Das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel steigt bei Menschen Diabetes mellitus Typ 2 und Metformin-Therapie abhängig von der Dosierung und Dauer der Metformin-Einnahme deutlich an. Insbesondere bei älteren Diabetes-Patienten können Anzeichen einer neurologischen Dysfunktion schon bei Vitamin-B12-Spiegeln auftreten, die allgemein noch als normal angesehen werden. Eine hochdosierte orale Vitamin-B12-Therapie bessert die Neuropathie.

Patienten mit Typ-2-Diabetes haben unter langfristiger Metformin-Medikation signifikant häufiger einen Vitamin-B12-Mangel als Typ-2-Diabetiker ohne Metformin-Einnahme [1]. In der Therapie des Vitamin-B12-Mangels hat sich neben der parenteralen Gabe die orale hochdosierte Vitamin-B12-Substitution als effektiv erwiesen, wobei der Großteil der Patienten die orale Therapieform bevorzugt [2].

Welchen klinischen Nutzen diese Maßnahme haben kann, zeigte jetzt eine placebokontrollierte Studie eines internationalen Forscherteams: Bei Diabetes-Patienten mit insuffizienten Vitamin-B12-Spiegeln, die mindestens vier Jahre mit Metformin behandelt wurden und unter Neuropathien litten, normalisierten sich durch eine orale Gabe von 1000 μg Vitamin B12 pro Tag nicht nur die Vitamin-B12-Spiegel, sondern auch die Nervenfunktion und Lebensqualität der Studienteilnehmer verbesserten sich signifikant [3].

Für die Therapie des Typ-2-Diabetes ist nach den medizinischen Leitlinien Metformin nach wie vor das Medikament erster Wahl [4]. Neben vielen positiven Wirkungen erhöht die Einnahme des oralen Antidiabetikums allerdings das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel [1]. Dies konnte eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Indien in einer aktuellen Studie erneut bestätigen [5]. Sie beobachteten bei über der Hälfte der Teilnehmer mit Typ-2-Diabetes (52,2 %) eine Vitamin-B12-Konzentration von unter 300 pg/ml und damit eine Unterversorgung bzw. einen Mangel.

Für die Patienten unter Metformin-Medikation stellten sie ein signifikant höheres Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel fest im Vergleich zu Patienten ohne Metformin-Einnahme. Darüber hinaus lag die Häufigkeit für die periphere Neuropathie, eine Folgeerkrankung des Vitamin-B12-Mangels, in der Medikamentengruppe signifikant höher.

Mangel-Risiko im Praxisalltag einschätzen

Das Risiko für einen Mangel stieg abhängig von der Dosierung und Dauer der Metformin-Einnahme deutlich an. Um den Einfluss beider Parameter auf den Vitamin-B12-Spiegel zu berücksichtigen, entwickelten die Wissenschaftler einen sogenannten Metformin-Anwendungs-Index (Metformin Usage Index = MUI): Das Produkt aus Metformindosis (mg) und Dauer der Medikation, geteilt durch 1000.

Den Index teilten sie in die Kategorien 0 (keine Einnahme), unter 5, über 5, 10 und 15 ein. Die Datenanalyse ergab, dass Patienten mit einem MUI über 5 ein signifikant höheres Risiko für einen Mangel hatten. Bei einem MUI über 15 lag das Risiko erwartungsgemäß am höchsten. Die Autoren weisen darauf hin, dass sich der Index als quantitativer Indikator zur Beurteilung des Risikos für einen Vitamin-B12-Mangel eignet und so die Planung einer adäquaten Interventionsstrategie unterstützen kann [5].

Wirksame und patientenfreundliche orale Supplementation

Eine frühzeitige Therapie ist erforderlich, um schwerwiegende Folgen eines Vitamin-B12-Mangels wie die periphere Neuropathie zu vermeiden. Dabei hat sich – entgegen früherer Annahme – eine orale Supplementierung von Vitamin B12 auch bei Risikogruppen mit gestörter Resorption als wirksam erwiesen, wenn ausreichend hoch dosiert wird [6,7].

Das bestätigt auch eine aktuelle Studie mit 283 Patienten mit Vitamin-B12-Mangel (Alter: ≥ 65 Jahre): Nach 8 Wochen hatten über 90% der Patienten, die entweder parenteral oder hochdosiert oral Vitamin B12 erhielten, normale Vitamin-B12-Spiegel im Serum erreicht. Allerdings bevorzugten über 83% der Patienten die orale Therapie [2].

