senkt. Vier bis sechs Tassen sind dabei täglich möglich. Reiner Fruchtsaft scheint günstiger zu sein als mit Zucker versetzter Fruchtnektar/Fruchtsaftgetränke, haben allerdings auch dann Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel. Zuckerlimonaden und Light-Getränke weisen Zusammenhänge zu Typ-2-Diabetes auf. Ob Süßstoffe tatsächlich eine Zuckeralternative darstellen, ist abschließend nicht geklärt. Es gilt die Empfehlung, wenn überhaupt, diese sparsam zu verwenden. Wasser und Mineralwässer, beispielsweise mit frischer Zitrone oder Minze, gelten als optimal. Immer häufiger kommen duftbasiere Trinksysteme zum Einsatz. Obwohl Wasser getrunken wird, werden über spezielle Pods Aromen als Geschmack beim Trinken wahrgenommen. Eine Alternative ohne Kalorien. Alkoholkonsum und -Menge sollten individuell geklärt werden.

Je mehr Gemüse und Salat, umso besser

Ein höherer Gemüse- und Salatkonsum geht mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit für Typ-2-Diabetes einher. Grünes Blatt- und Wurzelgemüse wirkt besonders günstig. Ballaststoffe senken das Diabetesrisiko. Gemüse und Salat sind Früchten vorzuziehen. Denn Obst enthält Zucker (natürlicher Fruchtzucker), im Gegensatz zu fast allen Gemüsesorten. Eine ausgewogene vegetarische Ernährung kann das Typ-2-Diabetes Risiko um circa 20 Prozent senken. Hülsenfrüchte und Nüsse bewirken eine geringe glykämische Antwort. Sie werden in der Kohlenhydratberechnung, bei üblichen Mengen, kaum berücksichtigt. Sie bieten günstige Nährstoffe für die Darmflora. Nüsse wirken kardioprotektiv. Zudem wurde bisher kein Nachweis erbracht, dass Nüsse negativen Einfluss auf das Körpergewicht nach sich ziehen. Die tägliche Aufnahme von circa 30 bis 50 Gramm Nüssen kann sich positiv auf das metabolische Syndrom auswirken. Die Empfehlung liegt hier bei ungesalzenen Nüssen ohne weitere Zusätze wie Zucker oder Teigmantel.

Vollkorn statt Weißmehl, Kartoffeln plus Blumenkohl

Bei Getreideprodukten ist der Verarbeitungsgrad des Korns entscheidend für den Blutzuckerverlauf. Je geringer der Ausmahlungsgrad (also Vollkorn), desto günstiger. Feinvermahlenes Vollkornmehl weist denselben glykämischen Index auf wie Weißmehl. Low-Carb Brote können gemäßigtere Blutzuckerwerte begünstigen. Reis mit einem hohen Amylopektingehalt erhöht den Blutzucker besonders stark. Dazu gehören zum Beispiel Klebereis aus der Asiatischen Küche, gerne verwendet für Sushi. Wird Blumenkohl grob geraspelt und in der letzten Kochminute zum Reis gegeben, lässt sich die Kohlenhydratmenge deutlich reduzieren. Um die glykämische Wirkung zu senken, ist es erforderlich Nudeln lediglich bissfest zu kochen. Alternativ bieten sich Sorten mit niedrigerem Stärkegehalt, die als low carb Pasta im Handel zu finden sind, an. Bei Püree lässt sich die Hälfte der Kartoffeln durch Sellerie oder geraspelten Blumenkohl ersetzen. Bei Nudeln, Reis oder Kartoffeln bildet sich nach dem Abkühlen (6°C) bis zu 15 Prozent resistente Stärke. Diese wird bei der Verdauung nicht mehr zu Glukose umgewandelt.

Milch, Fleisch und Fisch – darauf kommt es an

Bei Milch und Milchprodukten wurden bisher bevorzugt Low-Fat-Varianten empfohlen. Das könnte sich künftig ändern. Die aktuelle Datenlage sieht für normalfette Milchprodukte in Bezug auf das Diabetesrisiko keinerlei Nachteile. Vor allem fermentierte Erzeugnisse wie Naturjoghurt haben ein schützendes Potenzial. Molkenprotein zeigt einen blutzuckersenkenden Effekt und trägt zu einer langanhaltenden Sättigung bei. Dieses findet sich zum Beispiel häufig in Formula-Drinks. In vieler Hinsicht zeigt sich ein Zusammenhang zwischen rotem Fleischkonsum, verarbeiteten Fleischwaren, Wurst und Typ-2-Diabetes. Auch ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird bei gesteigerter Hämeisenaufnahme festgestellt. Vermehrte Eiseneinlagerung in die Beta-Zellen begünstigt eine Insulinresistenz. Ein weiterer negativer Faktor ist der hohe Salz- und Nitritgehalt von Fleischwaren. Schinken stellt somit keine geeignete Fleischalternative dar. Ungepökelter kalter Braten scheint eine Alternative zu sein. Die Studienlage zum Fischkonsum in Relation zu Typ-2-Diabetes ist inkonsistent. Häufig wurden in den Studien Fischsorte, Zubereitungsart oder eine mögliche Kontamination mit Schwermetallen nicht eruiert. Mehr Klarheit gibt es zur protektiven Wirkung in Bezug auf Herzerkrankungen, Schlaganfall sowie der Gesamtmortalität.

Süßigkeiten – (k)ein Tabu?

Ein höherer Konsum von Eiern zeigt in Europa kein höheres Diabetesrisiko, im Vergleich zu den vereinigten Staaten von Amerika, wo es hier sehr wohl einen Zusammenhang gibt. Verantwortlich scheint hier der hohe Konsum von Eiern und Eierspeisen zum Frühstück, meist in Kombination mit Speck und Schinken zu sein. Nahrungscholesterin ist nicht gleich Serumcholesterin. Die Dietary Guidelines der USA haben die Nahrungscholesterinbegrenzung von 300 mg/d bereits 2015 aufgehoben, da dieses wenig Einfluss auf den Blutspiegel hat. Auch im Hinblick auf Fette und Öle gibt es neue Empfehlungen: Die aktuelle Evidenz bestätigt die früher geltenden Fettbegrenzungen für Menschen mit Typ-2-Diabetes nicht mehr. Gesättigte Fettsäuren müssen differenzierter betrachtet werden – insbesondere Milchfett. Olivenöl ist bei der Fettauswahl besonders günstig. Milchfett zeigt in den Studien keine Nachteile. Bei Süßigkeiten zeigt sich bei Zartbitterschokolade mit einem Kakaogehalt von mindestens 80 Prozent keine ungünstigen Auswirkungen bei Typ-2-Diabetes. Allerdings gilt auch hier die Empfehlung kleiner Mengen, wie zum Beispiel täglich ein bis zwei Stückchen und keine ganze Tafel.


Quelle:
Ernährungsempfehlungen bei Typ-2-Diabetes, H. Nussbaumer, Springer 2019


Autor:
Helmut Nussbaumer MSc.
Diabetes-/Ernährungsberater & Gesundheitspädagoge
Diabeteszentrum Burghausen –
Akademische Lehrpraxis der Ludwig-Maximilians-Universität München


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (3) Seite 16-17