Verbesserte Nervenfunktion und Lebensqualität

Welchen klinischen Nutzen eine orale Vitamin-B12-Supplementation für Diabetes-Patienten unter Metformin-Therapie haben kann, zeigt eine aktuelle randomisierte, placebokontrollierte Studie eines internationalen Wissenschaftler-Teams: 90 Patienten mit Typ-2-Diabetes, die seit mindestens 4 Jahren mit Metformin behandelt wurden und sowohl unter einer peripheren als auch autonomen Neuropathie litten, erhielten ein Jahr lang täglich oral 1.000 μg Vitamin B12 oder Placebo.

Alle Patienten hatten zu Studienbeginn insuffiziente Vitamin-B12-Spiegel von weniger als 400 pmol/L. Die Autoren weisen darauf hin, dass insbesondere bei älteren Diabetes-Patienten Anzeichen einer neurologischen Dysfunktion schon bei Vitamin-B12-Spiegeln auftreten können, die allgemein noch als normal angesehen werden. Der Bereich von 150 bis 400 pmol/L wird daher bei diesen Patienten als „relativer“ Mangel eingestuft.

Durch die hochdosierte orale Vitamin-B12-Therapie stiegen die Vitamin-B12-Spiegel an. Zudem konnten alle neurophysiologischen Parameter sowie der Schmerz-Score und die Lebensqualität der Patienten in der Verumgruppe gegenüber der Kontrollgruppe signifikant gebessert werden. Nicht signifikant war der Einfluss der Supplementation auf den kardialen autonomen Reflextest [3].

Placebokontrollierte Studie zeigt klinischen Nutzen der oralen Therapie

Die Studien-Autoren wählten die orale Supplementation wegen der Autonomie und erhöhten Zufriedenheit der Patienten. Zudem ist diese Therapie auch für Patienten mit Gerinnungsstörungen ohne Risiko möglich. In einer hohen oralen Dosierung von 1.000 μg (z.B. enthalten in B12 Ankermann®) kann eine ausreichende Menge an Vitamin B12 passiv über Diffusion unabhängig vom Intrinsic Factor resorbiert werden. Dadurch ist bei entsprechender oraler Dosierung der Ausgleich eines Mangels auch bei Resorptionsstörungen möglich.


Literatur:
1. Yang W, Cai H, Wu H, Ji L: Associations between metformin use and vitamin B12 levels, anemia, and neuropathy in patients with diabetes: a metaanalysis. J Diabetes 2019; 11 (9): 729–743
2. Sanz-Cuesta T, Escortell-Mayor E, Cura-Gonzalez I et al.: Oral versus intramuscular administration of vitamin B12 for vitamin B12 deficiency in primary care: a pragmatic, randomised, non-inferiority clinical trial (OB12). BMJ Open 2020; 10: e033687. doi:10.1136/bmjopen-2019-033687
3. Didangelos, T et al. Vitamin B12 Supplementation in Diabetic Neuropathy: A 1-Year, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. Nutrients 2021, 13, 395. https://doi.org/10.3390/nu13020395
4. www.diabinfo.de: Diabetes Typ 2: Medikamente. https://www.diabinfo-leben.de/typ-2-diabetes/behandlung/medikamente.html;zuletzt abgerufen am 17.02.2021
5. Shivaprasad C, Gautham K, Ramdas B, Gopaldatta KS, Nishchitha K: Metformin Usage Index and assessment of vitamin B12 deficiency among metformin and non-metformin users with type 2 diabetes. Acta Diabetologica 2020; 57: 1073-1080
6. Andrès E et al. Systematic Review and Pragmatic Clinical Approach to Oral and Nasal Vitamin B12 (Cobalamin) Treatment in Patients with Vitamin B12 Deficiency Related to Gastrointestinal Disorders. J Clin Med 2018;7(304);doi:10.3390/jcm7100304
7. Moleiro J et al. Efficacy of Long-Term Oral Vitamin B12 Supplementation after Total Gastrectomy: Results from a Prospective Study. GE Port J Gastroenterol 2018;25:117-122


Quelle: Mitteilung Wörwag Pharma GmbH & Co. KG